Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Freitag, 19. April 2024
Jean Duvour im Interview

„Politik lässt EFH im Stich“

Hausgeräte | Die Redaktion | 05.06.2012 | | 1  Archiv

Selektiver Vertrieb, Einkaufspreise und warum das Internet ein Geschenk für den Handel: E&W sprach mit Jean Dufour, einem von vier Mitgliedern der BSH-Geschäftsführung. 

Es gibt Bestrebungen der EU, die selektiven Vertriebsprogramme zu kappen. Wie schätzen Sie die Lage ein?

Jean Dufour: Es gibt Dinge, die man beeinflussen kann und jene, die man nicht beeinflussen kann. Die selektive Distribution war für uns ein enormes Projekt. Es hat ein Jahr gedauert, in allen 24 Ländern der EU über 50.000 Verträge zu unterschreiben. Wir haben hier alle Möglichkeiten genützt, die das Recht uns gibt. Die BSH hat gehandelt, wo sie Einfluss nehmen kann. Andere Dinge kann man nicht beeinflussen – wie die Gesetzgebung. Politiker bekommen großen Beifall für Dinge, die nichts kosten. Es ist für Politiker immer gut, wenn sie Einfluss auf die Preise nehmen, nach dem Motto „Seht her, wir haben jetzt etwas gemacht, da gehen die Preise runter“. Hier gibt es einige Tendenzen, die meinen, man sollte das Internet pushen, denn somit sinken die Preise und die Politiker werden wiedergewählt. Ich finde das nicht gut. Denn was passiert, wenn man das wild forciert: Der Fachhandel kommt in große Schwierigkeiten. Was hat man am Ende davon? Mir als Hersteller bringt es überhaupt nichts, den Konsumenten vielleicht heute, aber morgen nichts. Deshalb glaube ich, man muss gegen diese Tendenzen kämpfen. Wir kräftigen mit diesen selektiven Programmen den FH. Der FH wird von der Politik im Stich gelassen. Wenn er auch noch von den Herstellern im Stich gelassen wird, was kann der Fachhandel dann noch machen? Er muss mindestens einen starken Partner haben – und das ist der Hersteller, wenn Brüssel nicht hilft. Wir befürworten diese politische Ausbeutung des Internetgeschäftes nicht.

Gerade Siemens ist in Österreich etwas unter Beschuss geraten, weil teilweise die Verkaufspreise deutscher Händler unter dem EK der österreichischen Händler liegen. Natürlich gibt es dennoch hohe Verkaufszahlen. Aber gibt es Bestrebungen der BSH, hier europaweit für Preisstabilität zu sorgen?

Dufour: Wo ich Ihnen vollkommen Recht gebe, ist, dass das Thema Internet Transparenz in die Preise bringt, die es noch nie gegeben hat. Das ist irreversibel. Ein erster starker Stabilisierungseffekt wird der Multichannel-Handel sein. Die Tatsache, dass jeder Händler auch ein Internetgeschäft hat, wird bewirken, dass die Händler à la longue nicht zwei Gesichter, also einen Preis hier und einen Preis da haben werden. Das heißt, automatisch wird die Differenz reduziert. Auf der anderen Seite wird ganz eindeutig die Transparenz auch bei Dienstleistungen steigen. In Zukunft wird durch das Internet ganz klar sein, was der jeweilige Händler biete. Insbesondere im Einbaumarkt, der in Österreich mit über 50% des Marktes ein sehr großer ist, nicht soviel passieren. Produkte, Planung der Küche und Installation sind zusammen eine Dimension, mit der Internetangebote noch nicht mithalten können. Ganz so große Unterschiede von Land zu Land gibt es jetzt schon nicht. Viele unserer Kunden, gerade wenn Sie Österreich nehmen, sind es auch schon in Deutschland, das sind internationale Kunden. Diese diskutieren mit uns seit vielen Jahren, welche Preise sie in Österreich bezahlen und welche Preise in Deutschland. Das heißt, das ist schon im Gange, ich akzeptiere, dass das vielleicht noch ein bisschen schneller geht. Wir sind uns bewusst, dass das Geschäft zwar immer noch lokal ist, aber was die Preise angeht, muss man eher noch ein bisschen globaler vorgehen. Wenn wir neue Produkte einführen, schauen wir von Anfang an, dass es hier einen Korridor mit kleinen Differenzen gibt. Es kann Differenzen geben, weil zB die Kosten einer Vertriebsorganisation in zB Frankreich deutlich höher als jene in Luxemburg sind. Das hat mit Geografie, Logistik, Transportkosten zu tun. Aber wenn die Produkte 5 oder 10% billiger sind, dann heißt das ja noch lange nicht, dass jemand ins Auto steigt und die Produkte in Luxemburg kauft.

Aber Miele schafft es ja auch, eine einheitliche Preisstabilität zu haben. Und so klein ist der besagte Korridor ja nicht.

Dufour: Na gut, wenn jemand es schafft. Ich habe keinen Kommentar zu unserem Wettbewerber, außer, dass ich sage, dass eine Medaille immer zwei Seiten hat. Wenn eine Marke sehr stark ist, dann wird sie auch sehr stark im Internet verkauft. Wenn ich einen Internetshop hätte, dann würde ich nicht Marken verkaufen, die niemand kennt. Große Marken sind mehr beansprucht als jene, die weniger bekannt sind, die wenig Marktpräsenz haben. Miele hat zwar nicht in Österreich, aber in vielen europäischen Ländern einen sehr geringen Marktanteil. Da ist es ein bisschen leichter, hier eine Preispolitik zu machen. Bosch ist die stärkste Marke in Europa, die zweite ist Siemens. Diese starken Marken sind deutlich mehr beansprucht. Das beste Beispiel, das es gibt: Wenn ein Produkt den StiWa-Test gewinnt, multiplizieren sich automatisch die Online-Käufe mal drei. Wenn wir einen StiWa-Test gewinnen, freuen wir uns 7 Sekunden und wissen aber, dass dies im Markt ein bisschen missbraucht wird. Aber, in der Regel ist es so, dass Produkte dieser Art meistens zu unserem Partnerprogramm. Zum Teil können wir schauen, dass diese Produkte nicht so stark strapaziert werden.

Eine Anpassung der Preise bedingt auch eine Anpassung der Konditionssysteme…

Dufour: Das haben wir mit der selektiven Distribution. Die Verträge sind 1:1 in anderen Ländern übersetzt. Das ist ein riesen Kulturwandel in unserem Unternehmen. In der Vergangenheit war es eines unser Erfolgsgeheimnisse, dass wir in jedem Land eine lokale Vertriebspolitik hatten. Die selektive Distribution ist der erste große Schritt, mit dem wir einheitlich eingegriffen haben, um eine bis auf den Buchstaben vergleichbare Vertriebspolitik in allen Ländern in Europa umzusetzen. Das ist ein Meilenstein, der zeigt, dass es durch das Internet eine Beschleunigung in der Anpassung geben wird.

Sehen sie hier noch Bedarf, nachzubessern? Man könnte eine Österreich Edition auch so deuten, dass es noch Optimierungsbedarf gibt.

Dufour: Das ist eine alte Vorgehensweise, einer Händlergruppe, wie zB auch dem MK, ein exklusives Programm in die Hand zu geben. Das wird in Zukunft ein neues Leben bekommen. Wir werden diese Marketingtools mit Sicherheit nützen und das ist ein Klavier, auf dem wir gerne spielen werden.

Ist es in Zukunft für die BSH anzudenken, die Produkte direkt zu vertreiben?

Dufour: Theoretisch ja. Die technischen Möglichkeiten sind gegeben, früher hätten wir ein Geschäft eröffnen müssen, ein 3000 m2 Factory-Outlet. Jetzt ist es einfach, wir könnten aus irgend einer Ecke liefern. Damit ist Ihre Frage durchaus berechtigt. Jetzt ist aber die Frage, ob wir uns eine neue Rolle erfinden wollen, um Händlern zu werden? Das hat überhaupt keine Priorität bei uns. Der FH ist unser Partner und unsere erste Priorität ist, in dieser neuen Welt auch in x Jahren unseren Partner zu helfen und das Leben nicht noch schwieriger zu machen. Diejenigen, die Online ignorieren, werden Mühe haben. Für den Handel ist das Internet ein Geschenk. Warum? Wenn ein Fachhändler einen Onlineshop hat, verdreifacht er seine Öffnungszeiten, er kann am Sonntag oder nachts verkaufen. Zudem erweitert er um 100 oder 1000 km sein Einzugsgebiet, ein Salzburger kann auch in Wien verkaufen – vorher nicht. Gut, der Nachteil ist, dass der in Wien auch in Salzburg verkaufen kann (lacht). Die FH haben immer eine hohe Limitierung in der Fläche, jeder Quadratmeter kostet einen Haufen Geld. Dadurch limitieren sich auch die Produkte. Einige haben ein gutes Händchen, viele haben es nicht, dadurch haben sie Ladenhüter. Das ist schwierig für den Handel. Mit online kann er sein Programm rein theoretisch unendlich erweitern. Er kann Produkte anbieten, die er nicht physisch besitzt. Deshalb ist der Onlineverkauf aus meiner Sicht ein Geschenk für den Händler. Aber, es ist alles neu, er muss die Spielregeln erst lernen und ein Fachhändler ist nicht unbedingt ein Spezialist in diesen Sachen. Entweder gehört er zu einem guten Verband – dadurch wird die Rolle der Verbände mit Sciherheit wieder stärker. Oder er hat gute Lieferanten, die ihm dabei helfen. Darin sehen wir unsere Rolle. Wir wissen, wie wir Innovationen machen, aber peilen nicht auf einmal eine Substitution des Handels an. Das hat für uns definitiv keine Priorität. Ein Beispiel, woran wir arbeiten, ist die Logistik, hier wird es in Zukunft eine enge Zusammenarbeit geben, um ein noch höheres Service zu bieten. Amazon, Redcoon etc werden höchstwahrscheinlich die Standards setzen und der FH wird ein Problem haben, außer, er hat einen guten Partner. Bezüglich Website können Filme, Bilder, attraktiven Argumentationen liefern, alles was man braucht, um professionell aufzutreten. Wir werden jeden FH in die Lage versetzen, dass er gegen die großen Pureplayers wettbewerbsfähig zu sein.

Aber diese Materialien bekommen ja die Großen auch…?

Dufour: Ja, klar, aber die Kleinen dann auch.

Nur der Große bekommt halt andere Einkaufspreise…

Dufour: Nein, warum. Ich würde hier nicht von Großen und Kleinen sprechen, sondern von Aktiven und weniger Aktiven. Und die Großen waren auch mal klein. Die Karten werden neu verteilt. Die Zeiten ändern sich epochal, unserer erste Priorität ist Helfer des Handels zu sein. Wenn wir Probleme mit Händlern bekommen, dann, weil wir hartnäckig bleiben, und sagen, schlaft nicht ein, bleibt wach!

Wie sieht es mit Zahlen in Bezug auf Österreich aus?

Dufour: Wenn ich kurz vergleichen darf: In Spanien oder Griechenland hat sich der Markt seit 2007 bis heute halbiert. Überlegen Sie, wenn so etwas in Österreich passieren würde. Österreich gehört zu den starken Märkten, wie auch Deutschland, Belgien. Warum? Weil es hier keine Baukrise wie in Spanien gab. Darüber hinaus gibt es eine andere Mentalität in Österreich und Deutschland, wo die Leute ihr Geld lieber in Sachwerte investieren, wodurch viele Küchen renoviert und gekauft worden sind. Nehmen wir die Küchenstudios in Österreich, es geht ihnen gut. Es wird viel in die existierende Bausubstanz investiert. In Deutschland ist der Markt mit 5% gewachsen, die BSH mit 8% über dem Markt gewachsen. In Österreich sind wir auf Vorjahresniveau, der Markt wächst nicht, der ist leicht negativ mit -1%. Wenn ich das mit einer Halbierung vergleiche, dann ist Österreich im Vergleich zu anderen Ländern eine Insel, wo die Sonne scheint.

Diesen Beitrag teilen

Kommentare (1)

  1. Das hab ich jetzt nicht verstanden…

    „Ein erster starker Stabilisierungseffekt wird der Multichannel-Handel sein“ ???
    „Wenn ich einen Internetshop hätte, dann würde ich nicht Marken verkaufen, die niemand kennt.“ (so wie Miele) ?????
    …peilen nicht auf einmal eine Substitution des Handels an. Das hat für uns definitiv keine Priorität.“???????
    Es ergeben zwar nicht viele Aussagen in diesem Interview Sinn, aber es wird zumindest klar, warum die Preissituation der BSH-Produkte derzeit so verfahren ist: Weil man in der Führungsebene offensichtlich gar keinen Handlungsbedarf erkennt!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden