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Freitag, 19. April 2024
"Energie - 50 Jahre vorausgedacht"

Stromversorgung in 50 Jahren – so sicher wie heute?

E-Technik | Die Redaktion | 10.10.2012 | |  Archiv
Fachtagung zum Thema Fachtagung zum Thema "Energie - 50 Jahre vorausgedacht"

Wie sicher wird unsere Stromversorgung in 50 Jahren sein? Das ist die zentrale Frage, der sich die Österreichische Gesellschaft für Energietechnik (OGE) im OVE im Rahmen ihrer 50. Fachtagung widmet. Das "goldene" Jubiläum ist dabei Anlass, einen Blick in die Zukunft zu wagen und gleichzeitig die Basis zu schaffen, diese aktiv mitzugestalten. Die diesjährige OGE-Fachtagung wird als D-A-CH-Tagung gemeinsam mit den Energietechnischen Gesellschaften von VDE und Electrosuisse organisiert.

Europäisch harmonisierter Strommarkt

„Wenn wir uns die Stromversorgung in 50 Jahren vorstellen, müssen
wir uns die Frage stellen, wie die Energieversorgung generell
aussehen wird. Der weltweite Strommix wird aktuell zu 80 % aus
fossilen Quellen gewonnen und nur zu 14 % aus erneuerbaren
Energieträgern. Bis 2050 müssen wir dies umdrehen und dabei möglichst den Nuklear-Anteil auf 0 senken“, führte Wolfgang Anzengruber, Vorstandsvorsitzender von Verbund, aus und ergänzte: „Der Kampf gegen die Klimaerwärmung und die Endlichkeit der fossilen Energieträger lassen keine andere Wahl“.

„Der Ausbau der erneuerbaren Energieträger macht vor allem dort
Sinn, wo diese auch wirtschaftlich genutzt werden können, z. B.
Solaranlagen im Sonnengürtel Europas und Wind an den küstennahmen Regionen des Kontinents. Das Energiewirtschaftliche Institut der Universität Köln beziffert das Effizienzpotenzial bei zielgerichteter Forcierung mit 174 Mrd. Euro bis 2020. Darum wird kein Weg an einem europäisch harmonisierten Strommarkt und einem funktionierenden CO2-Regime vorbeiführen“, so Anzengruber. „Marktseitig wird sich ein zukunftsfähiges Energiesystem nur etablieren, wenn nationalen Alleingängen bei Fördermaßnahmen und Markteingriffen Einhalt geboten wird“, ist Anzengruber überzeugt. „Unabgestimmte Subventionen für Erneuerbare Energien verteuern den Strompreis und verhindern derzeit noch Effizienzfortschritte“, so der Verbund-Chef.

Die Industrie stellt sich den Herausforderungen

„Betrachtet man die aktuellen globalen Trends, wird klar, dass der
Aufbau einer modernen Strominfrastruktur in den Schwellenländern und die Weiterentwicklung zu Smart Grids in den Industrieländern essentielle Herausforderungen für die Industrie, aber auch für die Politik, darstellen“, skizzierte Franz Chalupecky, Vorstandsvorsitzender der ABB AG Österreich, die Lage der Energieindustrie. „Die Industrie stellt sich diesen Herausforderungen und entwickelt bzw. optimiert moderne Technologien, u.a. in Hinblick auf den Transport großer Elektrizitätsmengen bzw. die Einsparung elektrischer Energie im industriellen Bereich.“ Auch wenn die Industrie in diesem Bereich traditionell forschungsintensiv ist, sind noch weitere Anstrengungen in Richtung Forschung & Entwicklung erforderlich.

Konsequenzen der deutschen Energiewende

Prof. Jochen Kreusel, Vorsitzender der ETG im VDE, erläuterte die
technischen Konsequenzen der deutschen Energiewende: „Mit ihrem
Energiekonzept aus dem Herbst 2010 und dem anschließenden Beschluss zum Ausstieg aus der Nutzung der Kernenergie hat die deutsche Bundesregierung den grundlegenden Wandel in der elektrischen Energieversorgung forciert. Die vorgesehene Entwicklung der zu installierenden Leistung erneuerbarer Energien verdeutlicht dies
eindrucksvoll: Bereits heute übersteigt sie den elektrischen Bedarf
in Schwachlastzeiten, im Jahr 2020 wird sie auch die Spitzenlast
übertreffen, und im Jahr 2050, wenn die erneuerbaren Energien 80 % der Last decken sollen, wird sie weit darüber liegen.“

Die hohen Anteile von Wind- und Sonnenenergie bringen fundamentale
Neuerungen mit sich: „Zunächst sind vor allem Wasser- und Windenergie standortgebunden. Die Folge ist ein steigender Bedarf an Leistungs-Fernübertragung. Die zweite Veränderung ist der hohe Anteil dezentraler Einheiten, die künftig zur Regelung des Ausgleichs von Erzeugung und Verbrauch herangezogen werden müssen. Dies betrifft gleichermaßen dezentrale Einspeiser wie flexible Verbraucher. Zuletzt ist die Volatilität der neuen Quellen zu nennen. Diese Änderungen haben weitreichende Auswirkungen und erfordern grundsätzlich neue Lösungsansätze“, so Kreusel.

Energiepolitisches Umdenken in der Schweiz

In der Schweiz besteht der Strommix derzeit zu 55 % aus
Wasserkraft und zu 40 % aus Kernkraft. Der Rest ist Strom aus kleinen thermischen Anlagen, v. a. aus der Müllverbrennung. Ein Beschluss der Landesregierung und des Parlaments sieht vor, die fünf bestehenden Kernkraftwerke zwischen 2020 und 2040 schrittweise abzuschalten. „Auch in der Schweiz soll der Atomstrom zukünftig durch Strom aus regenerativen Quellen ersetzt werden. Laut der Studie „Energiezukunft Schweiz“ der Eidgenössischen Technischen Hochschule (ETH) ist dieses Szenario grundsätzlich umsetzbar. Allerdings nur, wenn Industrie und Politik am gleichen Strang ziehen. Auch die Bevölkerung ist betroffen, denn es ist ein energiepolitisches Umdenken gefordert“, führte Reto Nauli, Präsident der ETG von electrosuisse aus.

Versorgungssicherheit in Österreich gewährleisten

OVE-Präsident Franz Hofbauer hob die hohe Versorgungssicherheit
für Stromkunden in Österreich hervor, die europaweit an dritter
Stelle liegt. Um diese hohe Versorgungssicherheit auch in Zukunft zu
gewährleisten, sind bereits heute die richtigen Schritte zu setzen:
„Das österreichische Hochspannungsnetz, aber auch die Verteilnetze müssen ausgebaut werden. Zur langfristigen Finanzierung wäre eine moderate Steigerung der Netztarife vorzunehmen. Weiters wäre eine Verkürzung der Genehmigungsverfahren für den Netzausbau vonnöten.
Durch die dargebotsabhängige Stromproduktion werden innovative
Speichermöglichkeiten erforderlich, einerseits zentrale
Speicherkraftwerke, andererseits aber auch dezentrale Speicher.

Energieeffizienz zählt

Schließlich gilt es aber auch, das Bewusstsein der Kunden im
Umgang mit dem Strom in Hinblick auf Energieeffizienz – ohne
Komfortverlust – zu schärfen. Energieberatung wird daher an Bedeutung gewinnen. Alle Sprecher waren einer Meinung: Die  Stromversorgung wird in 50 Jahren genauso sicher sein wie heute, sofern jetzt schon die entsprechenden realistischen Szenarien entwickelt werden, die es Gesellschaft, Politik, Industrie und Energiewirtschaft ermöglichen, einen Leitfaden für die Umsetzung einer bedarfsgerechten und sicheren Stromversorgung in den nächsten 50 Jahren zu erarbeiten. Einhelliger Tenor: Wir brauchen weniger Visionen und mehr Professionalität und Sachverstand.

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