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Donnerstag, 25. April 2024
Hotspot Kreditversicherungen: Limits, Monitoring und Information

Prünster: „Wir prüfen die Bonität“

Hintergrund | Dominik Schebach | 06.02.2013 | Bilder | |  Archiv
"Das Monitoring und die Bonitätsprüfung sind unsere eigentlcihe Kerndienstleistung, und nicht die des passiven Schadenszahlers", erklärte Christian Prünster, stellvertretender VL des Kreditversicherers Coface.

Die Kreditversicherer spielen eine zentrale, aber oft unterschätzte  Rolle bei der Warenversorgung und Finanzierung des Fachhandels. Denn sie ermöglichen es mit ihren für einzelne Händler gewährte Limits den Lieferanten, sich gegen eine mögliche Insolvenz ihrer gewerblichen Kunden abzusichern, und so überhaupt Ware zu liefern. E&W sprach mit Christian Prünster, stellvertretender VL des Kreditversicherers Coface und verantwortlich für die Region Westösterreich, über die Position der Branche.

E&W: Herr Prünster, können Sie bitte die Rolle der Kreditversicherer beschreiben?

Christian Prünster: Grundsätzlich versichert bei einer Kreditversicherung ein Hersteller oder Großhändler seine gewerblichen Abnehmer, denen er Ware offen – auf Rechnung mit einem Zahlungsziel – liefert, gegen den Zahlungsausfall. Wenn dieser Kunde insolvent wird, dann treten wir in den Schaden ein. Wir vermeiden den Forderungsausfall bei diesem Kunden. Dafür, dass wir diesen Kunden versichern können, ist eine Bonitätsprüfung vorgelagert. Wir prüfen die Bonität der Kunden, um entsprechende Versicherungslimits einzuräumen.

Das Monitoring und die Bonitätsprüfung sind unsere eigentlichen Kerndienstleistung, und nicht die des passiven Schadenszahlers. Dh, wir versuchen schon im Vorfeld die Unternehmen richtig zu bewerten und warnen auch vorab, um Schaden zu vermeiden. 

Mosaiksteinchen“

E&W: Wie kommen sie zu ihren Bewertungen und wie soll man sich als Händler am besten verhalten? Gibt es Wunschliste der Kreditversicherer an Informationen, damit diese zu einer angemessene Beurteilung des eigenen Unternehmens kommen und man nicht plötzlich ans Limit stößt, und das vielleicht noch in der Weihnachtszeit?

Prünster: Dafür benötigen wir Informationen. Die Bewertung stellen wir aus vielen Mosaiksteinchen, die aus verschiedenen Quellen kommen, zusammen. Im Inland ist der KSV, der die größte Auskunftsdatei stellt. Das ist kein Geheimnis. Aber wir kaufen auch Informationen aus anderen Wirtschaftsauskünften zusammen. Wir besorgen uns Bankinformationen und greifen aufs Firmenbuch sowie die dort hinterlegte Informationen wie Bilanzen zu. Wobei bei vielen Händlern das nicht der Fall sein wird, da für sie in der Regel wegen der Betriebsgröße keine Publizitätspflicht besteht.

Das ist vielleicht der springende Punkt. Diese Firmen wissen nicht um die Bedeutung, ihre Unternehmenskennzahlen zur Verfügung zu stellen. Es ist aber so, und das muss man in dem Zusammenhang sagen, die Hausbank des Unternehmens bekommt die Unternehmenskennzahlen bei Bankkrediten. Diese sind zumeist auch besichert. Wir versichern die Lieferanten. Das ist genauso ein Kredit – diesmal seitens des Lieferanten. In der kurzfristigen Unternehmensfinanzierung ist der Lieferantenkredit bedeutsamer als der Bankkredit. Die Banken verlangen einfach die Info und bekommen sie. Die Kreditversicherer, wo sich ja auch das Risiko zu den Kunden kumuliert, bekommen die Infos nicht automatisch. Da wir die Information zukaufen, ist die Empfehlung daher in erster Linie, dem KSV die notwendigen Informationen zu geben. Ein Top-Rating beim KSV hilft dem Händler unmittelbar. Es kommt aber auch vor, dass wir die Firmen kontaktieren, und bitten um Informationen, damit wir eine möglichst objektive Beurteilung durchführen können. Das geschieht vertraulich. Wir nennen aber den Namen, für wen wir das tun.

Für unsere Kunden geht es darum, dass die diese Entscheidungen möglichst rasch fallen. zB wenn es sich um einen Neukunden handelt, und der Lieferant keine Zahlungserfahrung mit dieser Firma hat. Unsere  Antwortzeiten liegen im Inland unter einen Tag. Dh, wir haben durch unsere mehr als 50 Jahre Tätigkeit in Österreich ein so großes Archiv, dass wir die meisten Anfragen innerhalb von 24 Stunden beantworten können. Als Spezialversicherer haben wir über jedes Unternehmen Informationen. Ausnahme sind die Neugründungen, wo in jeder Wirtschaftsauskunftsdatei steht, es gibt noch keine Empfehlung, keine Zahlungserfahrung, die weitere Entwicklung bleibt abzuwarten. Aber Bestandunternehmen mit einer Historie liegen Informationen wirklich schnell vor.

E&W: E&W ist speziell für den EFH, Telekom-FH und Küchen-Fachhandel tätig. Ist in dieser Branche die Erfahrung da, dass man im Falle eines Anrufs eines Kreditversicherer mit seinen doch vertraulichen Daten herausrückt? Oder ist es eher so, dass viele ihre Daten nicht außer Haus geben?

Prünster: Da hat sich schon viel geändert. Vor 10, 15 oder 20 Jahren war die Einstellung noch ein ganz andere. Da wurden nur wenige Informationen außer Haus gegeben. Das hatte unterschiedliche Gründe. Es gibt den Patriarchen, der sagt, das geht niemanden etwas an. Es gab den Ängstlichen, der meinte, dass man alles Mögliche aus den Bilanzen herauslesen kann. Bei uns ist das etwas anderes. Bei uns ist die Information vertraulich. Die gehen ja nicht an den Lieferanten, sondern bleiben bei uns – als Dritten, der das vertraulich zu bearbeiten hat. Das bleibt bei uns.

Prinzipiell ist die Versicherungsdichte heute schon sehr hoch und steigt weiter. Das liegt z.T. am hohen Risikopotenzial im EFH-Bereich, wie auch die Insolvenzstatistik zeigt. Einige spektakuläre Fälle haben uns in der jüngeren Vergangenheit viel Geld gekostet. Aber wir können auch nicht in jedes Unternehmen hineinschauen. Wir können Limits zur Verfügung stellen, damit die Lieferanten ihre Kunden versichert beliefern können. Wenn der Informationsstand ein durchschnittlicher war, haben wir auch entsprechende Limits eingeräumt.

Gefahr Informationsmangel

E&W: Der EFH ist eine Branche mit hohen Volumina, wobei die Ware oft sehr kompakt ist – siehe Smartphones. Es geht auch oft sehr schnell. Die Distributoren liefern innerhalb von 24 Stunden. Wann kommen sie unter diesen Umständen zum Schluss, dass die Informationen nicht genügen, und was wollen Sie dann vom Unternehmen direkt haben?

Prünster: Es gibt bei uns im Haus eine Kreditprüfungsabteilung. Die trifft auf professioneller Basis die Kreditentscheidung. Dazu gibt es im Vorfeld die genannten Informationen – aktueller oder weniger aktuell. Wir können klarerweise nur auf Basis aktueller Informationen positive Entscheidungen treffen. Wenn keinerlei Informationen da sind, dann müssen wir auch „mangels Informationen“ Versicherungsdeckungen ablehnen.

Versicherungen werden nun einmal abgelehnt, weil die Bonität sehr schlecht ist, oder weil die notwendigen Informationen nicht da sind. Da fehlt dann die Entscheidungsgrundlage.

E&W: Wie kann man da als FH dagegensteuern. Soll man einmal im Jahr seine Bilanz beim KSV deponieren. Was wünschen Sie sich?

Prünster: Das ist sicher eine Empfehlung, auch wenn es keine Publikationspflicht gibt, dem KSV die Unterlagen zu übermitteln. Es gibt keine Checkliste aber die jährliche Bilanz mit GV und einem Geschäftsbericht, das wäre optimal. Das fließt dann in unser System ein. – Das gilt auch für die anderen Versicherer.

Viel mehr kann man im KMU-Bereich nicht verlangen. Außer das Unternehmen befindet sich in einer Restrukturierungsphase. Da sind kurzfristigere Informationen wünschenswert.

E&W: Dh, mit einer guten Informationspolitik gegenüber dem KSV kann man sich schon viel ersparen?

Prünster: Ja.

E&W: Sie haben gesagt, die Einstellung das Verhalten der Fachhändler ändert ändert sich. Wie geht nun der klassischen FH damit um, wenn der Kreditversicherer vorstellig wird?

Prünster: Im Normalfall kaufen wir ja die Infos zu, nur im Ausnahmefall ersuchen wir das Risiko, also die Kunden unserer Kunden, direkt um Informationen wie Unternehmenskennzahlen. Die Händler gehen damit ganz unterschiedlich um. Manchmal erhalten wir keine Reaktion, manchmal werden die Zahlen unmittelbar übermittelt.

Da gibt es ein Standardschreiben von unserer Seite, dass wir aufgrund von Bewertungen die Lieferantenkredite versichern, dass wir dazu Informationen benötigen und deswegen direkt um vertraulich Informationen bitten.

E&W: Ein Vorwurf an die Kreditversicherer ist, dass diese Schönwetterkapitäne sind. So lange der Laden gut läuft, wird gern versichert. Zeigen sich dunkle Wolken am Himmel, ziehen sich die Versicherer schnell zurück. Wie sehen Sie das?

Prünster: Wir müssen auf der Basis von Unternehmenskennzahlen, objektiven Kriterien und Hardfacts eine objektive, nachvollziehbare Kreditentscheidung treffen. Natürlich ist das ein lebender Prozess. Die Bewertungen verändern sich. In beide Richtungen. Wenn die Bonität da ist, kann man auch ein höhere Deckungen eingehen.  Aber wir müssen auch die Möglichkeit haben, niedrigere Limits oder im Extremfall kein Versicherungslimit zu vergeben, wenn es dafür entsprechende Gründe gibt.

Es haben zB viele KMU ein negatives Eigenkapital und schlechte Ertragslage. Dann muss sich auch unsere Bewertung verändern können. Den Kopf in den Sand stecken geht nicht. Unsere Kunden verlangen von uns ein permanentes Monitoring, eine permanente Aktualisierung der Unternehmensdaten. Dh, wir sind nicht ein passiver Schadenszahler, sondern ein aktiver Bonitätsprüfer. Dazu gehört die Bonitätsprüfung, dazu auch permanentes Monitoring. Wir sind mit unseren Kunden in einer Risikogemeinschaft. Wir sind nicht nur Schadenszahler sondern haben auch eine Vorwarnfunktion.

Vorwarnfunktion

E&W: Das ist jetzt aber nicht so präsent. Der Fachhändler nimmt sie sozusagen immer dann wahr, wenn sie ihm das Limit kürzen.

Prünster: Das ist ein Teil der Vorwarnfunktion. Damit dokumentieren wir gegenüber dem Versicherungsnehmer, dass wir das Limit nicht mehr übernehmen können. Nur das hat ja gute Gründe. Wenn Informationen über Zahlungsausstände usw vorliegen. Unser Versicherungsnehmer reagiert natürlich darauf. Er wird nicht mehr in dem Umfang liefern, oder Sicherheiten verlangen und dann dreht sich natürlich die Spirale.

E&W: Es wird jetzt immer wieder über Basel III gesprochen, die Wirtschaftskrise kommt auch dazu. Haben sich damit auch die Kriterien für die Kreditversicherer geändert?

Prünster: Kann ich so für uns nicht sagen. Basel III betrifft die Banken und die dortigen Eigenkapital-Vorsorge. Die Unternehmensbewertungen, die wir vornehmen, sind ja keine Bankbewertungen, bei denen es sich um längerfristige Finanzierungen dreht. Im Inland stellen auf die kurzfristige Liquidität des Unternehmens ab, ohne nach Links und rechts zu schauen.

E&W: Ich habe gehört, dass auch lokale Faktoren einbezogen werden. Geht das überhaupt?

Prünster: Meines Wissens ist das nicht zu fassen und macht in Österreich auch keinen Sinn. Im Ausland macht es natürlich einen Unterschied ob der Abnehmer in Deutschland oder in Kasachstan sitzt.

E&W: Kommt es manchmal vor, dass sich ihre Kunden ein höheres Limit für ihre Abnehmer wünschen? Oder wird es akzeptiert, wenn sie ein Limit senken?

Prünster: Grundsätzlich gibt es eine entsprechende Kommunikation mit unseren Versicherungsnehmern, warum wir eine Entscheidung treffen. Die ist in vielen Fällen deckungsgleich mit der Einschätzung der Kunden. In manchen Fällen entspricht das Verhältnis von Umsatz und Risiko auch nicht den Erwartungen, weil zB ein Distributor der einzige oder wichtigste Lieferant ist. Natürlich wünschen sich einzelne Versicherungsnehmer dann höhere Deckungen für ihre Kunden, die sind aber nicht immer darstellbar. Aber in großen und ganzen stimmen wir überein und deswegen sind die Kunden in der Regel auch lange Zeit bei uns.

Wenn die Alarmglocken läuten

E&W: Wann läuten die Alarmglocken?

Prünster: Die Alarmglocken läuten, wenn uns unsere Kunden, der Versicherungsnehmer, von einem Zahlungsausständen berichtet. Dann werden wir das Limit reduzieren und aufheben müssen. Nur der Lieferant würde ja so oder so in diesem Fall seine Lieferungen einstellen. Man reagiert ja bei Folgeaufträgen. Zahlungsstörungsmeldungen sind aber ein entscheidender Punkt. Die erhalten wir entweder von unseren Kunden oder vom KSV, wenn es gravierender ist und ein Inkassoauftrag läuft.

E&W: Dh, solange man beim KSV gut angeschrieben ist, dann ist alles in Ordnung?

Prünster: Wir erhalten mal früher Infos von Zahlungsausfällen, wenn die äußerste Zahlungsfrist verstreicht, dann gibt es eine Informationspflicht an uns. Da muss noch kein Inkasso-Auftrag laufen.

E&W: Und das setzt sich in der Bewertung dieses Unternehmens fort…

Prünster: Ja. Wenn mehrere Lieferanten denselben Abnehmer beliefern und bei uns versichert sind. Wenn die Zahlungsmodalitäten nicht eingehalten werden – nicht Reklamationen oder so anderer technischer Grund –, dann werden auch Limits für diesen Abnehmer aufgehoben. Und weitere Lieferungen sind nicht mehr versichert. Wenn das Zahlungsziel nicht eingehalten wird, muss man etwas tun.

E&W: Abschließend, wenn Sie sich etwas vom Fachhandel wünschen könnten, was liegt Ihnen da am Herzen?

Prünster: Eine proaktive Informationspolitik der Firmen ist ein Vorteil. Sie müssen sich bewusst sein, dass die Lieferanten einen Kredit geben. Die Lieferanten haben auch das Recht, auf entsprechende Informationen zu bekommen. Genauso wie eine Bank, benötigen die Kreditversicherer die Informationen.

Unter diesem Gesichtspunkt – und das stimmt wirklich – dass in der Kurzfristigen Unternehmensfinanzierung der Lieferantenkredit eine höhere Bedeutung hat, als der kurzfristige Bankkredit. Mit einem guten Rating spart sich der Händler viel Geld, weil von der Bonität hängen die Kreditkonditionen ab, genauso wie in welcher Höhe wir die Deckungen darstellen können. Die Alternative wären eine Vorauszahlung oder Bankgarantien, welche wiederum kosten. Das belastet wiederum den Rahmen bei der Bank usw. Deswegen ist der Lieferantenkredit positiv zu sehen.

Bilder
Der Kreditversicherer versichert das Risiko des Lieferanten und macht dadurch in vielen Fällen einen Lieferantenkredit überhaupt erst möglich. (Quelle: Coface)
Der Kreditversicherer versichert das Risiko des Lieferanten und macht dadurch in vielen Fällen einen Lieferantenkredit überhaupt erst möglich. (Quelle: Coface)
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