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Samstag, 20. April 2024
Leiharbeiter bei Amazon

Dokumentation „Ausgeliefert“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 14.02.2013 | |  Archiv

Amazon ist bekanntermaßen der größte Online-Händler der Welt. Laut einer ARD-Reportage wird der Erfolg aber auch auf Kosten von Leiharbeitern erwirtschaftet, die der Konzern aus ganz Europa herankarren und in Feriendörfern unterbringen lassen soll. Laut ARD würden sie teilweise von rechtsradikalen Sicherheitsleuten bewacht.

In der Reportage werden einzelne Schicksale beleuchtet, zum Beispiel das von Silvina, Kunstlehrerin aus Spanien. Auf Grund ihrer Arbeitslosigkeit folgte sie einer Anzeige von Amazon: Für das große Weihnachtsgeschäft suchte der Online-Händler Aushilfen im Lager. Gut 5000 Menschen ließ der Konzern dafür aus ganz Europa herankarren und in der Nähe der zentralen Auslieferungslager in Bad Hersfeld, Koblenz oder Augsburg unterbringen, in Motels oder Feriendörfern, sieben Menschen pro Hütte, so schildert es eine ARD-Dokumentation.

Die Reportage „Ausgeliefert!“ wurde Mittwoch Abend auf ARD ausgestrahlt und es sind angeblich „düstere Bilder“, die von den Autoren Diana Löbl und Peter Onneken gezeigt werden: „Überall ist es dunkel, windig und kalt. Hessische Provinz in der Vorweihnachtszeit: ‚Wanderarbeiter’, die im Schneegestöber auf den einzigen Bus warten, der sie zu ihrer Nachtschicht bringt. Sie kommen aus Polen, Ungarn, Spanien, Rumänien, von überall. Sie eilen für einen Stundenlohn von um die neun Euro brutto durchs Lager von Amazon, um die Weihnachtsbestellungen abzuarbeiten.“

„Es ist bekannt, dass Amazon zunehmend auf Leiharbeiter setzt. Es ist aber nicht bekannt, wie ein System aussieht, das 5000 Menschen für drei Monate heranschaffen und dann wieder loswerden muss.“ Der Film zeigt das Zusammenspiel von Amazon, Arbeitsagenturen, Leiharbeitsfirma sowie Transportunternehmen, und alles, was damit zusammenhängt: „Die beengten Verhältnisse, in denen die Leiharbeiter unterkommen. Oder die überfüllten Busse, die nur einmal pro Schicht fahren – sind sie verspätet, erhalten die Arbeiter weniger Lohn“, erzählen sie im Film.

Die Protagonistin Silvina ist die einzige, die offen über ihre Situation spricht. Sie führt die Autoren in ihre Unterkunft, sie erzählt von ihren drei Kindern in Spanien, die sie vermisst, und von der ständigen Unsicherheit, wie lange sie arbeiten darf. Weder Amazon noch die Leiharbeitsfirma haben die Anfragen des ARD-Teams angeblich beantwortet.

Die Dreharbeiten gestalteten sich schwierig, oft durfte die Kamera nicht filmen und auch Interviews mit den Verantwortlichen von Amazon und der Zeitarbeitsfirma fehlen. Trotzdem schaffen es die Autoren, „mit einer einzigen Protagonistin die bedrückende Atmosphäre eines Arbeitslebens auf Abruf zu zeigen.“ Sie mieteten sich in die Ferienwohnanlage ein, in der Hunderte der Leiharbeiter untergebracht sind. Mit versteckter Kamera filmten sie die Stellwände, an denen Schichtpläne, Verhaltensregeln und Anweisungen für die Arbeiter hängen, in deutscher und englischer Sprache.

Die Autoren aßen gemeinsam mit den Arbeitern, getrennt von anderen Feriengästen, und sie wurden von den gleichen Sicherheitsleuten bedrängt, die für die Überwachung der Leiharbeiter in ihren Unterkünften zuständig sind. Die Security habe jederzeit Zutritt zu den Ferienwohnungen, berichtete Silvina, auch dürften sie jederzeit Taschen durchsuchen, viele Arbeiter hätten Angst. Als die Reporter die Kleidung der Sicherheitsleute filmten, wurden sie vom Sicherheitsdienst verfolgt und schließlich aus der Ferienanlage rausgeworfen. Die ARD-Journalisten recherchierten im Anschluss über die Sicherheitsfirma, die die Arbeiter des Online-Händlers überwacht und stießen auf zahlreiche Verbindungen zur rechten Szene. „Amazon selbst konnte sich auf Anfrage von Spiegel online zu keinem der Vorwürfe äußern.“

Das Ende: „Für die arbeitslose spanische Kunstlehrerin Silvina endete das Engagement schnell wieder. Drei Tage vor Weihnachten wird sie überraschend entlassen, offenbar hat Amazon weniger Bestellungen bekommen als erwartet. Silvina erfährt erst am Ende ihrer Schicht, dass sie nicht mehr wiederkommen darf – und hat 24 Stunden Zeit, ihre Sachen zu packen.“

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