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Freitag, 29. März 2024
Fehlerkultur

No Problem is a Problem

Hintergrund | Wolfgang Grasl | 08.04.2018 | Bilder | |  Archiv
Eine positive Fehlerkultur bedeutet Arbeit, rentiert sich aber in einer echten erhöhten Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, weniger Kosten und einer langfristig stärkeren Wettbewerbsfähigkeit. 
(Bild: Tony Hegewald/ pixelio.de)
Eine positive Fehlerkultur bedeutet Arbeit, rentiert sich aber in einer echten erhöhten Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, weniger Kosten und einer langfristig stärkeren Wettbewerbsfähigkeit. (Bild: Tony Hegewald/ pixelio.de)

In seinem Editorial mit dem Titel „Recht auf Vehler“ schreibt Andreas Rockenbauer über den „No Blame“ -Ansatz. Er ärgert sich, dass es bei den meisten Problemen einen Schuldigen geben muss, was selten zur Aufklärung beiträgt. Auch in der „Lean“ Philosophie ist das ein wichtiges Thema.

(Bild: Tony Hegewald/ pixelio.de)

Es ist wieder einmal soweit: Das Editorial von Herausgeber Andreas Rockenbauer über den „No Blame -Ansatz, bei dem es darum geht auf „Schuldzuweisungen“ bei Fehlern zu verzichten, sondern gemeinsam das „Problem“ aufzuklären und eine nachhaltige Lösung herbeizuführen, motiviert mich zu schreiben. Nein, als Lean Coach nötigt mich dieses Thema förmlich meinen Senf dazu zu geben.
Die sogenannte „Fehlerkultur“ ist nämlich eine der wichtigsten Säulen des „Lean Management“ bzw. der Philosophie die dahintersteht.

Fehler als Quelle für Verbesserungsideen

In erfolgreichen Lean Unternehmen heißt es „No Problem is a Problem“ womit gemeint ist, dass Fehler eine gute Quelle für Verbesserungsideen darstellen. Fehler und Probleme dürfen nicht unter den Teppich gekehrt werden, sondern werden aufgezeigt und nachhaltig beseitigt und das funktioniert nur wenn dabei nicht Personen kritisiert werden. Mitarbeiter werden befähigt und motiviert, Fehler und Verschwendungen zu erkennen. Solche Unternehmen haben unterschiedliche Methoden um Verbesserungsideen und Probleme, aus denen Verbesserungen werden könnten, zu sammeln, zu priorisieren und zu bearbeiten.

Darüber, wie und mit welchen Methoden Probleme in Lean Unternehmen analysiert und nachhaltig beseitigt werden, sowie ein paar praktische Beispiele schreibe ich in einem der nächsten Sonntags-Newsletter.

Führungskultur ist nötig

Um Probleme und Fehlerquellen wirklich aufzuzeigen, ist natürlich auch die entsprechende Führungskultur nötig. Wenn Mitarbeiter wissen, dass sie bei aufgezeigten Fehlern nur ein „Dann pass‘ besser auf…“, oder „Sieh zu, dass das nicht mehr passiert…“ zu hören bekommen, dann werden sie es bald bleiben lassen. Wenn diese Fehler dann bei Kunden auftauchen, kosten sie ein Vielfaches, ganz zu schweigen von indirekten Kosten wie beschädigter Reputation, etc. In der Industrie spricht man von einem Kostenfaktor 10 mit jeder Prozessstufe, in der ein Fehler in Richtung Kunden unentdeckt bleibt.
Ganz schlimm ist es natürlich, wenn Gesundheit und Menschenleben am Spiel stehen.
Deshalb müssen wir uns selbst und unsere Mitarbeiter dazu motivieren Fehler als Chance zur Verbesserung zu sehen, aufzudecken und offen zu kommunizieren. Ein kleiner Tipp wie man damit beginnen kann kommt weiter unten.

Ich möchte noch einmal auf den Spruch „No Problem is a Problem“ zurückkommen. Es ist ja im Grunde einfach und bequem Probleme zu verschweigen. Wenn Chefs ihre Mitarbeiter nach Problemen fragen und diese mit „Alles in Ordnung Chef“ antworten, sind beide Seiten zufrieden und froh ihre Ruhe zu haben. Doch das ist ein großer Fehler, dadurch geht viel Verbesserungspotenzial verloren, Geld wird durch Reklamationen, Unzufriedenheit, Nachbearbeitung, Zeit und Material in den Sand gesetzt. Die wahren Verluste die dadurch entstehen werden nur selten ehrlich gerechnet, da das zu komplex und fast unmöglich ist. Der Erfolg wird aber deutlich, wenn man es anders macht.
Eine positive Fehlerkultur bedeutet Arbeit, rentiert sich aber in einer erhöhten Kunden- und Mitarbeiterzufriedenheit, weniger Kosten und einer langfristig stärkeren Wettbewerbsfähigkeit.

Fragen Sie nicht wer schuld ist!

Dann pass besser auf…“ ist nicht produktiv und Schuldzuweisungen sind noch schlimmer, denn diese zwingen Menschen oft förmlich dazu die Fehler unter den Teppich zu kehren. Eine offene Führungs- und Fehlerkultur ermöglicht echte Verbesserungen die allen zugutekommen.
Die Schuld wird in Lean Unternehmen nicht Personen zugewiesen, sondern dem Prozess, der es ermöglicht den Fehler zuzulassen oder nicht rechtzeitig zu entdecken. Es wird nicht gefragt „Wer ist schuld?“, sondern „Was können wir tun, damit das nicht mehr passiert?“ Das klingt vielleicht ein wenig esoterisch, bringt aber eine Menge. Es ist davon auszugehen, dass niemand absichtlich Fehler macht und falls es doch so ist, sollten diese Mitarbeiter bei aller Menschenfreundlichkeit schnellstmöglich dem freien Arbeitsmarkt zur Verfügung gestellt werden. Wenn also niemand absichtlich Fehler macht und schon gar nicht wiederholt, dann kann man ganz offen und ohne Schuldzuweisung darüber reden welche Prozessänderungen vorgenommen werden könnten um den Fehler zu verhindern oder zumindest rechtzeitig zu erkennen. Bestimmte Werkzeuge und Methoden helfen dabei das strukturiert anzugehen. In der Praxis endet das oft bei sehr einfachen Mitteln wie Vorrichtungen, die verhindern etwas falsch zu machen, verbindlichen Checklisten, Warnungen oder Überprüfungen.

Andreas Rockenbauer schreibt auch, dass es ein Menschenrecht werden sollte Fehler machen zu dürfen. Unternehmen die die Lean Kultur leben gehen noch darüber hinaus und sehen das „Fehler machen“ mitunter als Pflicht Ihrer Mitarbeiter.
Diese Unternehmen vertrauen auf die Kompetenz ihrer Mitarbeiter. Die bekommen z.B bei der Arbeit an Verbesserungen die nötigen Freiräume innerhalb bestimmter Grenzen (Zeit, Kosten, Risiko, geschützter Rahmen) um das Ziel zu erreichen und werden dann kreativ. Die besten Ideen entstehen, wenn man bekanntes Terrain verlässt, etwas ausprobiert bei dem noch nicht hundert Prozent klar ist ob es funktioniert, also raus aus der Komfort-Zone. Und genau das ist der Moment in dem Fehler nicht nur erlaubt, sondern sogar erwünscht sind, denn daraus lernt man und es entstehen letztlich die besten Lösungen.  In bereits bekannten Ursache-Wirkung-Abläufen werden weder neue innovative Ideen noch herausragende Produkte oder Services für Kunden entstehen. Erfolgreiche Konzerne rechnen mit hunderten gescheiterten Versuchen pro guter Idee.
Edison ist nach eigenen Worten nie gescheitert, sondern hat 10.000 Wege entdeckt wie die Glühlampe nicht funktioniert.

Doch dazu müssen die meisten von uns umdenken. Wir haben in Erinnerung wie wir in der Schule eine Arbeit zurück bekommen haben in der vor lauter Rot fast nichts mehr zu sehen war, der tolle Inhalt wurde ignoriert, weil zu viele Rechtschreib- und Beistrichfehler vorhanden waren. Das tiefe Einatmen der Eltern wenn sie so eine Arbeit gesehen haben oder vielleicht einmal an der Tafel ausgelacht zu werden, wenn man einen Fehler machte, förderte auch nicht unbedingt eine spätere offene Fehlerkultur. Doch jetzt, als sogenannte Erwachsene, liegt es an uns ohne schlechtem Gefühl auch etwas auszuprobieren das vielleicht daneben geht. So entstehen die großartigsten Verbesserungen. Dazu brauchen wir Mut und Geduld.

Egal in welchem Umfeld und welcher Branche, die Herausforderungen werden immer komplexer und ohne Fehler zu machen werden wir die nicht meistern können.

Michael Jordan, der vielleicht beste Basketballer aller Zeiten, sagte einmal: „Ich habe in meiner Karriere 9000 Mal daneben geworfen und 300 Spiele verloren. 26 Mal wurde mir der allesentscheidende Wurf anvertraut und ich habe ihn verfehlt. Ich bin immer wieder gescheitert und deshalb bin ich so erfolgreich.“

Wie die meisten Lean Experten hatte auch ich ein paar sehr schlaue Lehrer, darunter auch einen sogenannten Japanischen Sensei, einen Meister, der immer zu sagen pflegte: „Wolfgang San, wenn Du bei Deinen Verbesserungen weniger als 50% scheiterst, dann hast Du einfach zu wenig ausprobiert!“

Oder wie mein Fahrtechniktrainer am verschneiten Parcour sagte: „Hier hast Du den geschützten Rahmen die Grenzen kennenzulernen. Wenn Du in einer Runde nicht rausfliegst hast Du in dieser Runde vermutlich auch nichts dazugelernt!“

Und am Schluß noch der kleine Tipp wie man in seinem Umfeld eine offene Fehlerkultur stärken kann. Anfangs sind die Menschen noch etwas zögerlich oder kritisieren andere Personen, aber mit etwas Übung entsteht Vertrauen und Sie können den Prozessproblemen zu Leibe rücken: Stellen Sie Ihren Mitarbeitern jeden Freitag die Frage: „Was war diese Woche Dein größtes Problem?“, nehmen Sie nur sachliche Informationen auf und gruppieren Sie die Antworten. Nach einigen Wochen entstehen echte Schwerpunkte bei denen sie zur nachhaltigen Verbesserung ansetzen können.
Viel Spaß beim Verbessern!

Bilder
Mehr über Lean-Coach Wolfgang Grasl erfahren Sie unter www.lean-coach.at 
(Foto: M. Baumann)
Mehr über Lean-Coach Wolfgang Grasl erfahren Sie unter www.lean-coach.at (Foto: M. Baumann)
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