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Samstag, 20. April 2024
Die Kunst der multisensorischen Ansprache

Aus dem Vollen schöpfen

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 24.02.2019 | |  Archiv

Kunden erfolgreich anzusprechen wird immer schwieriger. Sich in einer Konsumwelt, die geprägt ist von Informationsflut und Me-too-Produkten, mit klassischer Werbung von der Konkurrenz abzuheben funktioniert nicht mehr so gut wie früher. Welche Vorteile in dieser Situation speziell stationäre Händler haben, wie sie diese ausspielen können und warum sie sich dabei ein Beispiel an der katholischen Kirche nehmen sollten, habe ich mir - angeregt durch einen Fachbeitrag - überlegt.

(Bild: stefane/ pixelio.de)

Unlängst bin ich über einen Beitrag mit dem Titel: „Noch nie war die Botschaft so wertlos wie heute“ gestolpert. Das hat mein Interesse schlagartig geweckt. Der Autor stellte fest: Die Menge an Werbebotschaften, mit denen wir täglich konfrontiert werden, steigt unaufhörlich. In gleichem Maß sinkt die Aufmerksamkeit. Die Aufmerksamkeit ist demnach also eines der größten Probleme, mit dem Marketing heute zu kämpfen hat. Forscher sprechen von Werbeblindheit. Soll heißen: Der Verbraucher sieht nicht mehr hin. Bzw.: er sieht zwar hin, nimmt aber nichts wahr.

Von 650 auf 30.000

In den 80iger Jahren, sahen die Verbraucher jeden Tag rund 650 bis 850 Werbebotschaften, wie die Fachliteratur zeigt. Rund um die Jahrtausendwende stieg die Zahl nach Meinung von Experten auf täglich 2.000 bis 3.000. Mit dem Einzug der Internet-Werbung erhöhte sich die Zahl der tagtäglichen Werbebotschaften ab dem Jahr 2006 auf 5.000. Inzwischen gehen Fachleute davon aus, dass heutzutage auf jeden von uns 10.000 bis 13.000 Werbebotschaften einprasseln, manch einer spricht sogar von 30.000 – und das jeden Tag. Die Flut an Werbung hat sich demnach in den letzten 18 Jahren mehr als vervierfacht.

Was die Werbeblindheit angeht, bzw. den Punkt, an dem sie eintritt, teilen sich die Meinungen. Die einen sagen, dass Werbeblindheit bei einer Dosis von 3.000 bis 5.000 Werbebotschaften pro Tag und Konsument eintritt. Andere sind der Meinung, dass der Mensch im Schnitt überhaupt nur 52 Werbebotschaften täglich richtig wahrnimmt. (Bei den oben erwähnten 30.000 Werbebotschaften am Tag als Ausgangsbasis, wäre das weit weniger als ein Viertel Prozent). Egal was davon stimmt, die Folge scheint in beiden Fällen die Gleiche: Die Werbung schafft sich quasi selbst ab.

Vor diesem Hintergrund stellt sich nun die Frage, wie es da noch gelingen soll, Kunden überhaupt anzusprechen, emotional zu erreichen und dann auch noch zum Kauf zu bewegen? Und auch in diesem Zusammenhang stieß ich auf einen Fachbeitrag. Der Autor Uwe-Jürgen Günter-von Pritzbuer (der als Visualisierungsexperte und Vertriebsprofi für emotionale Kommunikation beschrieben wird) erklärt darin, warum Kunden im digitalen Zeitalter verstärkt den Wunsch nach Haptik und nach Beziehung haben.

Die Kirche als Vorbild

Die Konsumwelt von heute ist geprägt von Informationsflut und Me-too-Produkten. Statt vergleichbarer Leistungen und Funktionen beeinflussen den Konsumenten zunehmend weiche Faktoren wie Farbe, Geruch oder Stimmung. Ein emotionales (Marken-)Erlebnis mit einer stimmigen Ansprache mehrerer Sinne wird zunehmend kaufentscheidender. Forscher haben herausgefunden: Dringt die gleiche Botschaft gleichzeitig über unterschiedliche Wahrnehmungskanäle in unser Gehirn, so hat unser Gehirn im Laufe der Evolution gelernt, dass diese Botschaft von großer Bedeutung ist. Folglich werden die einzelnen Sinneseindrücke nicht nur addiert, sondern durch bestimmte Mechanismen in unserem Gehirn, um ein Vielfaches verstärkt. Wir erleben ein solches Erlebnis bis zu zehn Mal stärker, als es die Summe der einzelnen Sinneseindrücke eigentlich ergäbe. Gefühle sind folglich dann besonders intensiv, wenn alle Sinne angesprochen werden. Dazu kommt: Informationen im Zustand emotionaler Erregung prägen sich besser ein. Experten sprechen in diesem Zusammenhang von multisensorischer Ansprache und nennen die katholische Kirche als gutes Beispiel für eine gelungene Ansprache aller Sinneskanäle. Die Kirche habe es nämlich in über 1000 Jahren geschafft, vom Glockengeläut über den Weihrauch bis hin zu den Farben der Messgewänder alle Sinne zu stimulieren, um damit eine hohe Markenerinnerung und emotionale Bindung zu erreichen. Aber welches Unternehmen hat schon mehr als 1000 Jahre Zeit?

Aus dem Vollen schöpfen

Es geht also um Emotion. In der heutigen, vom Onlineshopping geprägten Konsumwelt mehr als je zuvor. Ein Computer tut sich damit allerdings schwer, er kann höchstens Gefühle aus zweiter Hand vermitteln. Ein Computer kann weder lauthals lachen noch herzzerreißend weinen. Wie soll das gelingen – Emotionen über den Computer zu vermitteln? Wie lassen sich tiefe Gefühle per SMS senden? Wer geht für eine Maschine durchs Feuer? Wen ermuntert das unwiderstehliche Lächeln des Laptops am Morgen? Welcher PC lacht über einen guten Witz? „Wenn wir in digitalen Welten unterwegs sind, ist das vergleichbar mit einer Landkarte: Mit ihrer Hilfe finden wir einen Weg durchs Gelände, das Gebiet selbst erleben wir durch die Zeichnungen aber nicht“, sagt Uwe-Jürgen Günter-von Pritzbuer.

Beim Online-Shopping fallen drei von fünf Sinnen weg, es bleibt nur noch das Sehen und Hören. Der stationäre Händler kann im direkten Kundenkontakt hingegen aus dem Vollen schöpfen – quasi mit allen Sinnen verkaufen. Und das braucht ein Verkaufsgespräch auch, es braucht Emotionen und Erlebnisse. Zahlen, Daten und Fakten können zwar informieren, aber für das Faszinieren des Gegenübers ist der Mensch zuständig: mit seiner Persönlichkeit, seiner Ausstrahlung, seiner Kommunikation. Mit der Art und Weise, wie er mit seinen Kunden umgeht. „Wer Wirkung erzielen möchte, der benötigt Emotionalität“, sagt der Visualisierungsexperte und bringt ein paar Beispiele:

Jeder mag Geschichten

Kunden haben Story-Appetit. Eine gut erzählte Geschichte ist ideal, um Dinge zu veranschaulichen, um Sympathie aufzubauen und zu emotionalisieren. Also sollte man Informationen mit begeisternden Metaphern und fesselnden Storys vermitteln. Geschichten sind immer dann gut, wenn anstelle von trockenen Fakten Inhaltsobjekte transportiert werden, die sich am bestehenden Erfahrungswissen der potenziellen Kunden orientieren. Auf diese Weise weckt eine Geschichte die notwendigen Assoziationen und wird lebendig. Wird die Story zudem geschickt mit emotionalen Werten angereichert ist der Weg frei, dass die Empfänger inhaltlich folgen und auch emotional in die Geschichte eintauchen.

Nutzen hat viele Dimensionen

Dass Emotionen gewisse Kaufreize im Gehirn auslösen, ist bekannt. „Verkaufen lässt sich nur durch Emotionen. Der Verstand ist dazu degradiert, die emotionale Entscheidung mit vermeintlicher Vernunft zu rechtfertigen. Wer keinen emotionalen Nutzen verschafft, wird als nutzlos gestrichen“, sagt Günter-von Pritzbuer, laut dem der Nutzen mehrere Dimensionen aufweist. Mit einem Grundnutzen allein kann sich heute kein Produkt und keine Dienstleistung mehr behaupten. Produkte und Beratungs- bzw. Verkaufsgespräche sollten daher positive Gefühle auslösen, Spaß machen und zur Identifikation einladen. Nutzen muss gezeigt und kommuniziert werden – rational und emotional und einmal quer durch alle Sinne. Nutzen zu artikulieren ist genauso wichtig wie ihn zu schaffen. Nur dann kann es gelingen, dass Produkte und Dienstleistungen nicht wegen dem Preis, sondern wegen ihres hohen Mehrwertes nachgefragt werden.

Die Chance von Morgen

Ein schönes Beispiel für Emotionen im Einkauf ist der Küchenkauf. Denn die Kunden wollen nicht einfach nur eine Küche kaufen, sie wollen viel mehr den Ort kaufen, an dem mit Liebe gebacken wird. Den Platz, an dem die Kinder laufen lernen und später die Hausaufgaben machen. Sie kaufen den Raum, wo die Partys abgehen und enden. Die Stelle, an der Rezepte verfeinert und neue kreiert werden. „Sie kaufen den Ausdruck Ihrer Persönlichkeit.“

Kaufen ist im Optimalfall ein sinnliches Erlebnis – im wahrsten Sinne des Wortes. Ein sehr wichtiger Sinn ist dabei der Tastsinn, der übrigens die rechte Ge­hirnhälfte anspricht, also jene Seite, die für Ge­fühle verantwortlich ist, wie Günter-von Pritzbuer anmerkt: „In der Haptik liegen die großen Chancen von Morgen. Sie ist eindeutig auf dem Vormarsch beim Einkaufen – erst recht im digitalen Zeitalter: Der Wunsch, ein Produkt anzufassen, mit den Händen zu betrachten und auszuprobieren, führt bei 60% der Verbraucher zu einem Besuch in den Geschäften und Fachmärkten. Sinne verkaufen mehr!“

Oft suchen Konsumenten im Kauf das Erlebnis und nicht unbedingt nur die Produkte. Ein gutes Beispiel dafür ist der Mode-Bereich. Mode hat längst nicht mehr die primäre Aufgabe zu wärmen, sondern zu schmücken. Onlineshopping ist schnell und praktisch – doch was in der Regel fehlt, ist der Spaßfaktor. Durch liebevolle Details, kleine Überraschungen oder auch durch besonderen Service punktet das persönliche Verkaufsgespräch. Vor allem im Premiumbereich entscheiden Kunden nach zwischenmenschlichen Kriterien: Verkäufer, die einen Draht zum Kunden finden, ihm sympathisch sind, seine Sprache sprechen, die Wünsche und Bedürfnisse des Kunden erlebnisreich in den Vordergrund stellen, haben meistens „gewonnen“.

Digital anlog nutzen

Bei all diesen Dingen können digitale Tools enorm unterstützen. „Die Einbindung digitaler Tools kann das ‚analoge‘ Verhältnis zwischen Kunde und Verkäufer sogar unterstützen.“ Dabei spielt Personalisierung eine sehr große Rolle. Soll heißen: Wenn der Kunde auch nach Ladenschluss in virtuellen Schaufenstern Ware bestellen kann, wenn der digitale Einkaufsberater im Supermarkt Rezepttipps für die gekaufte Ware gibt oder das Modehaus individuelle Angebote für passende Outfits macht, zeigt das dem Kunden eine besondere Wertschätzung und kann damit die Kundenbindung spürbar bis radikal erhöhen.

Heutzutage stehen uns aufgrund des digitalen Wandels zahlreiche, vielfältige Kommunikationsmöglichkeiten zur Verfügung und das sollte auch die Arbeit des Verkäufers in vielerlei Hinsicht erleichtern, meint Günter-von Pritzbuer. „Fachwissen kann man googeln – eine gute Kinderstube jedoch nicht. Durch die Digitalisierung wird vieles unpersönlicher. Umso mehr zählen gute Manieren und ein kundenorientiertes Verhalten. Charaktere mit den höchsten Sympathiewerten verkaufen erfolgreicher. Denn am Ende zählt die Fähigkeit, auf Menschen zuzugehen, sie zu verstehen und Sympathien zu gewinnen.“

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