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Freitag, 19. April 2024
„Mehrwertsteuerbetrug, Produktfälschungen und Sicherheitsrisiken“ aufgedeckt

Handelsverband: Nach Amazon nun Alibaba im Visier

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 26.03.2019 | |  Archiv

Nach Amazon nimmt der österreichische Handelsverband Im Zuge seiner „Fair-Commerce-Initiative“ nun auch Alibaba ins Visier. Die AliExpress-Plattform würde den EU-Verbraucherschutz- sowie Wettbewerbsbestimmungen missachten, so der Verband, der laut eigenen Angaben Mehrwertsteuerbetrug, Produktfälschungen und Sicherheitsrisiken aufgedeckt hat.

Das Potenzial asiatischer eCommerce-Plattformen wie Tmall.com, JD.com & Co für den heimischen Handel sei unbestritten, meint der Handelsverband in einer Aussendung. Denn mit Qualitätsprodukten „Made in Austria“ und höchsten europäischen Standards könnten asiatische Konsumenten erreicht werden.

Auch im Payment-Bereich würden sich interessante Geschäftsmodelle für österreichische Händler bieten, „um etwa chinesische Touristen, die beim stationären Kauf in Österreich auf WeChat Pay oder AliPay nicht verzichten möchten, gezielt anzusprechen“, so der Handelsverband, laut dem aber auch heimische Konsumenten zunehmend Produktangebote aus dem asiatischen Raum für sich entdecken und beispielsweise über den Alibaba-Marktplatz AliExpress bestellen. Schon 6 von 10 Österreichern würden bei chinesischen Plattformen einkaufen, wie jüngst eine Studie von Mindtake im Auftrag des Handelsverbandes ergeben hat.

„Hohes Verbraucherschutzniveau und ihr konsequentes Wettbewerbsrecht“

Die Europäische Union sei bekannt für ihr „hohes Verbraucherschutzniveau und ihr konsequentes Wettbewerbsrecht“, sagt der Handelsverband. „Insbesondere unterliegt auch der eCommerce-Sektor einem stringenten Regelwerk. Webshops in der EU müssen einer Vielzahl von Informationspflichten nachkommen, Verbrauchern ein 14-tägiges Rücktrittsrecht gewähren und irreführende Werbung unterlassen.“

Der Handelsverband weist darauf hin: „Die Verbraucherschutz- und wettbewerbsrechtlichen Bestimmungen gelten aber nicht nur für in Europa ansässige Online-Shops, auch Drittstaatenhändler müssen sich an diese Regeln halten, wenn sie ihre Tätigkeit auf ein europäisches Land ausrichten.“ Wie dies in der Praxis tatsächlich abläuft, hat sich der Handelsverband näher angesehen und die rasch wachsende Plattform AliExpress unter die Lupe genommen.

„Wettbewerbsverzerrendes Verhalten durch vermeintlich besondere Garantieleistungen“

In der Europäischen Union ist es verboten, Verbrauchern gesetzlich zugestandene Rechte als eine Besonderheit des Angebots des Unternehmens anzupreisen“, so der Handelsverband, und: „AliExpress macht jedoch genau das. Die chinesische Plattform bewirbt offensiv ihr ‚Buyer Protection‘-Programm. Dabei wird ua. garantiert, dass der Käufer sein Geld zurückerhält, wenn das Produkt nicht innerhalb einer bestimmten Zeit geliefert wird. In der EU allerdings haben Verbraucher ohnehin das Recht, einen Vertrag zu kündigen, wenn die Lieferzeiten nicht eingehalten werden. Der Verkäufer muss in diesem Fall das erhaltene Geld zurückzuerstatten.“

Eine weitere Garantiezusage von AliExpress würde laut Handelsverband die Möglichkeit betreffen, binnen 15 Tagen den gekauften Artikel zurückzugeben, sofern das Produkt nicht der Beschreibung entspricht. „Europäische Verbraucher werden dabei über ihre gesetzlichen Ansprüche im eCommerce getäuscht, da bei einem Online-Kauf die Rückgabe der Artikel ohne Angabe von Gründen binnen 14 Tagen ohnehin möglich sein muss – und das nicht nur, wenn das Produkt nicht der Beschreibung entspricht.“

„Produktfälschungen auf dem Vormarsch“

Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes, erklärt: „Der Handelsverband hat dutzende Testbestellungen auf AliExpress durchgeführt. Wir haben Sneakers, T-Shirts und Pullover von namhaften Marken bestellt und auf ihre Echtheit geprüft. Das Ergebnis war eindeutig: fast alle Produkte waren gefälscht, wie uns von Herstellerseite bestätigt wurde.“

Die Problematik von Produktfälschungen sei wie der Handelsverband feststellt mittlerweile auch im Bewusstsein der Online-Shopper angekommen, da der heimische Konsument das volle Risiko trage, den vorab entrichteten Kaufpreis nicht mehr zurückzuerhalten. „Sollte seitens der Zollbehörde eine Produktfälschung vermutet werden, ist der Konsument mehr oder weniger verpflichtet, der Vernichtung der Ware zuzustimmen, da ansonsten ein Gerichtsverfahren droht. Eine Rücküberweisung des bereits bezahlten Kaufpreises für die gefälschte Waren durch den Drittstaaten-Onlinehändler erfolgt oftmals nicht“, so der Verband.

AliExpress möchte den Bedenken der Konsumenten mit einer zusätzlichen Garantieoption entgegnen, wie der Handelsverband sagt: „Verkäufer auf der Plattform können freiwillig als ‚Extra-Service‘ für bestimmte Produkte eine Echtheitsgarantie anbieten. Sollte sich herausstellen, dass das Produkt tatsächlich eine Fälschung ist, erhält der Käufer sein Geld zurück. Allein das Anbieten dieser Echtheitsgarantie kommt einem Eingeständnis nahe, dass auch gefälschte Waren verkauft werden. Werbung mit der Echtheit der angebotenen Ware ist darüber hinaus irreführend, da es eine Selbstverständlichkeit sein sollte, nur Originalwaren zu liefern“, so Will.

Massive Sicherheitsrisiken für heimische Konsumenten

Nicht nur Produktfälschungen würden bei AliExpress ein Problem darstellen, sondern auch die mangelhafte Einhaltung von Sicherheitsvorschriften für Produkte. „In die Europäische Union dürfen nur Produkte eingeführt werden, die den geltenden Sicherheits- und Umweltschutzbestimmungen der EU entsprechen“, so der Verband, und: „Hierzu wurde die CE-Kennzeichnung eingeführt, um Verbraucher vor unsicheren Produkten zu schützen. So muss etwa Kinderspielzeug oder elektrische Betriebsmittel bestimmten Anforderungen entsprechen, damit diese für die Nutzer keine Gefahr darstellen. Viele Händler aus dem asiatischen Raum halten sich jedoch nicht daran. Sie liefern Produkte ohne die Einhaltung der Vorschriften sowie der erforderlichen Produktkennzeichnung nach Europa und gefährden damit die Sicherheit der Konsumenten“, kritisiert der Handelsverband.

„Systematischer Mehrwertsteuerbetrug durch Falschdeklaration“

Handlungsbedarf bestehe darüber hinaus bei der illegalen Steuerumgehung durch asiatische Handelsplattformen, die ihre Pakete im Cross-Border-Handel fast gänzlich zoll- und mehrwertsteuerfrei in die EU schleusen würden. Das Schadensausmaß durch entgangene Umsatzsteuerzahlungen liege laut Handelsverband allein in Österreich bei mehreren Hundert Millionen Euro. Der Verband erklärt: „Möglich wird dies durch die Ausnutzung der sogenannten ‚De-Minimis-Regel‘. Produkte unter einem Wert von 22 Euro werden bei der Einfuhr in die Europäische Union von der Mehrwertsteuer nicht erfasst – und bei mehreren 100 Millionen Paketen im Jahr tut sich der Fiskus schwer, die Wertangaben jeder einzelnen Sendung zu überprüfen. So waren auch ausnahmslos alle Test-Bestellungen bei AliExpress falsch deklariert, um die österreichische Einfuhrumsatzsteuer-Freigrenze zu umgehen.“

Handelsverband fordert Konsequenzen

Der Handelsverband weist seit Jahren auf diese mutmaßlich wettbewerbsverzerrenden Geschäftspraktiken hin, die damit beginnen würden, dass:

  • 97% aller Pakete aus China unter der 22-Euro-Grenze in die EU und nach Österreich gelangen;
  • diese Pakete oftmals falsch deklariert sind, um Mehrwertsteuer- und Zollabgaben bewusst zu umgehen;
  • es sich bei vielen Produkten aus Asien, die entweder direkt an den Konsumenten oder auf Marktplätzen wie Amazon, AliExpress oder wish.com distribuiert werden, um Produktfälschungen handelt;
  • geltende Konsumentenschutzrechte teilweise nicht gewährt oder Bestimmungen systematisch umgangen werden;
  • oftmals von asiatischen Händlern keine Beteiligung an den länderspezifischen Müllentsorgungssystemen erfolgt, obwohl dies gesetzlich vorgesehen wäre.

„Die von uns aufgedeckten Marktverzerrungen und Verbraucherschutzverstöße verschaffen asiatischen Onlinehändlern einen massiven Wettbewerbsvorteil gegenüber dem heimischen Handel. Wie viel Zeit muss noch vergehen, bis hier endlich eine strengere Vollziehung erfolgt und man mit sinnvollen und bereits bewährten Regulativen dagegenhält? Andere europäische Staaten haben ihre Systeme bereits umgestellt und zeigen vor, wie prozessual und technisch vorzugehen ist“, so Rainer Will.

Der Handelsverband hat daher konkrete Maßnahmen erarbeitet, um den Problemen Herr zu werden. Im Sinne der heimischen Volkswirtschaft sei es entscheidend, jetzt zu handeln und nicht noch länger abzuwarten. Ansonsten könnten hierzulande Strukturen zerstört werden, die wir nicht mehr wiederaufbauen können.

„Die von der Bundesregierung im Rahmen der Klausur in Mauerbach fixierte zweckdienliche Umsetzung der digitalen Verzollung und Versteuerung ab dem ersten Cent ab 1.1.2020 und damit die Streichung der 22-Euro-MwSt-Freigrenze ist daher ein absolutes Muss und die Vorbereitungen müssen jetzt getroffen werden. In Schweden gelang die Umstellung binnen drei Monaten – und zeigt Wirkung. Argumente von Anwälten, die Bürokratie hierfür sei zu aufwendig, sind inakzeptabel. Pro Jahr gehen alleine dadurch mehr als 200 Millionen Euro verloren, wobei die Schäden durch Produktpiraterie hier noch gar nicht miteinbezogen sind. Eine strukturelle Ent-Diskriminierung des stationären Handels in Österreich ist dringend erforderlich. Dies muss der erste Schritt sein, ins Tun zu kommen“, appelliert Will für mehr Fair Play auch Online.

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