Die helfende Hand
elektroat Die Berichterstattung in Print und Online der letzten Wochen lässt ein beklemmendes Gefühl aufkommen – bei mir zumindest. Man spürt wie der Druck zunimmt, wie die Luft dünn wird ... (Bild: Jorma Bork/ pixelio.de)
Während in den letzten Jahren immer nur darüber spekuliert wurde, was die Digitalisierung im Handel alles mit sich bringen könnte, ist sie samt ihren Konsequenzen angekommen und hat sich allmächtig und omnipräsent breit gemacht. Das Internet als Werkzeug, Kanal und eigene Welt ist gelebte Realität und hat nun endgültig ein neues Handelszeitalter anbrechen lassen. Die Zeichen sind deutlich: Flächenreduktion, Innenstadt- und Händlersterben, Preisverfall und Druck aus allen Richtungen. In vielen großen Firmen werden Führungskräfte für die Misere verantwortlich gemacht und entfernt – in der Hoffnung, dass sich etwas ändert. In den meisten Fällen wird es die Situation meiner Meinung nach aber viel eher verschlimmern, da mit diesen langjährigen Mitarbeitern auch Kompetenz und wertvolles Wissen verschwindet.
Dass wir gerade einen massiven Umbruch erleben, sieht man auch gut am Beispiel Media-Saturn. Der große, einst nahezu übermächtig und unzerstörbar wirkende Konzern ist gewaltig im Wanken. Die beiden Marken waren lange Zeit die erste Anlaufstelle für Konsumenten wenn es um Consumer Electronics ging, durch den Onlineboom hat sich das allerdings gewaltig geändert. Nun erlebt der Elektronikriese harte Zeiten – noch härtere scheinen bevorzustehen. Es wird gemunkelt, dass das Ende der Marke Saturn bereits besiegelt ist.
Exkurs
Medienberichten zufolge stehen Media Markt und Saturn vor einer historischen Wende. Und der neue Chef Ferran Reverter scheint diese einzuläuten – mit einer Entlassungswelle. So sollen über 700 der rund 3.000 Mitarbeiter, die in der Zentrale in Ingolstadt beschäftigt sind, entlassen werden. Das entspricht einem Drittel! Doch das ist laut Medienberichten nicht die einzige Maßnahme. Reverter wolle auch das Sortiment deutlich reduzieren. Stattdessen sollen die Kunden über kostenpflichtige Kurse zB über Digitalfotografie, Smartphones oder Computer in die Märkte gelockt werden. Zudem sollen die Ausstellungsflächen an die Industrie „vermietet“ werden. Heißt, Apple, Samsung & Co sollen mit eigenen Shop-in-Shop-Systemen einziehen – inklusive Personal in Form von Promotoren. Media-Saturn wälzt damit die Aufwände für Lagerung, Bestellung und Personal direkt auf die Lieferanten ab.
Media-Saturn muss sparen. Im vergangenen Jahr ist einiges falsch gelaufen. Ua wurde stellenweise viel mehr Ware bestellt, als eigentlich nötig. Top-Produkte und Marken mussten dann zu Schleuderpreisen verkauft werden, um die Lager wieder leer zu bekommen. Zudem schien das Feiern von Black Friday & Co doch nicht so erfolgreich. Man hat sich dadurch das eigene Weihnachtsgeschäft verhagelt bzw. die Erträge.
Nun wird gemunkelt, dass die Marke Saturn dem Sparkurs zum Opfer fallen könnte. Auch hier sind die Zeichen eindeutig. Der Rückzug begann 2011 in Frankreich, 2012 folgte Ungarn. In den Folgejahren wurde die unrentable Marke aus Belgien, der Schweiz, Spanien, der Türkei, den Niederlanden, Italien und Polen entfernt bzw. in MediaMarkt umgefärbt. Aktuell gibt es Saturn nur mehr in Österreich, Deutschland und Luxemburg. MediaMarkt und Saturn sind sich zu nahe gekommen. Beide Marken verkaufen nahezu die gleichen Produkte und Dienstleistungen. Sie ähneln sich beim Angebot und bei der Anordnung der Produkte. Selbst in der Werbung gibt es Überschneidungen. Würde Saturn vom Markt genommen, könnte massiv bei Werbung und Einkauf gespart und in MediaMarkt investiert werden (… und MediaMarkt könnte etwas mehr Zuwendung gut gebrauchen, denn auch bei dieser Marke läuft es in vielen Ländern gar nicht rund. Nach China und Russland zieht man sich nun offenbar auch aus Griechenland zurück.)
Zurück zum Thema
Während alle gebannt auf die große Bühne starren und den mächtigen Marken dabei zuschauen, wie sie ums Überleben kämpfen, gibt es im Hintergrund einige Unternehmen, die emsig daran arbeiten, sich und ihre Partner für den Wahnsinn da draußen im Handel zu rüsten. Es wird mit viel Kraftaufwand an vielen kleinen Stellschrauben gedreht, um den Konsumenten auf der Fläche zu begeistern und um emotionale Loyalität zu schaffen, sodass er immer wieder kommt. Es werden Werkzeuge geschmiedet und den Händlern in die Hände gelegt, sodass ihnen am Ende des Tages mehr Geld in den Taschen bleibt.
Für diese Ausgabe der E&W durfte ich ua. mit den beiden Red Zac Vorständen Peter Osel und Alexander Klaus reden und auch mit Cremesso GL Martin Maurer. Alle drei wollen dem Kundenschwund im stationären Handel begegnen und haben sich dafür eine Menge überlegt. Sie wissen, dass jammern und anderen die Schuld zuweisen der falsche Weg ist. Sie folgen viel mehr einer alten Weisheit (auch Motto eines lieben, treuen Lesers): Die helfende Hand hängt am eigenen Arm. Wer es nicht glaubt, der soll‘s mal versuchen.
Folgende Leserkommentare wurden im alten System gepostet
(und von der Redaktion ins neue System übertragen)
leser | 7. 4. 2019, 10:03 Uhr
Danke und Vorschlag
Auf diesen Artikel bin ich schon gespannt. Vorschlag: diese ‚Stellschrauben‘ und Schlüssel zum Erfolg bitte auch hier im Forum aktiv der Diskussion stellen. Persönlich würde mich sehr interessieren was dazu für Kommentare kommen. Was für Erfahrungen damit gibt es, wer wird das umsetzen, wer rät davon ab dafür andere Idee etc. Ich hoffe die Leute sind dafür offen!
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RedZac hat 5 Eckpfeiler definiert: Einkaufs- Lager und Vertriebsoptimierung, sowie Optimierung von Bekanntheit und Betriebserfolg.
Quizfrage: entstammt das einer E&W von 2009 oder einer von 2019?
Hochwasserverbauungen und die tatkräftige Umsetzung dieser 5 Eckpfeiler haben eins gemeinsam: das Wasser muß bis zum Hals stehen, erst dann kommt Bewegung hinein.