Wer schweigt, zahlt weniger
Dominik Schebach Zahlen Besserwisser mehr für Reparaturen? Ähmm - ja. Wie eine Untersuchung von drei Wirtschaftsforschern der Universität Innsbruck zeigt, können inkorrekte Informationen ein Service empfindlich verteuern. Das ist allerdings nicht die eigentliche Kernbotschaft des Papers, denn den Forschern ging es eigentlich um das Ungleichgewicht zwischen Experten mit ihrem Wissen sowie Endkonsumenten und welche Auswirkung der Einsatz von intelligenten Bewertungssystemen in Internet auf dieses Verhältnis hat.
In einem idealen Markt haben alle Beteiligten denselben Wissensstand und treffen rationale Entscheidungen. Sobald allerdings Expertenwissen im Spiel ist, kippt dieses Gleichgewicht. Geht es um die Interaktion mit Rechtsanwälten, Ärzten, Taxifahrern in einer fremden Stadt oder eben Servicetechnikern kann der Endkunde im Voraus in der Regel nicht mehr abschätzen, ob er für sein Geld die beste Leistung erhält. In solchen Fällen müssen sich die Kunden in der Regel darauf verlassen, dass der Preis gerechtfertigt, das Ersatzteil notwendig, die Behandlung zielführend, die Route sicher und geradewegs sowie die Auskunft korrekt ist. Selbst nach dem Abschluss der Transaktion können die Kunden oft nicht beurteilen, ob der Deal fair war.
Wie die Endkunden mit diesem Informationsungleichgewicht umgehen, Betrugsmöglichkeiten einschränken bzw wie sie sich aus der Abhängigkeit gegenüber den Experten lösen können, hat die Innsbrucker Forschergruppe rund um Rudolf Kerschbamer untersucht. Das Ergebnis hält nicht nur eine ernüchternde Botschaft für Besserwisser bereit, sondern verspricht auch Erkenntnisse für alle Branchen, in denen Experten regelmäßig Kundenkontakt haben.
Mehrstufiges Experiment
Für seine Untersuchung hat Kerschbamer gemeinsam mit seinen Kollegen Daniel Neururer und Matthias Sutter ein mehrstufiges Experiment entworfen, um die zwei typischen Strategien der Endkunden im Umgang mit dem Ungleichgewicht durch Expertenwissen zu untersuchen: Selbstdiagnose durch Informationen aus dem Internet oder das Nutzen von Bewertungen.
Die erste Strategie bringt nichts, wie ein Experiment mit präparierten Notebooks zeigt. Wer sich im Internet schlau macht, eine Selbstdiagnose stellt und diese auch kommuniziert, verbessert seine Situation nicht. Ganz im Gegenteil, sie kann sich sogar zum Rohrkrepierer entwickeln, wie die erste Phase der Untersuchung nahe legt. Egal, ob die Kunden ein Notebook wortlos übergaben oder dabei eine richtige Diagnose zum Schaden (in diesem Fall ein gelockertes RAM-Modul) kommunizierten, der Preis belief sich im Durchschnitt auf 40 Euro. Bei einer falschen Diagnose wurden dagegen im Schnitt 90 Euro für die Reparatur fällig. Ob das nun daran lag, dass die Servicebetriebe zuerst der falschen Fährte folgten und deswegen mehr Zeit benötigten, oder einfach sich der Kunde mit seiner falschen Prognose als leichtes Opfer geoutet hatte, wurde allerdings von Kerschbamer und seinen Kollegen nicht erhoben.
Die zweite Strategie, Bewertungen im Netz zu vertrauen, hat sich dagegen als zielführender erwiesen – allerdings auch nur mit Einschränkungen. In dieser Phase der Studie ging es darum anhand von positiven Bewertungen bei Google und Yelp kostengünstige Service-Shops in Berlin zu identifizieren. Hier zeigte sich, dass die ansonsten unkommentierten positiven Bewertungen bei Google kaum mit dem Preis der Reparaturen korrelieren. Ein anderes Bild ergab sich bei der Plattform Yelp, die nochmals in „empfohlene“ und „nicht empfohlene“ Bewertungen unterscheidet. Hier zeigte sich, das günstige Computerreparaturen am ehesten mit „empfohlenen“ positiven Bewertungen korrelierten. Sprich, Bewertungsportale mit einer cleveren Software, einem Filter, der gekaufte Jubelmeldungen kennzeichnet, können die Endkunden bei der Suche nach einem günstigen Service-Angebot unterstützen. Zwar werden in diesem Szenario die Bewertungen noch immer von Endkunden abgegeben, eine künstliche Intelligenz macht diese allerdings treffsicherer.
Die Frage nach dem Filter
Die Untersuchung von Kerschbamer war nur ein erstes Experiment, zeigt aber das Potenzial von Bewertungen durch das Internet und Social Media auf. Diese können Fluch und Segen sein, je nachdem welche Suchmaschinen oder Plattformen man verwendet.
Ungefilterte Information hilft den Endkunden kaum. Womit die Frage nach dem Expertenwissen ironischerweise auf eine Metaebene gehoben wird. Es braucht offensichtlich auch Expertenwissen, um stichhaltige Informationen über Expertenwissen im Netz zu erkennen. Dass man dieses mit künstlicher Intelligenz abbilden und zur Verfügung stellen kann, sollte jetzt allerdings niemanden beruhigen.
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