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Donnerstag, 25. April 2024
Media/Saturn und das schwarze Loch...

Das Nokia-Phänomen

Andreas Rockenbauer | 10.11.2019 | Bilder | | 2  Meinung

Andreas Rockenbauer
In der rührenden Freundschaftserklärung des mittlerweile leider verstorbenen Medianers Wolfgang Oswald vor vielen Jahren an mich, hatte das Wort „Arschloch” eine zentrale Bedeutung und Ex-Geschäftsführer Thomas Pöcheim ist ein wirklich feiner Kerl. Dennoch knisterte es zwischen Media/Saturn und E&W gut zwei Jahrzehnte lang unfreundlich. Aber da waren wir noch vergleichsweise gut dran. Das Fazit: Viele in der Branche würden eine Flasche guten Tropfens öffnen, wenn der wankende Handelsriese irgendwann einen ordentlichen Bauchfleck hinlegte. Was für eine fatale Fehleinschätzung...

Wie sich die Geschichte doch wiederholt… Wenn man, so wie ich, einen Großteil seines Arbeitslebens in ein und derselben Branche verbracht hat, dann hat man am Ende des Tages rund um einen immer kleiner werdenden Kern komfortabler Stabilität, viele Player kommen und gehen gesehen. „Unsterbliche” sind abgetreten, ohne nennenswerte Rückstände zu hinterlassen, und selbstbewusste Neue wie Sternschnuppen aufgetaucht, um schließlich doch wieder zu verglühen.

Mal rascher, mal weniger rasch.Marken wie Unternehmen sind entweder völlig von der Bildfläche verschwunden, oder haben sich bis zur Unkenntlichkeit verändert: Nokia, Philips, Loewe, Thomson, Grundig, JVC, Pioneer, Bose, Eudora, Elin, Saeco, Sharp, nur um ein paar wenige Lieferanten zu nennen. Auf Handelsseite stehen etwa Cosmos, Niedermeyer, Promarkt, Makromarkt oder (!)haas auf der Passivseite. Und Media/Saturn? Wie es da wohl weiter geht?

Meine Sozialisierung innerhalb der Elektrobranche fiel ziemlich genau mit der unheimlichen Marktmacht Nokias zusammen und all den Problemen, die entstehen, wenn ein Unternehmen einen boomenden Markt auf fast schon obszön erfolgreiche Weise beherrscht: schlechte Margen, schlechtes Service, schlechte Warenverfügbarkeit, mangelnde Gesprächsbereitschaft, Demütigung von Geschäftspartnern. Das war Nokia Ende der Neunziger…

Diese unsympathischen Verhaltensweisen gehen oft mit einer ebensolche Charaktereigenschaft einher: Arroganz. Unglaubliche Arroganz. Und obwohl diese nicht zwingend alle Mitarbeiter erfasst (bei Nokia arbeiteten auch richtig nette Menschen), lösen viele Unternehmen damit ein One-Way-Ticket in den Untergang. Ohne das im Machtrausch zu bemerken.

Bei Nokia stand am Ende des Tages ein fast schon lachhaft dummes Scheitern und die hässliche Reaktion jener, die sich all die Jahre ducken mussten vor dem Giganten: Sie traten auf den traurigen Rest des sterbenden Unternehmens hin. Mit unverholenem Vergnügen. Man mag das Niemandem verdenken.

Zurück zu Media/Saturn – ebenfalls ein Gigant, der mein Branchenverständnis geprägt hat. Dort war man – sagen wir´s wie es ist – lange Zeit ähnlich unterwegs wie bei Nokia: unglaublich erfolgreich und unglaublich unangenehm dabei.

Nicht für die Kunden, die hatten´s durchwegs gut: größte Auswahl, kleinster Preis. Aber für Lieferanten und Fachhandel (der neben dem „Rising Star” unheimlich altbacken und träge wirkte) war es vorbei mit dem Komfort. Und wir als Medium sollten die Allüren auch zu spüren bekommen. Ein Interview mit der Geschäftsführung? Fehlanzeige. Tageszeitungen wurden zu Präsentationen eingeladen, wir nicht.

Aber während man gegen uns nur passiven Widerstand zeigte, wurden Industrievertreter nicht selten wie Schulbuben behandelt, wie Hausierer, die um ein Almosen bettelten. Nicht wie gleichberechtigte Geschäftspartner, denen man auf Augenhöhe begegnet. Und für die kleinen Fachhändler, die „Bloßfüßigen”, fand sich nur Häme.

Dabei widersetzte sich eine erstaunliche Zahl von Mitarbeitern der Unternehmens-DNA und waren – zumindest für mich – abseits vom Tagesgeschäft beim informellen Geplauder auf Veranstaltungen, Messen usw. durchaus humorvolle, gescheite und angenehme Gesprächspartner. Nur offiziell durfte man mit mir nichts zu tun haben, ich war von der bösen Fachpresse. Ein Narrativ, dass sich hartnäckig hielt, obwohl irgendwann jedem klar sein musste, dass das nur noch lächerlich war. 

Selbst das Urgestein Gerhard Sandler – 18 Jahre lang Kapitän des Media-Saturn-Dampfers – war, bei aller Hybris, ein privat durchaus umgänglicher Mensch. Ganz zu schweigen von Thomas Pöcheim, dessen plötzlichen Abgang ich außerordentlich bedaure, weil er ein wirklich feiner Kerl ist – und sich im Rahmen der Konzernvorgaben mir gegenüber immer korrekt verhalten hat. Das gilt auch für die vielen Geschäftsführer und Mitarbeiter der Zentrale, von denen ich in den vergangenen 25 Jahren eine ganze Menge kennen und schätzen gelernt habe.

Besonders mit dem leider viel zu früh verstorbenen Wolfgang Oswald verbindet mich eine ganz besondere Geschichte, die mehr oder weniger mit den Worten: „Du bist ja gar nicht so ein Arschloch”, begonnen hatte. Für die ganze Geschichte ist hier kein Platz, aber unser „Freundschaftsbierchen” nach einer Kart-Veranstaltung in Graz gipfelte in einer E&W-Titelgeschichte anlässlich der Neueröffnung seines Marktes im Einkaufszentrum Seiersberg.

Allerdings musste sogar das Rauhbein Oswald damals seiner Zentrale einen abenteuerlichen Schmäh erzählen (von wegen, ich sei plötzlich im Markt gestanden und er hatte sich einschalten müssen, damit da nichts Unangenehmes dabei heraus kam), damit sie ihn, einen der erfolgreichsten Medianer in Österreich, wegen „Kollaboration mit dem Feind” nicht ans Kreuz nagelten.

Sollte eines Tages Media und Saturn von der Branchenlandkarte verschwinden, dann wird nichts mehr so sein, wie es einmal war. Dann hat die alte Branche endgültig ausgedient und wie die Zukunft dann aussieht, mag ich mir nicht ausmalen. Abgesehen davon, dass es immer auch um Menschen geht.

Verschließen wir nicht die Augen vor dem Offensichtlichen: Der Fachhandel als alleiniger Distributionskanal? Das geht sich für große Anbieter einfach nicht aus. Die brauchen Diversität in der Distribution und große Abnehmer – also Fachhandel, Großfläche und Online-Handel. Ohne Media/Saturn würde sich die Waagschale fast zwangsläufig gefährlich Richtung Online-Geschäft neigen. Zusätzlich könnten sich immer mehr Hersteller gezwungen fühlen, selbst „die letzte Meile” zum Kunden zu gehen und ins Direktgeschäft einzusteigen.

Hoffen wir also, bei aller (durchaus verständlichen) Schadenfreude über das Wanken eines Giganten, dass Mediamarkt und Saturn noch lange Zeit Fixsterne im Branchenuniversum bleiben. Sonst bleibt vielleicht bloß ein Schwarzes Loch. Und das schluckt bekanntlich sogar das Licht. Für alle.

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Kommentare (2)

  1. Zuerst haben die die Preise ruiniert (zumindest damit begonnen) , jetzt dann anscheinend sich selbst, vermutlich auch wegen dem Preis.
    Tut mir leid, da kann ich nicht mitfühlen, ausser bei den Arbeitsplätzen die wegfallen.

  2. Schwarzes Loch seh ich nicht so. Eine Signa Retail Group macht einen großartigen Job, Digitec steht vor der Tür. Deren Rezept ist viel zeitgemässer als das der Rotblauen.

    In Österreich kann man trotz des Todes von Eybl Sportsachen kaufen. Auch die Lücke von Ditech wurde nie gefüllt, und trotzdem kann man Computer kaufen. Es wäre kein volkswirtschaftlicher Schaden, wenn Media Saturn tatsächlich unterginge. Sie würden dabei zwar einen unglaubliche Chaos verursachen (Stichwort angeschlossenes Wildschwein) und Gläubiger mitreissen, aber wirklich weinen würde absolut niemand. Kein Kunde, und ganz sicher kein Lieferant. Ein schneller Tod wäre für Alle das Beste und auch einem Unternehmen zu wünschen das nicht mehr kann als MwSt Aktionen zu fahren.

    8

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