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Freitag, 19. April 2024
Editor's ChoiceBrandgefährlich und dramatisch

Gefahr: 1,4 Millionen Lithiumbatterien jährlich im Restmüll

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 21.11.2019 | Bilder | | 2  Wissen
Immer mehr Lithiumbatterien landen im Restmüll. Die Situation ist brandgefährlich und dramatisch, warnen Experten. Den wenigsten Konsumenten ist das bewusst. (Bild: M. Seyfert) Immer mehr Lithiumbatterien landen im Restmüll. Die Situation ist brandgefährlich und dramatisch, warnen Experten. Den wenigsten Konsumenten ist das bewusst. (Bild: M. Seyfert) „Falsch entsorgte, leicht entzündbare Lithiumbatterien sind die Ursache für eine massive Zunahme von gefährlichen Bränden bei Entsorgungsbetrieben“, so die Vertreter der Abfall- und Ressourcenwirtschaft, die die Bevölkerung dazu aufrufen, Produkte mit Lithiumbatterien ausschließlich in den dafür vorgesehenen Sammelboxen im Handel oder bei Altstoffsammelzentren getrennt zu entsorgen.

Die Vertreter der Abfall- und Ressourcenwirtschaft beschreiben die Lage als dramatisch: „Die Montan-Universität Leoben warnt vor einer Verdoppelung von derzeit 1,4 auf 2,8 Millionen Lithiumbatterien im Restmüll, die Feuerwehr geht von einer weiteren Zunahme von gefährlichen Bränden aus.“ Die Experten beziehen sich auf eine Studie, laut der nur jeder zweite Österreicher alte Batterien korrekt entsorgt.

Lithiumbatterien befinden sich in blinkenden Kinderschuhen, Tablets, Stabmixern, singenden Grußkarten oder Gartengeräten. Wenn sie im Restmüll landen, können sie sich bereits bei kleinster Reibung entzünden und gefährliche Brände verursachen, wie die Vertreter der Abfall- und Ressourcenwirtschaft warnen und ergänzen: „In Mülltonnen, LKWs und Recyclinganlagen – aber auch in den eigenen vier Wänden.“ Dass Lithiumbatterien hoch-explosiv und daher brandgefährlich seien wisse aber nur jeder dritte Österreicher, der Unterschied zu herkömmlichen Alkaline-Batterien sei überhaupt nur 16% der Bevölkerung klar, wie eine aktuelle Studie im Auftrag des Verbands Österreichischer Entsorgungsbetriebe (VOEB) zeigt. So entsorgen auch nur 55% der befragten Österreicher alte Batterien und Akkus in den dafür vorgesehenen Sammelboxen. „Das entspricht zwar der gesetzlichen Sammelquote von 45%, ist aber aufgrund der massiven Zunahme von im Umlauf befindlichen Lithiumbatterien für die Entsorgungsbetriebe eine Katastrophe, denn die Zahl der Brände steigt unaufhaltsam“, sagt Hans Roth, Präsident des VOEB, und: „Lithiumbatterien sind die größte Herausforderung der Branche in den letzten 40 Jahren. Wir wissen von Entsorgungsbetrieben, in denen sie für 95% der Störfälle verantwortlich sind. Wir haben verletzte Mitarbeiter zu beklagen, der Sachschaden ist enorm. Das kann so nicht weitergehen. Wenn die Batterie-Sammelquote nicht zumindest auf 75% erhöht wird, wird kein Weg an einem Pfand vorbeiführen.“

Forderung nach Informationsoffensive

Lithiumbatterien befinden sich in blinkenden Kinderschuhen, Tablets, Stabmixern, singenden Grußkarten oder Gartengeräten. Wenn sie im Restmüll landen, können sie sich bereits bei kleinster Reibung entzünden und gefährliche Brände verursachen, wie die Vertreter der Abfall- und Ressourcenwirtschaft warnen. (Bild: pixabay / Pexels GmbH / unsplash)

Die Zahlen der Studie zeigen eindeutig, dass die Bevölkerung nur unzureichend über die Gefahren von Lithiumbatterien informiert ist. Besonders auffällig sei das bei unter 30-Jährigen, wie der VOEB aufzeigt: „Nur 29% wissen, dass der Handel verpflichtet ist, alte Batterien zurückzunehmen, gerade 32% ist die fachgerechte Entsorgung ein Anliegen und nur etwas mehr als jeder Dritte entsorgt alte Batterien fachgerecht – bei den über 60-Jährigen sind es 71%!“ Roth: „Diese Zahlen sind sehr beunruhigend. Wir müssen daher vor allem junge Menschen aufklären, wo überall Lithiumbatterien versteckt sind, wie man sie korrekt entsorgt und so gefährliche Brände verhindert.“ Roth betont, dass dem Verband auch die Herstellerverantwortung ein Anliegen ist, und dass alle Beteiligten der Wertschöpfungskette genau wissen, welche Inhaltsstoffe in den Batterien enthalten sind.

Montanuniversität Leoben bestätigt Zusammenhang

Seit Jahren beschäftigt sich Prof. Roland Pomberger von der Montanuniversität Leoben mit den leistungsstarken, hochexplosiven Lithiumbatterien. „Wir können den Zusammenhang zwischen der steigenden Anzahl von Lithiumbatterien im Restmüll und den Bränden bei Entsorgungsbetrieben eindeutig belegen. Für die Abfall- und Ressourcenwirtschaft ist diese Entwicklung existenzbedrohend. Ein Problem, für das jedoch keiner die Verantwortung übernehmen will.“ Die Hersteller würden bereits die geforderte Sammelquote erfüllen und sich daher nicht zuständig fühlen, wie Pomberger sagt. Die Konsumenten hätten kein Bewusstsein dafür und wüssten oft nicht einmal, worin sich überall Lithiumbatterien befinden. Auch für die Politik habe das Thema (noch) keine Priorität. Pomberger: „Die Faustregel lautet: In einer Tonne Restmüll befindet sich durchschnittlich eine Lithiumbatterie. Jede Lithiumbatterie ist eine potenzielle Zündquelle. Durch Abfallbehandlung und Recycling steigt die Wahrscheinlichkeit einer Beschädigung und damit die Wahrscheinlichkeit eines Brandfalles.“

Gefahr in eigenen vier Wänden ebenfalls groß

Der Österreichische Bundesfeuerwehrverband kennt das Problem. Einsatzkräfte müssen seit Jahren vermehrt ausrücken, um Brände in Entsorgungsbetrieben zu löschen. Die Gefahr lauert aber auch in privaten Haushalten. Oberbrandrat Roman Sykora: „Lithium-Ionen-Akkus im Restmüll sind brandgefährlich. Oft dauert es eine gewisse Zeit, bis aufgrund unterschiedlichster Umstände eine Rauchentwicklung entsteht. Ein daraus resultierender Brand in Kombination mit einer starken Verrauchung kann in den eigenen vier Wänden innerhalb kürzester Zeit fatale Folgen haben.“ Gerade für die Einsatzkräfte ergeben sich durch die rasanten Entwicklungen und ständig neue Innovationen, von denen auch Gefahren ausgehen können, ein bestimmter Handlungsbedarf. „Neue Feuerwehr-Gerätschaften bzw. Ausrüstungsgegenstände zur Prävention, Abwehr und Bekämpfung von Gefahren müssen entwickelt und angeschafft werden. Vor allem aber ist der Bereich der Ausbildung gefordert, schließlich müssen die österreichischen Feuerwehrmitglieder stets am aktuellen Stand der Technik sein, um professionell helfen zu können. Diese Punkte sind unweigerlich mit hohen Kosten verbunden, die erst einmal aufgestellt werden müssen.“

„In Deutschland brennt es täglich“

Auch in Deutschland brennen Entsorgungsbetriebe. Die Experten präsentierten Zahlen, die bestätigen, dass es aufgrund von sich entzündenden Lithiumbatterien bereits täglich zu Bränden in Tonnen, Fahrzeugen, Betriebshöfen oder Sortieranlagen kommt. „Versicherungen weigern sich, für den Schaden aufzukommen“, berichtet der Bundesverband der deutschen Entsorgungs-, Wasser und Rohstoffwirtschaft (BDE), der schon seit längerem ein Pfand auf Batterien fordert. Ergänzend dazu sollen Elektro- und Elektronikgeräte von den Herstellern so konzipiert werden, dass Batterien durch den Endnutzer ausbaubar sind (was oft nicht der Fall ist). Neben einer verpflichtenden, einheitlichen Kennzeichnung von Geräten mit Lithiumbatterien sollten aber auch die Verbraucher besser informiert werden sowie finanzielle Anreize für die Sammlung festgelegt werden. BDE-Präsident Peter Kurth: „Die Lage ist dramatisch. Wir können und wollen nicht zusehen, bis wir bei diesen Brandfällen Tote und Schwerverletzte beklagen müssen. Die Unternehmen der deutschen Recycling- und Entsorgungswirtschaft dürfen mit dieser ernsten Herausforderung nicht alleine gelassen werden. Alle Verantwortlichen müssen ihren Beitrag leisten, um diese Gefahr einzudämmen.“

 

Bilder
Im Bild v.l.n.r.: Prof. Roland Pomberger (Montanuniversität Leoben), Hans Roth (VOEB), Peter Kurth (BDE), Roman Sykora (Öst. Bundesfeuerwehrverband). (Foto: VOEB/APA-Fotoservice/Hörmandinger)
Im Bild v.l.n.r.: Prof. Roland Pomberger (Montanuniversität Leoben), Hans Roth (VOEB), Peter Kurth (BDE), Roman Sykora (Öst. Bundesfeuerwehrverband). (Foto: VOEB/APA-Fotoservice/Hörmandinger)
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Kommentare (2)

  1. Wie steht es denn um die Entsorgung der hochgefährlichen Batterien der so vielgepriesenen und viel geforderten, angeblich so umweltfreundlichen Elektroautos ?

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