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Dienstag, 23. April 2024
Als mein Ego beinahe an einer Selbstbedienungskasse zerbrach

In Zukunft ohne mich!

Über den Rand | Andreas Rockenbauer | 24.11.2019 | Bilder | | 2  Meinung

Andreas Rockenbauer
Ich weiß, das Timing war vertrottelt. Aber leider fiel meiner Frau erst am Vorabend des Feiertags gegen 18:30 ein, dass am nächsten Tag alle Geschäfte geschlossen hätten und wir uns unseren Plan, morgen gemütlich einkaufen zu gehen, abschminken konnten. Aber immerhin, es war ja noch nicht zu spät. Und da wir gerade in der Nähe unseres Einkaufszentrums waren, beschlossen wir, meinen Boykott gegen den dortigen Merkur kurzfristig auszusetzen und uns rasch noch mit den notwendigsten Lebensmitteln für das Wochenende zu versorgen. Was wir zu diesem Zeitpunkt noch nicht wussten: Es würde ein lehrreicher Einkauf werden...

Den Bannspruch gegen den – nur im Logo – grünen Supermarkt hatte ich im Sommer vor über einem Jahr verhängt, als ich auf der Suche nach Petersilie dort ausschließlich welche aus Kenia(!) gefunden hatte. Das war dann selbst mir – der nicht gar so der militante Öko-Freak ist und seine Bequemlichkeit schon mal ganz gerne über das Wohl des Planeten stellt – der offensichtlichen Hirnrissigkeit zuviel.

Also hatte ich in einem Akt des stillen Protests beschlossen, dass Merkur in Hinkunft ohne meinen Umsatz auskommen musste (was man dort zu meinem Leidwesen wohl niemals bemerkt haben dürfte) und kaufte fortan in anderen Supermärkten ein. Die, nebenbei bemerkt, wohl auch kein Bisschen besser sind. Aber im Fall des Falles bin ich dann doch ganz gerne Pragmatiker

Nun, meine Frau und ich schnappten uns also einen Einkaufswagen und begannen in guter alter steinzeitlicher Sammlermanier, diesen mit dem Inhalt der zahlreichen Regale zu füllen, die mit allerlei feinen Dingen lockten. Als das erledigt war, bewegten wir uns Richtung Kassen.

Sehen konnten wir diese nicht, weil sich der Architekt des Marktes – vielleicht nach einer durchzechten Nacht – entschieden hatte, ein etwa 20 Meter breites Regal derart idiotisch nahe und quer an die Kassen zu rücken, dass sich im Falle der Staubildung die Schlangen von bis zu sechs Kassen zu zwei chaotischen Kundenströmen vereinigen und rechts und links um dieses Regal winden mussten. Was – wie man sich vielleicht vorstellen kann – nicht eben zur Entspannung der Wartenden beiträgt.

Da Geduld nicht zu meinen herausragenden Stärken gehört, wagte ich das Ungeheuerliche und linste um das Regal herum (während meine Frau unsere Position im Kassenstrom verteidigte) und erkannte, dass die Schlange vor den vier Selbstbedienungskassen geringfügig kürzer schien. Dass das eine Täuschung war, weil sich die zwei Ströme rund um das Regal hinterher ja auf sechs Kassen aufteilten, ist eine andere Geschichte.

Den Einwand meiner Frau („Das zahlt sich nicht aus”) schob ich jedenfalls mit dem aus intellektueller Sicht unschlagbaren Argument – „Tut es doch!” – zur Seite und schon fanden wir uns am Ende der Selbstbedienungskassen-Schlange wieder. Die anschließend belauschten Gespräche der vor uns Wartenden über die Tücken der Terminals entlockten mir nur ein stilles Lächeln.

Für einen gelernten Informatiker wie mich wäre das ja wohl ein Kinderspiel. Und als meine Frau anmerkte, dass unser Papiersackerl mit dem unterschiedlichsten Gebäck eine Schwierigkeit darstellen könnte, sagte ich bloß generös (und vielleicht auch ein wenig herablassend): „Beobachte und lerne. Ich mach das schon.

„Aber”, versuchte meine Frau meine Autorität kurz infrage zu stellen „letztens auf dem Flughafen…”. „Das war etwas ganz Anderes”, unterbrach ich sie etwas unwirsch. „Hmm”, machte sie noch und dann war die Sache erledigt.

Irgendwann waren auch wir an der Reihe, gleich an der ersten Selbstbedienungskasse, was sich noch als wenig vorteilhaft herausstellen sollte. Während ich die ersten Produkte lässig über den Scanner zog, bewunderte ich noch die ausgeklügelte Lösung, dass die Ware anschließend rechts neben die Kasse gelegt werden musste, wo sie offensichtlich automatisch gewogen und das Gewicht mit einer Datenbank verglichen wurde, um Missbrauch auszuschalten. Etwa: ein Stück scannen, zwei daneben hinlegen.

Dann, plötzlich, mitten in meine Betrachtungen hinein, die erste Schwierigkeit: zwei einzelne Biozitronen. „Da ist kein Barcode drauf”, sagte meine Frau. Ich hatte das schon längst erkannt, „Produkte ohne Barcode” gewählt, und flink auf dem Touchscreen nach dem Eintrag „Zitronen” gesucht. Also sagen wir mal so: Gar so flink auch wieder nicht. Denn dass Zitronen unter „Exotikfrüchten” zu suchen wären, darauf kam ich erst nach dem dritten oder vierten vergeblichen Durchlauf durch das normale „Obst”-Angebot.

Aber das war das kleinere Problem, das größere folgte: Als die Kasse den Preis für zwei Zitronen mit knapp 5 Euro anzeigte, wusste ich: Die Taste war nicht jene für einzelne Biozitronen gewesen, sondern für jeweils ein ganzes Netz mit „normalen” Zitronen. Also wollte ich die Eingabe stornieren. Daraufhin zeigte der Bildschirm an, dass Bedienpersonal verständigt wurde und ich mich gedulden solle. Wir warteten.

Und mit uns die ganze Schlange an nervösen Kunden, von denen einige unser Tun – bzw. unser aktuelles Nichtstun – mit offensichtlich unfreundlich gemeinten Grimassen verfolgten. Schließlich kam eine nette Dame, die sich als Merkur-Mitarbeiterin an der Kasse autorisierte und das Storno der Zitronen durchführte.

Ganz ohne Häme verwies sie auf einen kleinen Marken-Aufkleber auf jeder Zitrone, auf dem auch ein Barcode zu finden war. Klein zwar, aber er war da. Das hatten wir übersehen… So rasch sie gekommen war, so schnell war der dienstbare Geist auch schon wieder verschwunden, weil in der Zwischenzeit an einer anderen Kasse ein Problem aufgetaucht war.

Nach einer Menge erfolgreicher Scans waren fast fertig, als mir meine Frau das Papiersackerl mit verschiedenem Gebäck hinhielt. Im Nachhinein glaube ich mich an ein boshaftes Lächeln zu erinnern, aber vielleicht täusche ich mich auch. Jedenfalls war ich etwas ratlos: Wie hießen die verdammten Dinger denn überhaupt? Warum hatte ich nicht einfach Semmeln gekauft? Kornspitz wäre auch noch gegangen, oder Dinkelweckerl, das kennt man. Aber dieses Nussdings? Verdammt!

Ich suchte unter der Rubrik „Gebäck” – war ja alles zum Glück mit Foto. Dennoch brauchte ich abermals ein paar Durchläufe. Ich konnte die genervten Blicke in meinem Rücken spüren, das unwirsche Kopfschütteln. Hier, da war es! „Nusswurzn”! Also auf das Foto getippt. „2 Stück”. Geht doch! Gefolgt von der Anweisung, das Produkt auf die Ablagefläche zu legen. Aber da waren noch andere Stücke im Sackerl. Was tun? Ich legte mal das gesamte Sackerl drauf – die eingebaute Waage beschwerte sich – noch – nicht.

Der Rest schien einfach: 2 Wachauer. „Bitte legen Sie das Produkt ab”. Nun, das hatte ich schon – war ja im Sackerl mit den Nusswurzn. Aber das System wartete darauf, dass ich das Produkt ablegte, das ja bereits abgelegt war. Also nutzte ich die andere Eingabemöglichkeit, die das Nichtablegen erlaubt. Daraufhin erschien am Bildschirm – Sie erraten es sicher – die Anweisung: „Warten Sie auf das Bedienpersonal”.

Hitze stieg in mir hoch. Plötzlich bekam der Ausdruck „Kassasturz” eine völlig neue Bedeutung. Ich fühlte die Hand meiner Frau auf meinem Arm und schüttelte sie wütend ab. „Was ist das für ein Scheißdreck?” sagte ich so laut, dass es möglichst viele Wartenden hören konnte, damit die nicht annahmen, ich sei ein Volltrottel, der dieses Kassensystem nicht bedienen konnte. Erstens nahmen sie das sicher trotzdem an und zweitens war ich ja der Volltrottel.

Als ich mich noch in der Erwägungsphase befand, ob ich den ganzen Krempel einfach hinschmeißen, mit meiner Faust den Bildschirm ein klein wenig bearbeiten und gehen sollte, stand abermals die nette Dame neben uns. „Was ist das für ein Scheißdreck?”, verpackte ich meinen Frust in eine rhetorische Frage und die Dame – meine Wut charmant ignorierend – meinte fröhlich, dass das in der Tat wohl nicht gar so glücklich gelöst sei.

Flugs, hatte sie auf dem elenden Bildschirm herumgetippt und gleich noch den Rest unserer Produkte gescannt und auf der Ablagefläche verstaut. Meinen Dank, aus dem die pure Erleichterung sprach mich den Blicken der Wartenden nun endlich entziehen zu können, quittierte sie noch mit einem „Gerne, ist ja mein Job”, und kümmerte sich schon wieder um das nächste Kassenopfer.

Als wir nach dem Bezahlen den gesamten Einkauf von der Ablagefläche wieder zurück in unseren Einkaufswagen gewuchtet hatten und eilig das Weite suchten, vermieden wir den Blick zurück. Nach einer Weile sprach meine Frau aus, was ich mich nicht zu sagen traute: „In der Zeit, in der wir uns selbst bedient haben, hätten wir uns zweimal an einer der normalen Kassen anstellen können.” „Und außerdem verkaufen die Petersilie aus Kenia”, sagte ich. „Ja eh”, antwortete meine Frau und nickte.

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Kommentare (2)

  1. Sehr ehrlich geschrieben entlockte mir der Text öfter ein schmunzeln, danke.

    Aber ich muss noch meinen Senf dazu geben: selber Schuld, wenn man für größere Einkäufe die Selbstbedienungskassen nutzt. Für kleine (Jausen)-Einkäufe sind die Geräte nämlich durchaus praktisch und die peinlichen Situationen reduzieren sich gegen null.

    1. Stimmt! Diese Lektion habe ich immerhin gelernt… 😉

      Allerdings ist meiner Meinung nach überhaupt nicht einzusehen, warum der Kunde kein einmaliges Storno durchführen kann, wenn er die falsche Taste gedrückt hat. Das würde nämlich bezüglich Missbrauchsschutz überhaupt nichts ändern. Die Software ist definitiv (noch) nicht zu Ende gedacht… Da gibt es noch viel Raum für Verbesserung!

      Freut mich aber jedenfalls, dass Ihnen mein Erfahrungsbericht ein wenig Spaß gemacht hat! 🙂

      Herzliche Grüße, Andreas Rockenbauer

      2

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