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Mittwoch, 11. Dezember 2024
Paneldiskussion zu 5G Broadcast

Wer sind die „Guten”?

Multimedia | Wolfgang Schalko | 01.12.2019 | |  Veranstaltungen
Michael Wagenhofer (ORS), Marvin Peters (Samsung), Corinna Drumm (VÖP), Anja Tretbar-Bustorf (Magenta Telekom) und Franz Manola (ORF) diskutierten – teils sehr kontroversiell – medien- und wirtschaftspolitische Aspekte von 5G Broadcast (v.l.n.r.). Michael Wagenhofer (ORS), Marvin Peters (Samsung), Corinna Drumm (VÖP), Anja Tretbar-Bustorf (Magenta Telekom) und Franz Manola (ORF) diskutierten – teils sehr kontroversiell – medien- und wirtschaftspolitische Aspekte von 5G Broadcast (v.l.n.r.). Beim Symposium „5G Broadcast – Die Zukunft des Rundfunks im 5G Zeitalter” bildete eine prominent besetzte Paneldiskussion das abschließende Highlight. Diese verdeutlichte vor allem eines: Einen gemeinsamen Nenner zu finden ist nicht unmöglich, wird aber alles andere als ein Spaziergang für alle Beteiligten.

Unter dem Titel „Öffentliche Aufgabe und Geschäftsmodell – Was ist die Rolle des Broadcastings im 5G Zeitalter?” diskutierten Corinna Drumm, Geschäftsführerin des Verbands Österreichischer Privatsender (VÖP); Anja Tretbar-Bustorf, Vice President Corporate Affairs Magenta Telekom; Franz Manola, Plattform Manager der Generaldirektion, ORF; Marvin Peters, Director IM Samsung Electronics Austria und Michael Wagenhofer, Kaufm. Geschäfstführer ORS. Die Fragen stellte Moderator Johann Puntigam.

Steht 5G Broadcast auf Ihrer Wunschliste?

Drumm: Rundfunk erfüllt wesentliche Funktionen für diese Gesellschaft, Radio und TV bei bestimmten Inhalten sogar besonders stark. Der Rundfunk spielt auch eine wichtige Rolle für die Meinungsvielfalt, gerade in Zeiten von Fake News. Um das weiter erfüllen zu können, braucht der Rundfunk nicht nur eine wirtschaftliche Grundlage, sondern auch den niederschwelligen Zugang zu sämtlichen relevanten Verbreitungswegen – daher ist es für uns klar, dass wir in Zukunft auch die 5G Broadcast-Funktionalität ausnutzen sollten. Diese bietet viele Vorteile, zB bei den Grenzkosten, aber es geht darüber hinaus um die wesentliche Funktion von Rundfunk in Krisenfällen und bei Katastrophen: Da werden Mobilfunknetze nicht ausreichend funktionieren und da braucht es ein zukunftsfähiges Broadcast-Netz. Daher halte ich 5G Broadcast für den Rundfunk und die Gesellschaft für wichtig und wir werden neue Kooperationsmodelle zwischen der Telekom- und der Rundfunkindustrie brauchen, die es in nächsten Jahren zu entwickeln gilt.

Ist es möglich, 5G Broadcast in der angesprochenen Form zu implementieren? Wie sieht die Zukunft aus?

Tretbar-Bustorf: 5G Broadcast ist – nur weil 5G drüber steht – nicht 5G Mobilfunk, wie wir ihn sehen, sondern schon eine etwas andere Technologie. Dass die Mobilfunker 5G Broadcast gleich im ersten Schritt machen, soweit sind wir noch nicht. Aus einem einfachen Grund: Alle Mobilfunker zusammen haben aktuell 18.000 Standorte in ganz Österreich, die erweitert und mit neuer Technik bzw neuem Equipment ausgestattet werden müssen. Dh wir müssen schauen, wie wir das Netz refinanzieren und welche Services wir anbieten. Heute haben wir im 4G-Netz schon sehr viel Bewegtbild und bei Broadcast sind 5% Terrestrik, knapp 60% SAT und der Rest wird über Kabel übertragen – daran wird sich auch nicht allzu viel ändern, zumindest was die großen Fernseher betrifft. 5G Broadcast ist – falls es in Österreich ausgebaut wird – ein zusätzlicher Use-Case, der im Zuhause neben allen anderen im Mobilfunk sowie linear existiert. Wenn man ein gutes Kundenprodukt macht und eine gute Lösung mit der Werbewirtschaft findet, dann ist da aber sicher eine Co-Existenz in der einen oder anderen Form möglich.

Apropos gutes Produkt – Wie schnell kann das bei 5G Broadcast und den entsprechenden Chipsets gehen?

Peters: Wir sind ganz sicher vorne mit dabei. Samsung hat 5G bereits in Österreich gelauncht und es gibt heute schon Geräte in verschiedenen Preisklassen, die diesem Standard entsprechen. Anfang 2020 folgen weitere Modelle – dh wir haben die Technologie und können bzw werden diese auch ausbauen.

Welche Erwartungen gibt es seitens des ORF an 5G?

Manola: 5G ist eine Wundertüte und jeder in den elektronischen Medien muss hohes Interesse daran haben. Die Frage, um die wir uns hier drücken, ist nicht so sehr eine, die sich an TK-Betreiber und Rundfunkanbieter richtet, sondern ein an die Gesellschaft und in weiterer Folge an die Politik: Glauben wir, dass eine freie Presse und ein freies Medienwesen definitorisch sind für unsere freiheitlich-demokratische Ordnung? Und wenn ja, wie sichern wir die Existenz dieser Medien ab? Jenes winziges Teilspektrum von dem, was dereinst 5G sein will, als jenen Bereich, in dem die Medien ihre Vertriebswege haben. Denn die Telkos sind in ihrer eigenen 5G-Vision das, was jetzt Facebook oder Youtube sind: die Gatekeeper zu wesentlichen Bestandteilen der Information der Bevölkerung. Wollen wir zu dem Gatekeeper Facebook und zu dem Gatekeeper Youtube auch noch die Gatekeeper A1, Magenta und Drei? Sind die in der Lage, so etwas wie die Wächter der freien Medien zu sein? Es steht außer Frage, dass 5G kommt, und die Medien spielen dabei eigentlich nur eine Nebenrolle, aber wir wollen einen freien Zugang zu unserem Publikum. Das ist eine gesellschaftliche und politische Frage – wo wir nur darauf aufmerksam machen können, dass es sich um eine sehr folgenschwere Entscheidung handelt.

Sie haben im Vorfeld 5G mit einer Party verglichen, zu der Sie etwas mitbringen – wie ist das zu verstehen?

Wagenhofer: Der Vergleich mit der Party ist aus der Diskussion mit den Mobilfunkbetreibern heraus entstanden, denn da ist schon eine gewisse Ablehnung spürbar – nach dem Motto: 5G, das sind wir! Wir hatten den Eindruck, der Mobilfunk meint: Das ist unsere Party – ihr kommt da uneingeladen und habt obendrein nichts dabei. Aber das Gegenteil ist der Fall, denn die Mobilfunker müssten sonst schon in Rundfunk investieren und Geld ausgeben. 5G ist ein Multilayer-Approach, bei dem man die Unicast-Netze des Mobilfunks hat, über die die individualisierte Kommunikation läuft, und darüber gibt es den Layer des Broadcast, der für die Kommunikation One-to-Many zuständig ist. Und aus der Kombination dieser beiden Netze entsteht der Mehrwert für den Kunden. Insofern glaube ich nicht, dass wir uns einen großen Gefallen täten, eine bloße Co-Existenz zu leben. Die Chance für die Zukunft liegt darin, uns die Bälle gegenseitig aktiv zuzuspielen. Das Match, das wir gewinnen müssen, findet ja nicht zwischen diesen Branchen statt, sondern die FANGs (Facebook, Amazon, Netflix, Google) sind die Gegner, gegen die wir uns gemeinsam aufstellen müssen und wo wir letztlich im Bereich der Usability massiv aufholen müssen. Denn ganz ehrlich, Fernsehen hat eine „Steinzeit-Usabilty”, mit den noch immer gleichen Schnittstellen mit dem Endgerät wie vor 10-15 Jahren, und es ist immer noch der EPG, mit dem sich die Zuseher orientieren. Es braucht eine Usability, wo zwischen linearem und non-linearem Content ganz einfach gewechselt werden kann, sodass wir auch die junge Zielgruppe wiedergewinnen können.

Peters: Wir erleben im Bereich Entertainment eine Art Mixed-Reality, dh dass wir auf der einen Seite die Möglichkeit für lineare Übertragung haben, aber gleichzeitig den Endkunden die Möglichkeit für ihre persönliche Übertragung bieten. Dafür brauchen wir 5G und entsprechende Tests laufen zB in Korea, wo Kunden zB eine Rennstrecke ganz allgemein sehen, aber auch ihren eigenen Liebling betrachten können, oder im Stadion, wo man durch entsprechende Sensoren die biometrischen Daten eines Spielers mitverfolgen kann. Diese Technologien ermöglichen für uns alle eine ganz neue Ära – mit Use-Cases, wo man lineares Fernsehen als Basis braucht. Aber es natürlich auch Geräte notwendig, die das ermöglichen. Wir sind ein Technologiekonzern und Innovationsführer und bauen schon jetzt solche 5G Chipsets.n

Kann ein Mobilfunker die angesprochene Gatekeeper-Funktion leisten?

Tretbar-Bustorf: Gatekeeper würde ich so nicht sagen, weil wir ja nicht für die Inhalte verantwortlich sind. Wenn ich die ORS und die Privatsender richtig verstanden habe, ist es gewünscht, dass man mit 5G Broadcast den linearen Content ausspielt, gleichzeitig möchte man aber auch die Mobilfunktechnik-Kapazitäten haben, um non-linearen Content an den Mann zu bringen. Und leisten soll das am Ende des Tages die Connectivity über den Mobilfunk – was wir natürlich machen können, aber es hängt letzten Endes vom Geschäftsmodell ab.

Welche Rahmenbedingungen bracht es, damit 5G Broadcast funktioniert?

Drumm: Bin mir nicht sicher, ob wir diese Frage heute schon beantworten können. Wir als Medien haben über die Geschäftsmodelle hinaus auch einen öffentlichen Auftrag im Sinne der Meinungsbildung. Ein wichtiger Punkt zu 5G Broadcast ist, dass wir als Rundfunkbranche das Frequenzspektrum haben müssen, das wir brauchen, um ein solches Netz aufzubauen. In der Vergangenheit wurde viel Frequenzspektrum vom Rundfunk auf den Mobilfunk umgewidmet, das nun für andere Anwendungen genutzt wird. Jetzt ist der Punkt erreicht, wo wir sagen, dass es damit gut sein sollte. Denn es besteht sonst sehr wohl eine Gatekeeperrolle der Telkos und wir wollen, dass dieses Netz nahe bei uns ist und nicht anderen Überlegungen bzw wirtschaftlichen Zielen unterliegt, als wir sie verfolgen. Daher geht es auch darum klar zu stellen, welches Frequenzspektrum dem Rundfunk gewidmet bleibt – was aber kein österreichsiches Thema ist, sondern eines für die Rundfunkkonferenz WRC 2023. Ich hoffe einfach, dass bei den kommenden WRCs die richtigen Entscheidungen getroffen werden, wie die Rahmenbedingungen ausschauen für diese Kooperation, die es braucht, damit es nicht nur so ein Nebeneinander ist, sondern wirklich ein Miteinander.

Wagenhofer: Diese Frequenzdiskussionen sind natürlich sehr schwierig, weil hoch technisch und regulatorisch auch nicht immer ganz einfach zu greifen. Bei der WRC 2023 wird diskutiert werden, wie es im Rundfunkfrequenzband weitergeht, dh ob wieder Teile an den Mobilfunk abgegeben werden müssen oder ob die europäischen Administrationen dafür einstehen, das die Medien weiter ihr eigenes Spektrum behalten können. Aber das soll ja gar nicht mehr separiert sein, sondern wir wollen das Spektrum ohnehin im 5G-Standard verwenden. Mit 5G Broadcast ist der Rundfunk ja technologisch unter den Schirm des Mobilfunks geschlüpft. Insofern bringen wir wirklich etwas zur Party mit, nämlich einen Teil unseres Spektrums, in dem wir dann auch 5G Broadcast machen. Das erzeugt eine Win-Win-Situation.

Ist das tatsächlich so?

Tretbar-Bustorf: Neuen interessanten Produkten für Kunden, mit denen wir Umsatz generieren können, sind wir nie abgeneigt.

Wagenhofer: Ich möchte noch kurz auf das Thema DVB-H zu sprechen kommen, wo Medien- und Telekommunikationsunternehmen gemeinsam etwas versucht hatten, das – aus vielerlei Gründen – letztlich nicht funktioniert hat. Aber der große Unterschied ist: Wenn man heute ein Smartphone von Apple, Samsung & Co. kauft, dann hat man einen 4K-fähigen Bildschirm auf Basis der OLED-Technologie in der Hand. Man kann heute ein Tennismatsch anschauen und sieht, ob der Ball auf der Linie war oder nicht, während man – überspitzt formuliert – in der damaligen Zeit froh sein musste, wenn man erkannt hat, welche Sportart überhaupt übertragen wurde. Ich glaube, die Zeit ist reif für eine solche Anwendung, denn es stiftet einen Mehrwert für den Kunden, und insofern brauchen wir nur noch das entsprechende Geschäftsmodell entwickeln.

Manola: Ich war einer der vehementesten Gegner von DVB-H, weil ich gewusst habe, dass das eine Totgeburt ist wie sie sich selten in dieser Idealform darstellt. 5G Broadcast ist mit DVB-H nicht vergleichbar, weil es einfach einen Quantensprung in der Technologie darstellt und alle damit verbundene Phatasie ist vollkommen legitim – in Wahrheit wird das alles sogar noch viel toller werden als wir uns das heute vorstellen können. Aber der Punkt ist, dass es hier um das Ende der Medien, wie wir sie kennen, geht: Wollen wir es darauf hinauslaufen lassen, dass entweder die Telkos alle Medienhäuser aufkaufen und diese eingliedern, um damit ihren Medien-Mehrwert-Teil zu haben, oder dass sie die Gatekeeper sind. Eine Kooperation beispielsweise bei Addressable TV sagt sich so leicht, aber man sitzt dann da und hat das Gefühl, der Fernseher schaut einen genauer an als man selbst den Fernseher. Wir sollten zunächst reflektieren, was das alles bedeuten wird – nicht nur für den automatisierten Verkehr, wo das sicher alles ganz toll sein wird, aber man auch dort dann ja zu jeder Zeit auf den Quadratzentimeter genau weiß, wo ich gerade bin. Wir müssen klären, ob wir das in vollem Ausmaß wollen. Die Mediendiskussion ist zwar für uns jetzt interessant, aber die Medien selbst sind nur ein winziger Teil des Aktivitätsfeldes dieser Technologie. Dennoch glauben wir, dass es auch für die Demokratie relevant ist, weil das gesellschaftspolitische Modell wechselt, wenn wir sagen, wir schaffen die unabhängigen Medien ab.

Tretbar-Bustorf: Ich glaube, da werden ganz viele Themen miteinander vermischt. Zum einen ist es so, dass Addressable TV nicht nur von Telkos gemeinsam mit Medien, sondern auch von Medien selbst mit HbbTV geplant ist – dh ganz so ist es nicht, dass nur wir da die Bösen sind. Auf der anderen Seite bietet 5G viele Möglichkeiten und natürlich braucht es Datenschutz, Regulierung, usw. – aber das heißt ja nicht, dass 5G jetzt TV plötzlich abschafft, sondern wenn man es genau nimmt, verbreitert es sogar die Möglichkeiten des Contents, weil ganz anderer Content über das Internet zugänglich wird als nur über lineares TV. Es ist also nicht so, dass wir dadurch die Medienvielfalt einschränken, sondern wir erweitern sie in Wirklichkeit – um genauso polemisch zu antworten.

Drumm: Die Medienvielfalt ist nicht Netflix, Spotify oder Facebook – die machen das Gegenteil davon! Wenn wir von Medienvielfalt sprechen, reden wir von Medien mit einem bestimmten Auftrag und mit gesetzlichen Rahmenbedingungen, an die sie sich halten, dh da reden wir von Qualität und Journalismus und nicht vom Konsum von irgendwelchen bewegten Bildern oder Audiosignalen. Wir werden auch nie Content mit Österreich-Bezug oder Inhalten aus einem österreichischen Bundesland auf Netflix sehen. Das ist genau der Punkt warum wir Medien sagen: Moment, lasst uns bitte nicht übersehen, dass die Medienlandschaft in Gefahr ist – aber natürlich nicht von den österreichischen Telkos bedroht wird, sondern von US-Unternehmen. Umso wichtiger ist es, Bedingungen zu schaffen, dass die Rundfunklandschaft in Österreich bestehen und sich weiterentwickeln kann. Dazu gehört auch das Thema 5G Broadcast.

Peters: Zunächst sind natürlich Investitionen notwendig, wobei das Zusammenspiel von Hard- und Software sehr wichtig ist, weil es sich bei 5G-Geräten tatsächlich um sehr komplexe Produkte handelt. Wir überlegen uns auch, was lineares TV leisten kann und ein Fall, den wir uns sehr genau ansehen, sind Katastrophen – Wie schnell kann ich jemanden erreichen? Das wird gerade durch die 5G Technologie viel einfacher und sogar ohne SIM-Karte möglich – das sind Use-Cases, an denen wir arbeiten. Wenn ich zB an Smartwatches denke, mit denen man Menschen ausrüsten und im Katastrophenfall erreichen kann – das eröffnet ganz neue Wege, an die wir heute noch gar nicht wirklich denken.

Wagenhofer: Fast jede neue Technologie hat zunächst ein Henne-Ei-Problem, das es zu überwinden gilt. Wir als ORS werden unseren Beitrag dazu leisten und ab dem nächsten Jahr in Wien einen 5G-Broadcast Trial machen. Dieser Test ist explizit offen für die Mobilfunkindustrie, die herzlich zur Teilnahme eingeladen ist, um gemeinsam mit uns dieses Ecosystem zu gestalten – die technischen Fragen zu klären und, wichtiger noch, wie wir ein neues Geschäftsmodell schaffen, das beiden Seiten hilft.

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