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Donnerstag, 25. April 2024
Wir sind gleich für Sie da... – ha, ha!

Warten auf Godot

Über den Rand | Andreas Rockenbauer | 09.02.2020 | Bilder | | 1  Meinung

Andreas Rockenbauer
Wir leben in einer Zeit, in der alles und jedes auf Möglichkeiten der Optimierung abgeklopft wird. Nehmen wir etwa – über alle Branchen hinweg –Bereiche wie Logistik, Fertigung, Einkauf und Vertrieb. Überall wird gefeilt, um das letzte Quentchen Effizienz aus bestehenden Prozessen zu quetschen. Dass dabei, etwa in Marketing und Vertrieb, oft weit über´s Ziel hinausgeschossen wird, weil hier vielfach Messbarkeit vorgegaukelt wird, wo es keine gibt, ist eine andere Geschichte. Die, um die es im Folgenden geht, hat mir viele Stunden lang den Blutdruck in den roten Bereich gejagt und hatte dann doch noch ein Happy End  – dank einer bemerkenswerten Einzelleistung...

Interessant ist, dass bei nahezu allen Effizienzüberlegungen bloß auf unmittelbare Prozessoptimierungen geachtet wird und mittel- bis langfristige Perspektiven kaum eine Rolle spielen. Dabei wird mit einer Empathielosigkeit vorgegangen, die umso erstaunlicher ist, als die eindimmensionalen Optimierer, die sich einen Dreck um Respekt den Kunden gegenüber scheren, zwangsläufig Opfer ihres eigenen Tuns werden. Etwa, wenn sie anderswo selbst Kunden sind und dann ähnlich schlecht behandelt werden. Näher betrachtet führt Optimierungszwang oft zur Erosion von Markenbindung und Kundenzufriedenheit.

Als ich über den Text für dieses Editorial nachgedacht habe, konnte ich mich zunächst nicht entscheiden, ob ich über ein Erlebnis mit meiner Mercedes-Werkstatt schreiben sollte, wo mich erst ein umsichtiger Manager   beruhigen und davon abhalten konnte, den Empfangsbereich in Schutt und Asche zu legen, oder über meine Erfahrungen mit einem internationalen Softwareunternehmen, das über ein derart vertrotteltes und fehlerhaftes Online Kunden- und Lizenzmanagement-System verfügt, dass man sich fragt, wie die auch nur eine einzige Zeile sinnvollen Programmcode erzeugen können.

Aber dann öffnete sich plötzlich der Vorhang zum letzten Akt eines Hotline-Dramas, das bereits im April des Vorjahres begonnen hatte, und fegte alle anderen Ideen beiseite. Selbst die wirklich gute Mercedes-Geschichte. Was war passiert? Ich hatte von einem Netzbetreiber eine Rechnung über eine Domain bekommen. Und? Warten Sie´s ab…

Am 23. April 2019 kündigte ich vier Domains, was mir am 30. April auch bestätigt wurde. Damit schien die Sache erledigt. Zumindest solange, bis am 11. November vier eMail eintrudelten, die mich – jede für eine der gekündigten Domains – warnten, dass die jeweiligen Verträge am 9. Jänner 2020 automatisch verlängert würden, sollte ich sie bis dahin nicht kündigen. Aber das hatte ich doch schon!? Nun, kein Problem, dachte ich – und rief jene Nummer an, die auf der Kündigungsbestätigung zu finden war. Die Business-Hotline.

Nach fast 45(!) Minuten Wartezeit mit dem ewig gleichen, unglaublich nervigen „Wir sind gleich für Sie da”, meldete sich ein Mitarbeiter, der sich zunächst geduldig anhörte, was ich zu sagen hatte, um mir anschließend mitzuteilen, dass das ein Privatkundenvertrag sei und ich mich folglich an die Privatkunden-Hotline wenden müsse. Ich wandte noch ein, dass der Vertrag auf eine Firma laufe, aber da hatte er mich schon verbunden: „Bitte haben Sie noch ein wenig Geduld, wir sind gleich für Sie da.” Ich wartete – und flog aus der Leitung.

Also suchte ich nach der Nummer der Privatkunden-Hotline. Nach knapp zehn Minuten Wartezeit teilte man mir dort mit, dass man mich weiterverbinden müsse… Und flugs hing ich in der Warteschleife des – erraten – Business(!)kunden-Supports! 30 lange Minuten. Es kam, was kommen musste: Man sei nicht zuständig, ich müsse mich an die Privatkunden-Hotline usw… Ich gebe zu, dass ich dann etwas lauter wurde. Und das gefiel dem Mitarbeiter nicht. Er beendete das Telefonat. Also rief ich wieder beim Privatkunden-Support an…

13 Minuten Wartezeit… Der Mann war freundlich, aber bestimmt. Ja, das sei zwar tatsächlich ein Privatkunden-Vertrag (warum auch immer), aber Domains seien nun einmal Business-Sache. Da habe der Kollege geirrt. Als ich mühsam beherrscht mit verbalen Entgleisungen besonderer Art drohte, sagte mir der – an und für sich recht nette – Mitarbeiter, dass ich mir keine Sorgen wegen der eMails machen solle, die Kündigungen seien im System eingetragen und würden im Jänner durchgeführt. Also: Keine Verlängerung der Domains. Ich war beruhigt.

Bis am 5. Februar eine Rechnung auf meinem Schreibtisch landete – für eine der nachweislich gekündigten Domains… Ich kann nicht behaupten, dass ich bester Laune war, als ich 35 Minuten lang auf eine Verbindung mit einem Mitarbeiter der Business-Hotline wartete. Diesmal war eine Dame dran. Ich würde sagen: kühles Norddeutschland.

Nein, da könne sie nichts für mich tun. Es täte ihr leid, sie würde meinen Ärger verstehen, aber ich müsse mich an die Privatkunden-Hotline… Nein, Domains seien nicht zwingend Business-Sache, da habe mir der Kollege Unsinn erzählt. Sie würde mich jetzt verbinden. 14 Minuten Wartezeit…

Am Apparat – ein Engel! Nette Stimme, fröhlich, kompetent. Ja, sagte der Engel, zum Thema Domains gebe es keine klaren Zuständigkeiten, sie könne das auch nicht verstehen. Aber das sei ihr egal, sie würde mein Problem jetzt lösen. Ich solle kurz dran bleiben. Und nein, sie würde mich jetzt ganz sicher nicht weiterverbinden. Versprochen! Sie würde nicht eher ruhen, bis mein Problem gelöst sei. Ich war verliebt! In das Lachen des Engels, die Fröhlichkeit, mit der da jemand seinen schwierigen und schlecht bezahlten Job machte, in die pragmatische Herangehensweise und die Kompetenz.

Und tatsächlich – Minuten später teilte sie mir mit, dass ein Kollege nun alles bereinigen würde: Kündigung, Gutschrift – das ganze Programm. Ich könne die ganze Sache getrost vergessen, es würde alles zu meiner Zufriedenheit gelöst. Ich fragte sie nach ihrem Namen. Nein, Date hatte ich nicht im Sinn. Aber ihrem Teamleiter eine eMail schreiben. Der Inhalt: So muss Hotline! Es gibt noch Hoffnung. Danke!

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