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Samstag, 20. April 2024

Schrebergarten oder doch mehr?

Telekom | Dominik Schebach | 23.02.2020 | |  
Dieser Kommentar ist entstanden, nachdem Huawei seinen Alleingang in Sachen Betriebssystem angekündigt hatte. Ich will mich hier jetzt nicht darüber äußern, wie unfair die Vorgehensweise der USA ist. Mein Blick richtet sich auf die Android-Welt. Deren großer Vorteil ist es, dass ein Benutzer auf den Smartphones verschiedener Hersteller im Endeffekt immer dieselben Funktionen und Apps nutzen kann. Nachdem Huawei keine Lizenzen mehr für die Google-Dienste bekommt, wird die nächste Smartphone-Generation dieses Herstellers allerdings mit einem eigenen Ökosystem auf den Markt kommen.

Dieses Huawei Mobile System soll offen und frei sein – und den Endkunden all die Dienste von Mail bis Maps bieten, die sie auch unter Google-Android erhalten. Halt nur diesmal von Huawei, einschließlich eines eigenen Browsers, Huawei Cloud sowie einer eigenen Huawei ID. Gleichzeitig hofft Huawei, dass sich schnell genügend Entwickler finden, die ihre Anwendungen in die neue Umgebung portieren. Wenn man sich die vom Hersteller veröffentlichte Liste ansieht, so sind da auch schon einige an Bord. Wer allerdings bei der Vorstellung gefehlt hat, dass waren einige der großen Fische, wie WhatsApp, Facebook, Instagram usw. Der Konzern hat dafür allerdings schon Abhilfe für März angekündigt.

Huawei hat bei seiner Strategie kaum eine Alternative. Der Absatz an Huawei-Smartphones ist im Q4/2019 im Vergleich zum Q4/2018 laut den internationalen Marktforschern IDC und Canalys um 7% auf 56 Millionen Stück gefallen – weil eben der Handelskonflikt mit den USA neue Hardware-Modelle des Konzerns von den Google-Services ausgesperrt hat. Die vergangenen Monate hatte das Unternehmen noch mit Updates und Varianten von bereits bestehenden Smartphones wie dem P30 übertaucht. Spätestens mit dem Launch der nächsten Smartphone-Generation im Frühjahr können die Huawei-Smartphones aber nicht mehr mithalten. Will Huawei also wieder international zulegen, so muss ein Ersatz für diese Google-Apps und den Play Store für die nächste Smartphone-Generation her.

Problematisch wird das aus meiner Sicht aus mehreren Gründen. Das beginnt damit, dass man den Kunden erklären muss, dass sie ihre Google-Services nicht mehr auf dem neuen Smartphone benutzen können, und endet damit, dass man dem Gegenüber auf der anderen Seite des Verkaufspults vielleicht beruhigen muss, wenn dessen individuelle Playlist nicht mehr nutzbar ist, weil der ganz bestimmte Lieblings-Streaming-Dienst seine App noch nicht auf das Huawei-Ökosystem angepasst hat und man die In-App-Käufe nicht in die neue Welt mitnehmen kann. Das sind allerdings Probleme, die Huawei mit genügend Geld für die Entwickler sicher in den Griff bekommen wird. – Im ersten Schritt.

Denn für die Entwickler bedeutet das zusätzliche Ökosystem zusätzlichen Aufwand – und das nicht einmal, sondern laufend. Wenn sich das Android-Betriebssystem weiterentwickelt, dann müssen sie ihre Anwendungen im schlimmsten Fall nicht nur für ein System anpassen, sondern für zwei – wovon das Huawei-Ökosystem derzeit einen Marktanteil von rund 15% des Gesamtmarktes ausmacht.

Damit steht die Möglichkeit im Raum, dass die Android-Welt mittelfristig in ein Google- und ein Huawei-Lager zerbricht, die nicht mehr miteinander kompatibel sind. Damit einher ginge der Verlust des großen Vorteils von Android – egal welches Android-Endgerät der Benutzer in Verwendung hat, er hat immer Zugriff auf seine gewohnten Anwendungen, WhatsApp-Kontakte, E-Mail und verschlüsselten Business-Apps. Die Huawei Gallery läuft zudem Gefahr, dass nach einem ersten erfolgreichen Push diese wieder zurücksinkt und in Europa und den USA den Charakter eines verschrobenen Schrebergartens annimmt, der nicht mehr gepflegt wird. – Und da ist noch nicht einmal die Möglichkeit einiger versteckten bzw offensichtlichen Fouls der US-Administration berücksichtigt. So denkt die US-Regierung derzeit öffentlich darüber nach, Huawei in Zukunft den Zugang zu Smartphone-Chips zu erschweren.

Es ist deswegen auch gut möglich, dass die Entwickler der wichtigsten Apps nicht sofort nachziehen, sondern stattdessen einmal abwarten, ob das Ökosystem überhaupt abhebt. Wozu investieren, wenn Huawei in ein paar Monaten so oder so wieder die Flagge streicht und unter den Schirm der Google-Lizenz zurückkehrt? Der Konzern aus Fernost hat zwar schon klargestellt, das werde nie der Fall sein, aber die Entwickler müssen erst einmal überzeugt werden, womit dieses Abwarten sehr schnell zur selbsterfüllenden Prophezeiung wird.

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