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Donnerstag, 28. März 2024
Thomas Pöcheim im E&W-Interview - Teil I

„Der Tisch ist für alle gedeckt“

Die Branche | Stefanie Bruckbauer | 09.04.2020 | |  Menschen
Für die E&W April-Ausgabe sprachen wir mit Thomas Pöcheim, der bis vor kurzem als CCO und GF an der Spitze von MediaMarktSaturn Österreich agierte. Für die E&W April-Ausgabe sprachen wir mit Thomas Pöcheim, der bis vor kurzem als CCO und GF an der Spitze von MediaMarktSaturn Österreich agierte. Als Kind wollte er Erfinder werden und Dinge schaffen, die anderen Menschen helfen oder sie zum Lächeln bringen, wie er sagt. Als junger Mann absolvierte er eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann bei der Elektro Bau Gesellschaft in Schärding. 1990 verschlug es ihn zum Marktführer im Elektrohandel, zu MediaSaturn, wo er zuletzt als CCO und Geschäftsführer auf Landesebene agierte: Thomas Pöcheim. Im E&W-Interview spricht der sympathische gebürtige Oberösterreicher über die Branche und MediaSaturn im Wandel, über Herausforderungen, Fehler und Chancen, über Menschen, die ihn geprägt haben, und über seine Pläne.

1990 ging Thomas Pöcheim zu MediaMarkt. Eine der besten Entscheidungen, die er in seinem Leben getroffen hat, wie der gebürtige Oberösterreicher rückblickend sagt. Technikaffin sei er schon immer gewesen. So habe er als Jugendlicher Fernseher und Radios auf dem Flohmarkt gekauft und zuhause zerlegt und umgebaut. „Man kann sagen, dass ich mein Hobby zum Beruf machen konnte“, sagt Thomas Pöcheim heute.

Als junger Mann absolvierte er eine Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann bei der Elektro Bau Gesellschaft in Schärding. „Dort erlangte ich mein Basiswissen, dort liegen die Wurzeln meiner Leidenschaft für die Branche“, so der heute 50-jährige, der von dieser Ausbildung extrem profitiert und lange gezehrt hat, wie er sagt. „Ich musste im Verkauf Elektriker beraten, ich fuhr mit Kollegen ausliefern. Damals war es normal in der Früh einen TV abzuholen und am Abend repariert zurückzubringen. Das geschah alles innerhalb eines Tages! Damals lernte ich, dass das Service der Schlüssel zum Erfolg im Elektrohandel ist. Und das ist bis heute so, davon bin ich fest überzeugt. Nicht die Produkte, nicht der Preis, sondern das Service ist ausschlaggebend. Wenn man seinen Kunden Lösungen anbietet, dann hat man als Elektrohändler auch heutzutage eine Chance. Egal wie groß oder klein die Händler sind: Der Tisch ist für alle gedeckt! Es kommt nur darauf an, wer der Klügere ist, zugreift und etwas daraus macht.“

E&W: Sie waren 29 Jahre bei MediaMarktSaturn. Was ist in Ihren Augen das Besondere an diesem Unternehmen?

Thomas Pöcheim: Ich kann nur aus meinen bisherigen Erfahrungen berichten, das Unternehmen verändert sich ja gerade stark. Das Besondere an MediaMarktSaturn war die Eigenverantwortung, die den Mitarbeitern zugestanden wurde. Die Geschäftsführer der Märkte führten ihren Laden als wäre es ihr eigener. So gesehen – wenn man jetzt mal von der mächtigen Marke im Hintergrund absieht (zwinkert) – war jeder einzelne MediaMarkt und Saturn mit seinem Geschäftsführer vergleichbar mit einem selbständigen Elektrohändler. Und ein guter Geschäftsführer ließ auch seine Angestellten ihre Abteilungen in Eigenregie managen. Das ging bis zum Lehrling, der beispielsweise die Zubehörwand verantwortete. Die Möglichkeit für jeden Einzelnen mitgestalten zu dürfen, als wäre es sein Geschäft – das war das Erfolgsrezept von MediaSaturn.

E&W: Und wie ist es jetzt?

Thomas Pöcheim: Das Unternehmen steckt mitten in der Transformation zu einem börsennotierten Konzern. Der Grund ist das veränderte Kundenverhalten. Der Kunde beginnt seine Customer Journey heutzutage im Internet und er erwartet im Onlineshop eines Unternehmens die gleichen Produkte und Preise wie in den dazugehörigen Geschäften. Der Kunde unterscheidet nicht zwischen mediamarkt.at und dem Markt vor Ort, auch wenn das aus Sicht (und Gewohnheit) des Geschäftsführers und der Mitarbeiter in den Märkten zwei getrennte Unternehmen sind. Und genau das wird aktuell geändert. Als Unternehmen muss man Online wie Offline einheitlich nach außen auftreten, anders würde es der Kunde nicht verstehen.

Die Umstrukturierungen sind teils massiv.  Vieles wird künftig zentraler gestaltet. So wird es für alle Länder ein einheitliches Category Management geben. Das Ziel ist, dieses als Teil der Vertriebsorganisation mit vollem Fokus auf den Kunden auszurichten.

Die große Herausforderung für MediaSaturn besteht darin, herauszufiltern was geändert werden und was bleiben muss. Die Konzepte, die ich kenne, gehen meiner Meinung nach in die richtige Richtung, auch wenn das Unternehmen dadurch ein ganz anderes wird, als es früher war. Denn Stillstand ist tödlich. Man kann als Unternehmen nicht jahrzehntelang am gleichen Vorgehen festhalten, schon gar nicht in unserer Branche – selbst, wenn es bedeutet, einige liebgewonnene Dinge abzustellen.

Für die Geschäftsführer der Saturn- und MediaMärkte bedeutet das ua, dass sie das Sortiment nicht mehr selbst bestimmen. Sie müssen sich darauf verlassen, dass Auswahl und Bestückung bestmöglich von der Zentrale aus gesteuert werden, und können sich derweilen mehr auf die Kunden fokussieren.

E&W: Auf den Punkt gebracht: Wo geht die Reise für MediaSaturn hin?

Thomas Pöcheim: Weg von der Einkaufsmaschinerie – das übernimmt das zentrale Category Management – und hin zur Vertriebsmaschinerie mit vollem Fokus auf den Kunden. Die Geschäftsführer in den Märkten vor Ort übernehmen quasi die Rolle des „CCO“, des „Chief Customer Officer“, also die Nr. 1, die den Hut trägt, und sich darum kümmert, dass sich alles und jeder Mitarbeiter um den Kunden und seine Zufriedenheit kümmert. Das Ziel ist den Kunden glücklich zu machen, ihn zu überraschen, einen WOW-Effekt zu erzeugen – und das beginnt mit einem einfachen Lächeln. Wenn man es schafft jeden einzelnen Kunden zu begrüßen, ist das schon ein großer Mehrwert, den man nicht unterschätzen darf.  Ich glaube, dass dieser Weg riesen Chancen für MediaSaturn birgt. Weil die Kundenorientierung auf ein neues Level gehoben werden kann.

E&W: MediaSaturn im Wandel der Zeit – Wie blicken Sie zurück auf die Ära Gerhard Sandler?

Auf Grund der corona-bedingten Ausgangsbeschränkungen führten wir das Interview mit Thomas Pöcheim via Skype durch.

Thomas Pöcheim: Man sagt „alles zu seiner Zeit“ und so war es. Damals hat alles gut zusammengepasst. Gerhard Sandler hat vieles aufgebaut, er hatte die totale Klarheit und einen einfachen Blick auf die Dinge. Egal wie kompliziert die Probleme im eigenen Kopf waren, nach einem Gespräch mit Gerhard Sandler war alles plötzlich so offensichtlich und leicht. Und man dachte sich, dass man selbst auch draufkommen hätte können.

Gerhard Sandler lebte dieses Unternehmertum. Er gab Verantwortungen weiter, um die Leute zu entwickeln. Natürlich konnte er auch auf den Tisch hauen. Aber man wusste immer woran man bei ihm war. Hie und da hat es auch einmal gescheppert, aber dann war es vorbei – Sache geklärt, weiter geht‘s. Gerhard Sandler prägte das Unternehmen mit seiner Art.

Nachdem Gerhard Sandler nach Deutschland ging, wurde Frank Kretzschmar Österreich-Chef. Auch ihm war das Unternehmertum und die Eigenständigkeit der Leute sehr wichtig. 2014 übernahm Ditmar Krusenbaum das Ruder in Österreich. Das war zu einer Zeit, als der Veränderungsprozess im Unternehmen begann und sich Konzernstrukturen breit machten. 2017 erfolgte der Börsengang und ab diesem Zeitpunkt funktionierte alles ganz anders, als in einem eigentümergeführten Unternehmen. Und das gilt es bis heute zu managen.

Die Prämisse lautet, wie bereits erwähnt, dass das Headquarter so viel wie möglich von den Märkten fernhält, damit die sich auf den Kunden konzentrieren können. Kritisch betrachtet muss das Unternehmen allerdings aufpassen, dass es sich nicht zu sehr mit sich selber beschäftigt und den Kunden dabei aus den Augen verliert. Mit diesem Problem haben viele Konzerne zu kämpfen, aber MediaSaturn aktuell besonders.

E&W: Wie meinen Sie das?

Thomas Pöcheim: Weg von der Dezentralität, der „heiligen Kuh“, ist natürlich ein gewaltiger Transformationsprozess, der ein Unternehmen intensiv beschäftigt. Es wird (vor allem unter den Geschäftsführern) viel darüber diskutiert was nicht funktioniert und das ist vergeudete Zeit. Es wäre viel sinnvoller die Zeit zu nutzen, um zu überlegen, was man selbst dazu beitragen kann damit es funktioniert, Ideen zu entwickeln, wie man den Kunden glücklich und zufrieden machen kann.

Oft scheitert es schon an den Basics, an einer 3-er Steckdose oder einem HDMI-Kabel, die man dem Kunden zu seinem TV dazu verkaufen sollte, damit er zuhause dann eben nicht sauer ist, weil ihm das fehlt. An solchen Standards gehört gearbeitet, anstatt über Dinge zu diskutieren, die ohnehin geschehen und nicht mehr änderbar sind. Es geht um den Kunden – mehr denn je!

E&W: Haben Sie das Gefühl, dass die Mitarbeiter bei MediaSaturn das schon verinnerlicht haben? Speziell die Verkäufer stehen ja immer wieder in der Kritik nicht gut zu sein …

Thomas Pöcheim: Es ist Aufgabe der Geschäftsführer, großen Wert auf guten, qualifizierten Verkauf zu legen und dies auch von früh bis spät vor ihren Abteilungsleitern zu predigen. Diese sollten es idealerweise an die Verkäufer weitertragen. Aber es sind halt auch „nur“ Menschen und davon gibt es solche und solche. Es hängt alles von einer guten Führung in den Märkten ab – das war früher so, gilt heute und auch in Zukunft. Das hat nichts mit der Zentralisierung zu tun.

Wir wissen alle wie schwierig es ist gute Leute im Verkauf zu finden. Doch vielleicht ändert sich das jetzt mit Corona? Das wäre ein positiver Aspekt an diesem Virus (zwinkert). Plötzlich erfahren Verkäufer eine noch nie dagewesene Wertschätzung. Ein Job im Verkauf ist in den Augen der Bevölkerung plötzlich gut und wertvoll und ich hoffe, dass das auch nach der Corona-Krise anhält. Der Verkauf ist meines Erachtens leider falsch und viel zu negativ beleuchtet. Dabei bietet dieser Beruf so viele Chancen, wie man auch sehr gut an meinem Beispiel sehen kann.

E&W: Man liest im Zusammenhang mit der Transformation von MediaSaturn immer wieder von Flächenreduktion und Straffungen der Sortimente. Verliert Media-Saturn damit nicht seinen USP?

Thomas Pöcheim: Wenn man es genau nimmt, hat MediaSaturn seinen USP zum Teil schon verloren. Weil: Fläche ist zwar vorhanden, aber die Auswahl ist nicht mehr die größte. Die größte Auswahl hat das Smartphone in der Hosentasche.

Wir sind an einem Punkt, an dem sich der Elektrofachhandel, also auch MediaSaturn, verändern MUSS. Die Verzahnung von Off- und Online ist meines Erachtens der Schlüssel, also ein stationärer Laden mit einem Onlineshop als „verlängertes digitales“ Regal, das von den Verkäufern auch als solches akzeptiert und genutzt wird. Wenn man dieses sogenannte Multichanneling kombiniert mit den Menschen vor Ort am POS, die ein gutes Service liefern und den Kunden – wie vorhin besprochen – glücklich machen, dann braucht man keine großen Flächen mehr. Im Gegenteil, die Fläche muss reduziert werden, denn die kostet ein Heidengeld. Geld, das nicht mehr vorhanden ist, weil es kaum mehr Spannen und Erträge auf die Geräte gibt. Vor 20 Jahren war das noch anders, aber heute? Heute ist die Branche enorm unter Druck. Und es wird auf Dauer nicht mehr funktionieren nur auf Ware zu setzen, egal wie viel Masse man dabei bewegt.

„Größte Auswahl, kleinster Preis und Top-Marken“ – das waren jahrelang die drei Säulen von MediaMarkt. Heutzutage sollten die ersten zwei Säulen allerdings ersetzt werden durch „richtige Auswahl zum richtigen Preis“. Nur, welcher ist der „richtige“ Preis? Für MediaSaturn bedeutet das, im Onlineshop und in den Geschäften „den selben“ Preis anzubieten. Und dieser muss sich dann auch noch mit dem Mitbewerb messen können. MediaSaturn hat viel in Service, Digitalisierung und künstliche Intelligenz investiert und ist hier meiner Meinung nach mittlerweile gut aufgestellt.

Die „richtige Auswahl“ zu treffen ist heute eine Angelegenheit (und die große Herausforderung) für das zentrale Category Management. Dieses muss dafür sorgen, dass es in den Märkten die Top-Seller gibt, und dass alle Preislagen abgedeckt werden – vom 9,90 bis zum 100 Euro Toaster, sodass sich jeder Kunde zurechtfindet. Alles andere wird als Ergänzung online im „verlängerten Regal“ angeboten. Im Onlineshop kann man den Kunden dann mit einem enormen Sortiment erschlagen.

E&W: MediaSaturn wurde immer wieder vorgeworfen seine Marktmacht auszunutzen und ua. die Industrie unter Druck zu setzen. Was sagen Sie dazu?

Thomas Pöcheim: Wir haben uns natürlich beschwert. Beispielweise wenn ein anderer Händler ein Produkt vor uns hatte und wir das auch verkaufen wollten. Aber so etwas liegt doch in der Natur der Sache des Handels und hat jetzt nichts konkret mit MediaSaturn zu tun. In meinen Augen handelt es sich hier um Engagement. Um Herzblut, mit dem man bei der Sache ist, und um den Versuch, das Beste für sich und sein Unternehmen rauszuholen.

E&W: Und was steckt hinter angeblichen WKZ-Forderungen, die bei Nicht-Erfüllung zur Folge hatten, dass Produkte nach hinten gereiht oder überhaupt aus dem Sortiment geschmissen wurden?

Thomas Pöcheim: Solche Dinge sind in der Vergangenheit leider tatsächlich passiert. Aber nicht nur bei uns, sondern auch bei anderen Händlern. Ich bin überzeugt, dass ein Vorgehen dieser Art extrem kurzfristig gedacht und überhaupt nicht im Sinne des Kunden ist. Dem Kunden ist nämlich egal, ob für das Produkt, das er möchte, ein WKZ bezahlt wurde oder nicht. Der straft einen Händler viel eher ab, wenn dieser nur nach WKZ einkauft!

Vor fünfzehn Jahren, als der Kunde praktisch noch abhängig war von einem Händler und dessen Meinung bzw. Sortiment, war so ein Handeln noch möglich. Aber heutzutage ist das für einen Händler tödlich. Denn die Kunden wissen genau welche Produkte es gibt und was sie kosten. Als Händler muss man sich heute bemühen, bei Produkttrends ganz vorne mitzumischen, damit man den Kunden in seinen Laden bekommt, denn das ist das höchste Gut. Und wenn ich den Kunden dann einmal im Geschäft habe, kann ich ihm zeigen, dass es bei mir mehr gibt als Online, nämlich Beratung, Service und vor allem Menschen, die Hilfe leisten; Menschen, mit denen gemeinsam das Einkaufen doch viel mehr Spaß macht, als alleine vor dem Computer.

 

Teil II des Interviews finden Sie HIER.

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