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Freitag, 19. April 2024
Analyse der Einkaufsgewohnheiten

„Österreicher zeigen deutlichen Aufholbedarf an Konsum“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 10.04.2020 | |  Unter der Lupe
Dr. Mag. Andrea Fronaschütz, Geschäftsführerin des Gallup Institutes. Dr. Mag. Andrea Fronaschütz, Geschäftsführerin des Gallup Institutes. Auch das Gallup Institut und das Institut für Handel und Marketing der Wirtschaftsuniversität Wien haben sich angesehen, wie die Corona-Krise die Einkaufsgewohnheiten der Österreicher verändert und ob das Online Shopping einen neuen Boom erfährt. Darüber hinaus wurde den Fragen nachgegangen, wie es mit dem Nachholbedarf aussieht und was die Österreicher mit dem Geld vorhaben, das sie jetzt nicht ausgeben.

Die jüngste Analyse des Gallup Instituts in Kooperation mit dem Institut für Handel und Marketing der Wirtschaftsuniversität Wien zeigt: Die Befragten zeigen nach drei Wochen Schließungen einen deutlichen Aufholbedarf an Konsum. Meinungsforscherin und Gallup – Geschäftsführerin Dr. Mag. Andrea Fronaschütz: „Die Österreicher erwarten die Öffnung des Handels, 57% geben derzeit weniger Geld aus als vor der Krise, und nur 11% davon haben vor, das nicht ausgegebene Geld zur Gänze aufs Sparbuch zu legen.“ Dies, obwohl das Verständnis für die Maßnahmen noch anhalte. Handelsforscher Prof. Dr. Peter Schnedlitz: „Die Menschen unterstützen grundsätzlich die Schließung von nicht lebensnotwendigen Geschäften (78%) und von Gastronomiebetrieben (88%).“

Bemerkenswert sei die Bereitschaft bei den älteren Generationen, das Versäumte nachzuholen, wie die Experten ausführen: „In der Altersgruppe der 61-70-Jährigen beabsichtigen 18% nicht verwendetes Geld zur Gänze auszugeben, in der Altersgruppe 71+ Jahre sind es sogar 22% (gegenüber dem Bevölkerungsschnitt von 12%). Die geringste Bereitschaft dazu, oder die größte Vorsicht, zeigt sich bei der Gruppe der 31-40-Jährigen mit 6%“, so Fronaschütz und: „Diese Gruppe schultert derzeit Kurzarbeit, Kündigungen, Zukunftssorgen, sie meistert den Alltag zwischen Homeoffice und e-learning der Kinder. Diese Menschen werden den Bedarf nachholen, wenn sie Vertrauen in Zukunft haben.“ Daher sei es nur konsequent, dass sie mit dem höchsten Anteil angeben, das Geld zur Gänze sparen zu wollen (18%) gegenüber dem Österreich-Schnitt (11%).

Auf die Frage, wo die Österreicher den größten Aufholbedarf haben, kamen die Institute zu folgenden Ergebnissen: „An erster Stelle stehen Reisen und Urlaub und auch bei diesen Angaben setzen sich wiederum die Senioren an die erste Stelle der Nennungen. Den vielzitierten rüstigen kaufkräftigen älteren Bevölkerungsschichten fehlt auch die Gastronomie (52%), das haben sie gemein mit der Generation ihrer Enkel (53%).“

In folgenden Produktgruppen werden die Befragten, laut Analyse, ihre Käufe nachholen: Kleidung und Schuhe (42%), Lebensmittel (40%), Blumen und Gartenartikel (34%), im Baumarkt (25%). Hamsterkäufe seien in nächster Zeit nicht zu erwarten. „Die Menschen haben Vertrauen in die Lieferfähigkeit der Händler. Eine Ausnahme bilden aufgestaute Einkaufswünsche in Bau- und Gartenmärkten. Dabei handelt es sich vor allem um Saisonware“, so Fronaschütz und Schnedlitz.

Gewinner Onlinehandel

71% der Befragten haben während der Coronakrise online eingekauft, davon 7% zum ersten Mal. „Dieses erste Mal hat überwiegend bei internationalen Plattformen stattgefunden“, wie das Gallup Institut und das Institut für Handel und Marketing der Wirtschaftsuniversität Wien feststellten.

Prof. Schnedlitz: „Der Onlinehandel legt insgesamt zu. (Anm.: scheinbar anders als in Deutschland, wie elektro.at berichtete) Der große Gewinner dabei ist einmal mehr Amazon. Heimische Anbieter bedienen höchstens Nischen.“ Nur in einigen Produktgruppen können die heimischen Online-Shops mehr Österreicher anziehen als die internationalen: Pflanzen und Gartenbedarf (52% vs. 32%), Lebensmittel (53% vs. 30%), Möbel (55% vs. 36%). In der stärksten online Kategorie Kleidung und Schuh hingegen punkten die internationalen Anbieter mit 70%. Fragt man die Österreicher, was sie motivieren könnte, in Zukunft häufiger bei österreichischen Online Shops zu kaufen, so steht die Gratis Lieferung ganz oben auf der Wunschliste mit 79%, gefolgt vom Angebot regionaler oder heimischer Produkte mit 61%.

Mehr Plankäufe und weniger Impulskäufe

Die Institute warfen auch einen Blick auf den Einkauf im Lebensmittelhandel und dort sieht es derzeit wie folgt aus: „Es gibt insgesamt eine Renaissance des Einkaufszettels. Das bedeutet kürzere Verweildauer und geringere Einkaufsfrequenz. Mit anderen Worten: es finden mehr Plankäufe und weniger Impulskäufe statt“, so Prof. Schnedlitz:

Interessant ist auch: 44% der Befragten finden es übrigens nicht richtig, dass der LEH Produkte wie Textilien, Spielwaren und andere Non-food Produkte verkaufen darf, während der Fachhandel geschlossen halten muss. Strenge Hygienevorschriften im Geschäft (63%), Warenverfügbarkeit, der Umgang der Händler mit ihren Mitarbeitern (jeweils 41%) sowie die Regionalität der Produkte (40%) sind den Österreichern in der Coronakrise wichtiger als zuvor. 

Bargeldlos im Vormarsch, Bargeld in der Krise

Die Umfrage zeigt darüber hinaus: auch das Bezahlverhalten hat sich geändert. Kontaktloses Bezahlen erlebt seit dem 16. März einen regelrechten Schub. Die Befragten geben an, diese Bezahlform nun deutlich häufiger anzuwenden: 43% mit der Bankomatkarte, 28% mit der Kreditkarte, Kartenzahlung mit Codeeingabe verwenden 33% häufiger als früher. 41% der Österreicher befürchten die Ansteckungsgefahr über Bargeld. Ein gutes Drittel (35%) gibt an, nach der Krise weiterhin die Einkäufe weniger oft mit Bargeld begleichen zu wollen. Fronaschütz: „Bemerkenswert ist in diesem Zusammenhang der hohe Anteil in den älteren Altersgruppen, die nicht im vollen Umfang zur Barzahlung zurückkehren wollen, also eine digitale Veränderung annehmen. Sie äußern auch am deutlichsten den Wunsch nach Beibehaltung des erhöhten 50 Euro Limits für kontaktloses Bezahlen.“

Wird die Krise Spuren im Einkaufsverhalten hinterlassen?

Fronaschütz dazu: „Die Bedeutung regionaler Produkte und heimischer Unternehmen wird sich auf einem höheren Niveau als vor der Krise einpendeln. Bei anderen Aspekten, wie den derzeit verkürzten Öffnungszeiten, ist das weniger zu erwarten.“ 67% geben an, auch nach der Krise mehr regionale Produkte und 63% gaben an, bei heimischen Unternehmen kaufen zu wollen. 42% Prozent geben an, das Einkauferlebnis in Einkaufsstraßen und Shoppingcentern mehr zu schätzen und zu genießen als vor der Coronakrise. Zusammenfassend Prof. Schnedlitz: „Der Handel ist stets Marktplatz (Ort des Einkaufens) und Dorfplatz (Ort der menschlichen Begegnung) zugleich. Einmal mehr zeigt sich in diesen von COVID 19 geprägten Wochen: fällt eines von beiden aus, fehlt etwas.“

Übrigens: Auch die WKÖ Bundessparte Handel hat eine Befragung unter Österreichern durchgeführt, um herauszufinden, wofür das Geld nach der Krise ausgegeben werden soll. Den Beitrag finden Sie HIER.

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