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Donnerstag, 28. März 2024
„Für ALLE EPU/KMU“

Sammelklage: COBIN claims startet Aktion gegen die Republik

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 14.04.2020 | |  Wissen
Im Zuge der Covid-19-Anlassgesetzgebung wurden von der Regierung Teile des Epidemiegesetzes abgeändert. Ein Umstand, der COBIN claims gar nicht schmeckt. Die Sammelklage-Plattform startete aus diesem Grund mehrere Aktionen für EPU und KMU, bei denen es ua. um Entschädigungen für Geschäfts-Schließungen, Hilfe bei Mietzins-Minderung und störrische Betriebsunterbrechungs-Versicherer geht.

„Jetzt beginnt die Zeit, in der es sozusagen um die rechtlichen ,Aufräumarbeiten‘ nach dem Ausbruch der Krise geht“, sagen der Obmann der gemeinnützigen Plattform für Sammelklagen COBIN claims, Mag. Oliver Jaindl und Vereins-Vorstand Dr. Manfred Biegler. Ab sofort bietet der Verein an:

Aktion 1: „Entschädigung von der Republik für ALLE von Schließungen betroffenen Unternehmen/Gewerbetreibenden wegen Umgehung des Epidemiegesetzes.“

Im Zuge der Covid-19-Anlassgesetzgebung habe die Regierung kurzerhand Teile des Epidemiegesetzes umgangen, wie die Betreiber von COBIN claims kritisieren. Die Folge sei, dass die Gastronomie, weite Teile des Handels und viele anderen Gewerbetreibenden, die Kunden in Räumlichkeiten empfangen, um Ersatzbeträge „umfallen“, die sie nach der ursprünglichen Rechtslage gehabt hätten. „Statt Direkt-Ersatz aller Schäden, so wie es das Epidemiegesetz vorgesehen hat, gibt es jetzt Trostpflaster-Zahlungen und Kredit-Garantien. Das ist finanziell ein Riesen-Unterschied! Es sind bereits Vorläufer-Verfahren am Weg zum Verfassungsgerichtshof. Wir schließen nicht aus, dass wir eigene Verfahren auf den Weg bringen, wollen aber auch einen, Fleckerlteppich‘ aus Verfahren mit gleichem Inhalt vermeiden“, sagt Jaindl.

COBIN claims hat für Betroffene einen „konkreten Fahrplan für Ersatz bei Schließungen“ entwickelt, bis das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofs vorliegt:

  • „Viele Geschäfte dürfen ab heute, Dienstag, wieder öffnen. Das bedeutet, dass nach dem Epidemiegesetz für diese Geschäftsleute ab heute die Antragsfrist für Entschädigungen zu laufen beginnt! Die Frist beträgt nur sechs Wochen ab der Wiederöffnung der Geschäftsräume!“
  • „Die Anträge sind bei Bezirkshauptmannschaft bzw. Magistrat einzubringen.“
  • Der am Projekt mitarbeitende Rechtsanwalt Dr. Johannes Neumayer: „Einzureichen sind die Schäden, die sozusagen unterm Strich übrigbleiben. Betroffene trifft daher die Obliegenheit, etwa Mietzinsminderungen vorzunehmen oder auch bei aufgelegten Fonds Zuwendungen zu beantragen. Was dann noch als Schaden übrigbleibt, ist der Schaden, der der Bezirksverwaltungsbehörde gemeldet werden muss.“

COBIN claims legt für betroffene Unternehmer ein Formular-Muster auf, das für den Antrag bei der Bezirksverwaltungsbehörde herangezogen werden kann, wie die Experten sagen. „Wir müssen Schritt für Schritt um diesen umfassenden Ersatz für die heimischen Kleinunternehmer kämpfen. Die Behörden werden nach dem Antrag natürlich die Entschädigungszahlungen ablehnen. Damit rechnen wir. Wichtig ist aber, dass der Antrag fristgerecht gestellt wird und die Ablehnung festgestellt wird, um in einem möglichen ,Haupt-Verfahren‘ sozusagen weiter als Geschädigter auftreten zu können“, erklären Jaindl und Neumayer.

„COBIN claims sammelt daher Betroffene und plant, für alle eine Aktion gegen die Republik durchzuführen“, erklärt Jaindl. „Von entscheidender Bedeutung für Betroffene ist aber – nach der fristgerechten (sechs Wochen ab Wiedereröffnung) Meldung an die Behörden – die Verfassungsgerichtshof-Erkenntnis. Für den Fall, dass das Höchstgericht erkennt, dass alle oder gewisse Gewerbetreibenden und Unternehmen nach dem Epidemiegesetz entschädigt werden müssen, planen wir, eine gesammelte Rechtsdurchsetzung für die heimischen Kleinunternehmer auf den Weg zu bringen. Das kann von der Vorlage der Ansprüche aller an unserer Aktion teilnehmenden EPU/KMU an die Finanzprokuratur bis hin zu einer Sammelklage-Aktion gehen. Wir fordern einen umfassenden Verjährungsverzicht der Republik, bis die Sache endgültig geklärt ist!“, sagen Jaindl und Rechtsanwalt Neumayer: „Wir hoffen, dass mit der Republik rasch und unbürokratisch eine Lösung für alle Betroffene zu finden ist und wir uns jahrelange Rechtsstreitigkeiten aufgefächert auf unzählige Einzel-Verfahren ersparen können!“

Zwar gibt es viele Hilfspakete für Unternehmen oder Staats-Bürgschaften, das Epidemiegesetzes sieht hingegen einen direkten Ersatz für Einnahmenausfälle vor. Das mache bezüglich der Höhe der Entschädigung von betroffenen Gewerbetreibenden und Unternehmen einen großen Unterschied aus: „Es kann doch nicht sein, dass Kleinunternehmen mit einem ,Trost-Tausender‘ oder Garantien für Kredite abgespeist werden, die sie vielleicht verbreitet gar nicht bekommen bzw. langwierig zurückzahlen müssen, statt nach der ursprünglichen Rechtslage umfassenden Ersatz zu bekommen. In der Finanzkrise 2008 gab man den Banken großzügige Hilfspakete, um die Wirtschaft am Laufen zu halten. Daher gebühren diese Hilfspakete jetzt in einer realwirtschaftlichen Krise vorrangig den KMU und EPU, denn Sie sind das Rückgrat der Realwirtschaft!“, so Jaindl und: „Wenn sich die Staaten schon verschulden und die Pforten der Nationalbanken öffnen, dann muss dieses Geld auch dort hingelangen, wo die Krise den meisten Schaden anrichtet. Und das sind nicht nur die großen Leit-Unternehmen, sondern vor allem viele kleinere Betriebe. Das sichert Unternehmen und somit Arbeitsplätze und den Konsum, der schon 2008/2009 ein Abgleiten einer Rezession in eine wirtschaftliche Depression verhindert hat.“

Wie COBIN claims sagt, können sich betroffene Selbstständige, EPU und KMU ab sofort via Internet auf www.cobinclaims.at (Direkt-Link: http://www.covidclaims.at/) für ein etwaiges Sammelverfahren gegen die Republik mit Ziel einer adäquaten Ausgleichszahlung für die Geschäfts-Sperren anschließen. Die Registrierung sei „kostenlos und unverbindlich“.

Aktion 2:Mietzinsreduktionen für Gewerbetreibende, deren Geschäfte schließen mussten.“

Ein weiteres wichtiges Thema für Gewerbetreibende seien Mietzinsreduktionen, wie COBIN claims sagt, weil deren Geschäfte schließen mussten oder noch geschlossen sind. „Diese stehen den Betroffenen zu! Während die Gewerbetreibenden ums wirtschaftliche Überleben ringen, versuchen viele Vermieter allerdings, Geschäftsleute auszupressen wie eine Zitrone“, sagt Jaindl: „Der Betreiber eines großen Gastronomiebetriebs aus dem siebten Wiener Gemeindebezirk etwa berichtete, dass er seit Wochen keinen Umsatz hat. Sämtliche Kellner sind dienstfrei gestellt, das Lokal geschlossen. Dennoch pocht der Vermieter – eine Immo-Firma mit Marken-Ähnlichkeit zu einer US-Investmentbank – darauf, dass der Gastronom seine Miete bezahlt“, so Jaindl.

„Mietzinsminderung: Keine profunde Auskunft und Hilfe ohne Vertrags-Prüfung“

COBIN claims hat für betroffene Mieter von Geschäftslokalen bzw. die Gastronomie ein Unternehmer-Maßnahmenpaket aufgelegt. Dies wird von den Rechtsanwälten Verein-Beiratsmitgliedern Dr. Ingrid Schwarzinger und Dr. Stephan Briem umgesetzt: „Grundsätzlich ist keine profunde Rechtsauskunft und somit Hilfestellung für Betroffene möglich, wenn der Mietvertrag nicht geprüft wird. Alles andere wäre fahrlässig“, sagen Briem und Schwarzinger. Folglich biete die Plattform gemeinsam mit den beiden Beiratsmitgliedern als Hilfestellung vergünstige Vertragsprüfungen an. „Ziel ist, dass das betroffene Unternehmen bzw. der oder die Betroffene genau weiß, welche Rechte als Mieter bestehen und wie hoch die Minderung des Mietzinses ist“, so Briem und Schwarzinger. Sollte ein Schreiben vom Anwalt bei Vermietern keinen Eindruck hinterlassen, sei über die Plattform auch noch ein gerichtliches oder außergerichtliches Durchfechten des Streits möglich. „Wir wollen für Betroffene aus ganz Österreich Lösungen mit Ecken und Kanten anbieten, mit denen die Unternehmer etwas anfangen können. Von allgemeinen Erläuterungen und ausschweifenden Info-Seiten im Netz hat kein Unternehmer etwas. Die Betroffenen brauchen vielmehr eine belastbare Auskunft vom Profi auf ihren Einzelfall bezogen, und jemanden, der an ihrer Seite kämpft“, betont Jaindl.

Aktion 3: „Beinharte Groß-Konzerne, Krisen-Trittbrettfahrer: Auch Vermieter unter Druck – Hilfe für private Vermieter, Anleger-Gemeinschaften“

Allerdings seien laut COBIN claims nicht nur bei Mietern, sondern auch bei privaten Vermietern Probleme erkennbar, vor allem, wenn der private Vermieter von Geschäftslokalen einen Großkonzern oder eine Kette als Mieter hat, die nun mit der Rechtsabteilung oder Anwälten im Gepäck von Mietzinsreduktionen Gebrauch machen wollen: „Ein Fall um einen deutschen börsenotierten Sportartikel-Großkonzern ist bereits bekannt geworden – der finanzstarke Konzern wollte privaten Vermietern die Miete schuldig bleiben. So kann es natürlich auch nicht gehen, dass finanzstarke Konzerne Einbußen durch die Krise plötzlich auf einfache Privatleute verlagern, die etwa im geerbten Familienhaus ein Geschäft vermieten und auf die Einnahmen angewiesen sind; wie auch auf Kleinanleger, die im Rahmen eines Immo-KG-Modells sozusagen für den Erwerb einer Immobilie ,zusammengelegt‘ haben“, sagt Jaindl: „Weiters wurde uns ein Fall bekannt, in dem etwa in der Wiener Innenstadt ein Apotheker, bei dem die Leute Schlange stehen, seinem privaten Vermieter eine Mietzinsreduktion in Aussicht stellte, weil sinngemäß ,ja Corona-Krise sei und man das halt dürfe‘. So ist es natürlich nicht, denn die Mietzinsminderung steht nur dann zu, wenn das Geschäft schließen musste. Derartiges ,Krisen-Trittbrettfahren’ muss man sofort unterbinden, weil es nicht nur unverschämt und unsolidarisch ist – derartiges ist nämlich auch nicht gesetzlich.“

Aktion 4: „Betriebsunterbrechungs-Versicherung verweigert Zahlungen“

Viele Betriebsunterbrechungs-Versicherungen verweigern laut COBIN claims die Zahlung unter Bestreitung, der Schadensfall wäre nicht eingetretenen. „Just im Notfall werden daher viele Betriebe im Stich gelassen“, sagt Rechtsanwalt Johannes Neumayer. „Gemäß den meisten Polizzen gilt als Schadenereignis die gänzliche oder teilweise Unterbrechung des versicherten Betriebes Infolge Maßnahmen oder Verfügungen einer Gesundheitsbehörde oder ihr als gleichgestellter Organe, die anlässlich einer Seuche oder Epidemie ergehen und die den Betrieb verantwortlich leitende Person betreffen.“

Wie COBIN claims nochmals betont, können sich Unternehmen an die Organisation wenden, um „hier rasch anwaltliche Hilfe in Anspruch nehmen zu können“.

Weitere Aktionen in Vorbereitung

„Im Schutzkreis von COBIN claims sind Konsumenten, Kleinanleger und Selbstständige, EPU und KMU“, sagt Jaindl, laut dem der Verein seit Beginn der Beschränkungen die Entwicklungen aus der Sicht der Betroffenen analysiert hat: „Wir werden weitere Aktionen starten. Fix ist, dass wir uns schon in Bälde auch den Problemen von Anlegern und Kreditnehmern widmen werden“, sagt Jaindl.

Über COBIN claims

COBIN claims beschreibt sich als „gemeinnützige Plattform für Sammelklagen und juristische Sammelaktionen“. Auf der Homepage steht: „COBIN claims wurde 2017 aus der Mitte der Zivilgesellschaft für die Zivilgesellschaft gegründet. Der Grundgedanke: Personen, die aufgrund ihrer beruflichen Karriere als Anwälte, Sachverständige oder als Journalisten die ‚schmutzigen Hinterhöfe‘ dieser Republik gesehen haben, bringen ihre Expertise zum Wohle der Allgemeinheit in ein Projekt ein. Denn zu oft haben die Gründer und Beiratsmitglieder des Vereins in ihrem beruflichen Werdegang gesehen, wie einfachen Bürgern, Kleinunternehmern oder Privatanlegern von Schädigern sprichwörtlich das Geld aus der Tasche gezogen wird – und rechtlich konnten sich die Betroffenen kaum wehren, weil bei Massen-Schäden oft die Rechtsdurchsetzung an Kosten-Hürden scheitert. Denn nur wenige riskieren etwa für ein paar Tausend Euro Schaden einen Prozess, dessen Kostenrisiko ein Vielfaches des Schadens ausmachen kann.

Dem Ideal folgend, dass der meist ohnmächtigen Masse Gehör geschenkt und ihr der Weg zur rechtlichen Durchsetzung ihrer Ansprüche bei Massen-Schäden geebnet wird, wurde COBIN claims im März 2017 gegründet. COBIN steht für COnsumers (Konsumenten) Business (Kleinunternehmer) und INvestors (Privatanleger).

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