Die Rechnung mit den Wirten
Dominik Schebach Am 28. Mai hat die Bundesregierung eine Lockerung der Maskenpflicht für den Handel bekannt gegeben. Mit 15. Juni soll diese nur noch in öffentlichen Verkehrsmitteln, Gesundheitseinrichtungen und bei einigen Dienstleistungen, bei denen sich die Abstandsregelung nicht einhalten lässt, Pflicht sein. Das Aufatmen vieler Menschen im Handel, ob dieser Ankündigung war in ganz Österreich hörbar. Doch wer jetzt meint, wir können schnell zum Alltag übergehen, macht die Rechnung ohne Wirt bzw Wirten.
Denn es sind derer zwei. Wirt eins ist klarerweise der Virus: Mit dem kann man nicht verhandeln. Wir können uns nur untereinander ausmachen, welches Maß an Schutzmaßnahmen wir in unserem täglichen Leben als notwendig akzeptieren, um die Verbreitung des Virus einzudämmen. Da kommt Wirt zwei ins Spiel: der Endkunde. Der übt sich zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses dieser Ausgabe – Anfang Juni – einer gewissen Kaufzurückhaltung. Viele Menschen in Österreich reduzieren noch immer ihre täglichen Kontakte auf das Notwendigste, weil sie sich weiterhin unsicher fühlen. Mag schon sein, dass dem Kunden die Kauflust bisher durch den beim Einkaufen unangenehm zu tragenden Mund-Nasen- Schutz genommen wird. Allerdings wird den Kunden auch die Kauflust genommen, weil die Maske nur ein Zeichen ist, dass eben nicht alles in Ordnung ist.
Das Ablegen der Maske löst damit nicht das Problem, es wird im schlimmsten Fall bloß verdrängt. Es wird schon nichts passieren, ist langfristig allerdings keine tragfähige Strategie. Es geht also weiterhin um die Frage, wie wir die zwei Ziele – Neustart des Handels und das Sicherheitsbedürfnis der Kunden – unter einen Hut bringen. Es läuft darauf hinaus, durch das richtige Maß an Schutzmaßnahmen dem Kunden zu signalisieren, dass man seine Bedenken ernst nimmt. Denn im Endeffekt werden die Entwicklung der Pandemie und die Reaktion der Kunden darauf entscheiden, welches Schutzlevel sich durchsetzen wird. Es ist auch ein Abwägen von Bequemlichkeit gegen Sicherheit, die den Ausschlag geben wird – die Bedürfnisse des Handels sind dem Kunden unter diesem Aspekt dagegen wurscht.
Das Ergebnis dieser Gleichung drückt sich dann darin aus, wo die Kunden ihr Geld ausgeben werden. Die Gefahr ist allerdings groß, dass diejenigen Konsumenten, die besonders vorsichtig sein wollen oder sich als besonders gefährdet sehen, für lange Zeit nicht mehr in die Geschäfte zurückkommen. Und im Gegensatz zu vielen Menschen, die ihren Unwillen über die Schutzmaßnahmen lautstark zum Ausdruck gebracht haben, steht diesen verunsicherten Kunden eine in ihren Augen attraktive Alternative offen. Denn der stationäre Handel tritt die hoffentlich nun beginnende Erholungsphase mit einem Handicap an – schließlich vermeidet im Online-Shop der Kunde überhaupt jede Ansteckungsgefahr. Nachdem viele Konsumenten während des Lockdowns notgedrungen das erste Mal im Netz eingekauft haben, ist das eine durchaus beunruhigende Vorstellung. Die Branche muss also noch genauer hinhören und sich noch mehr um ihre Kunden bemühen, wie Bundesgremialobmann Wolfgang Krejcik angemerkt hatte, um mit innovativen Angeboten alle Gruppen anzusprechen.
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