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Donnerstag, 18. April 2024
Kreditversicherer: Selbstverständnis und Sicht auf den Handel

„Unternehmerisches Handeln möglich machen“

Hintergrund | Dominik Schebach | 15.07.2020 | Bilder | |  
Ludwig Mertes, Vorstand des heimischen Marktführers ACREDIA: „Das Selbstverständnis von Acredia lautet „unternehmerisches Handeln möglich machen. Ludwig Mertes, Vorstand des heimischen Marktführers ACREDIA: „Das Selbstverständnis von Acredia lautet „unternehmerisches Handeln möglich machen." (© ACREDIA) Die Corona-Krise wirft auch ein Schlaglicht auf die Kreditversicherer. Diese kommen durch jetzige Pandemie unter Druck. Wie die Branche den Handel sieht, darüber sprachen wir mit Ludwig Mertes, Vorstand des heimischen Marktführers ACREDIA.

Vergangene Woche hat die Bundesregierung eine Lösung für die Kreditversicherer angekündigt und einen Schutzschirm für die Branche von 1Mrd Euro versprochen. Da allerdings die endgültige Lösung noch aussteht, hat der heimische Marktführer Acredia begonnen die Limits im Handel zu kürzen.

Herr Mertes, wie beurteilt Acredia die Situation im österreichischen Elektrofachhandel – einerseits im Licht der Corona-Krise und andererseits aber auch die allgemeine Entwicklung zwischen Online- und stationärem Handel?

Ludwig Mertes: Einzelhändler haben bereits seit mehreren Jahren großen Druck, ihre Geschäftsmodelle zu transformieren: Omni Channeling oder Bereitstellung eines nahtlosen Einkaufserlebnisses für Kunden, die Schaffung einer mobilen Customer Journey durch Digitalisierung des Angebots und die hohen Investitionskosten für diese Online-Präsenz waren und sind deshalb auch die Herausforderungen für den Elektrofachhandel. Zusätzlich braucht ein Einzelhändler noch einen langen finanziellen Atem, um die Preisschlachten in seinem Umfeld abfangen zu können. Schon vor Covid-19 konnten einige Einzelhändler auf den sich beschleunigenden Digitalisierungstrend nicht schnell genug aufspringen, mit den entsprechenden Konsequenzen. Die Pandemie-Situation verstärkte nun die Nachfrage im Onlinebereich gewaltig. Diejenigen, die schon digital aufgestellt waren oder sich schnell genug anpassen konnten, sind die Gewinner in der augenblicklichen Situation. Andere werden die Entscheidung treffen müssen, ob sie weitermachen wollen und können.

Wann die Kaufkraft der Menschen wieder auf dem Niveau vor der Krise sein wird, lässt sich derzeit noch nicht abschätzen. Durch Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit sind leider auch abnehmende Kaufkraft und Nachfrage zu erwarten.

Wenn man mit Lieferanten und Händlern über Kreditversicherer spricht, fallen Worte wie „überzogen risikoavers“. Was ist das Selbstverständnis eines Kreditversicherers?

Ludwig Mertes: Das Selbstverständnis von Acredia lautet „unternehmerisches Handeln möglich machen“. Damit das gelingt, vertrauen uns unsere Kunden die Risikoprüfung ihrer Geschäftspartner und deren laufenden Überwachung an. Die Bonitätseinschätzung von Unternehmen ist dabei – auch dank unseres internationalen Netzwerkes – unsere Kernkompetenz. Dadurch können Unternehmen die Risiken bei den gewährten Lieferantenkrediten besser managen. Sollte es trotzdem zu einer Insolvenz bei einem Abnehmer, für den wir eine Deckungszusage gemacht haben, kommen, entschädigt Acredia schnell und unkompliziert.

Natürlich bewerten wir Risikopositionen in einer derartigen Krisensituation wie wir sie aktuell durch die Pandemie erleben neu und müssen gegebenenfalls auch Maßnahmen zur Risikoverminderung setzen. Wir entscheiden dabei nach wirtschaftlichen Kriterien, die regelmäßig überprüft werden.

Man erhält in Gesprächen oft den Eindruck, dass die Bonitätskriterien beständig angezogen werden, und dass speziell die Belieferung des stationären Elektrofachhandels nicht mehr versicherbar sei. Nach welchen Kriterien bewertet Acredia das Lieferrisiko im Elektrofachhandel und werden diese Kriterien wirklich immer schärfer? Und warum wird Kreditversicherern wie Acredia bei Insolvenzen so oft den Schwarzen Peter zugeschoben?

Ludwig Mertes: Wir bewerten jedes Unternehmen anhand der Zahlen, die wir von diesem Unternehmen oder von öffentlichen Quellen bekommen. Jeder hat die Möglichkeit, ergänzende Informationen zu liefern. Wir haben dafür übrigens auf unserer Website eine eigene Selbstauskunfts-Seite eingerichtet. Hier können uns Unternehmen von sich aus Unternehmensinformationen übermitteln ( https://www.acredia.at/services/selbstauskunft. )

Durch unsere Bewertung dieser Informationen entsteht ein objektives Rating. An dieses Rating knüpft sich die Möglichkeit, Deckungen zu übernehmen oder nicht. Unternehmen mit soliden Ratings haben nach wie vor kein Problem, Versicherungsschutz zu bekommen. Umgekehrt gilt im Falle einer negativen Risikoprüfung, wenn ein Unternehmen also eine schlechte Bonität hat, dass wir hier auch keine Deckung zur Verfügung stellen.

Insolvenzauslöser ist nie ein Kreditversicherer! Oft sind es falsche bzw. zu späte Entscheidungen durch das Management die zur Zahlungsunfähigkeit führen. Beispielsweise waren bei knapp 80 Prozent der Insolvenzen in Österreich im Vorjahr betriebswirtschaftliche Fehlentscheidungen mitverantwortlich für die Insolvenz. Weitere Ursachen sind zu geringes Eigenkapital und mangelnde Wettbewerbsfähigkeit. (siehe Grafik)

Auf welche Rahmenbedingungen bezüglich der Kreditversicherer muss sich der Elektrofachhandel in Zukunft einstellen?

Ludwig Mertes: Wir haben keine Glaskugel und wissen deshalb heute nicht, wie sich der Elektrofachhandel grundsätzlich entwickeln wird. Entscheidend wird sein, Megatrends, wie bspw. die Digitalisierung aktiv mitzugestalten und ein nachhaltiges Unternehmenskonzept zu entwickeln. Wir möchten gerne nochmals hervorstreichen, dass es für finanziell solide aufgestellte Unternehmen jetzt und auch in Zukunft Versicherungsdeckungen geben wird.

Was bedeutet das für die Kreditversicherer, wenn eine Branche wie der stationäre Elektrofachhandel sich die Kreditversicherungen nicht mehr leisten kann? Schafft man sich da nicht selbst ab?

Ludwig Mertes: Die Kosten für eine Kreditversicherung liegen im Promille-Bereich des versicherten Außenstands pro Monat. Die Fragen, die ich mir als Händler stellen muss sind „Wie kreditwürdig sind meine Abnehmer und Geschäftspartner?“ und „Wie gut ist es um meine eigene Bonität bestellt?“ Dabei hilft eine Kreditversicherung und stellt so rechtzeitig sicher, im Falle von Zahlungsausfällen die eigene Liquidität stabil zu halten.

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Ursache von Unternehmensinsolvenzen
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