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Dienstag, 23. April 2024
Hintergrund-Kommentar E&W 10/2020

Luxusprobleme

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 11.10.2020 | Bilder | | 3  Meinung

Wolfgang Schalko
Das verrückte Jahr 2020 ist um eine bemerkenswerte Facette reicher: Wider anfänglichem Erwarten geht‘s dem heimischen Elektrohandel blendend und er könnte sogar noch besser da stehen, wenn die Industrie mit den Gerätelieferungen nachkäme. Den Blick auf andere Branchen gerichtet, betrachten viele die aktuelle Situation unserer Branche quasi als Luxusproblem – schließlich könnte ja alles viel schlimmer sein. Doch soll man das wirklich so stehen lassen?

Ich meine, nein. Zumindest nicht den Teil mit dem Luxus. Was dann noch bleibt, ist das Problem. Und nichts anderes ist der Ärger des Kunden, der eine gefühlte Ewigkeit auf sein Wunschgerät warten oder auf ein alternatives Produkt, das vielleicht nicht hundertprozentig seinen Vorstellungen entspricht, umsteigen muss. Oder der Frust des Händlers, der als Überbringer der – derzeit meist schlechten – Botschaften auch gleich als Punching Ball für seinen Kunden herhalten muss und seine momentane Zwickmühle mangels Alternativen erdulden muss. Aber auch die Erklärungsnot der Innen- und Außendienstmitarbeiter, die ihren zumeist langjährigen Partnern wieder und wieder die gerade aktuelle Lage möglichst plausibel darlegen müssen. Diese Aspekte sind als direkte Folgen der Lieferproblematik nicht wegzudiskutieren. Und um möglichen Einwänden vorzubeugen: Natürlich kann die Industrie dem Fachhandel (und gerade diesem) aufgrund seiner persönlichen und guten Beziehung zum Kunden sowie seiner Beratungskompetenz auch einen gewissen Beitrag zur Lösung des immer akuter werdenden Problems abverlangen. Der Fachhandel hat damit die Chance, seine Verlässlichkeit gegenüber seinen Lieferanten zu beweisen und seine Position innerhalb der Vertriebskanäle zu stärken. Im Sinne seiner zukunftsfähigen Partnerschaft sollte man sich jedoch davor hüten, diesen Bogen zu überspannen – sonst hat man plötzlich mehr als bloß ein „Luxusproblem”.

Leider ist die aktuelle Lieferproblematik ebenso akut wie schwierig zu lösen. Denn der augenscheinlichste Weg, die Produktion nach oben zu schrauben, ist nur auf den ersten Blick zielführend – schon deshalb, weil Produktionsstätten grundsätzlich mit voller Auslastung betrieben werden, um möglichst wirtschaftlich zu sein. Ein Plus von fünf, zehn oder noch mehr Prozent ist da nicht einfach so drin. Außerdem könnte es fatale Folgen haben, jetzt auf Teufel komm raus zu produzieren – nämlich dann, wenn die augenblicklich extrem hohe Nachfrage zurückgeht oder gar einbricht. Denn so wie wir jetzt gerade zeitverzögert die Auswirkungen der „Corona-Bremse” des Frühjahrs spüren, würden dann trotz Konsumflaute die Überproduktionen den Markt fluten – und damit womöglich auch Segmente und Warengruppen destabilisieren, die für den Fachhandel essenziell sind (Stichwort große Hausgeräte). Augenmaß ist also angesagt und findet sich auch durchwegs in den ergriffenen Maßnahmen wieder. Eine andere Option zur Lösung des Problems wären übrigens Preiserhöhungen – die vom einen oder anderen Lieferanten bzw in einzelnen Produktgruppen auch schon in moderater Form angekündigt wurden. Ob dieser Weg jedoch nachhaltig ist, wage ich zu bezweifeln – denn der nächste Black Friday kommt bestimmt …

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Kommentare (3)

  1. „Natürlich kann die Industrie dem Fachhandel (und gerade diesem) aufgrund seiner persönlichen und guten Beziehung zum Kunden sowie seiner Beratungskompetenz zur Lösung des immer akuter werdenden Problems abverlangen“.

    Geht`s noch ….. ???
    Für was muss der Fachhandel noch herhalten ?

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    1. Lieber Herr Neuböck,

      der von Ihnen zitierte Satz kann offensichtlich auf mehrere Arten gelesen werden – gemeint ist damit aber definitiv nicht, dass der Fachhandel einseitig für irgendetwas „herhalten” soll. Vielmehr geht es meines Erachtens darum, in der aktuell für alle Beteiligten nicht ganz einfachen (und auch nicht komfortablen – wie dieser Kommentar eigentlich zeigen sollte) Situation eine konstruktive Lösung zu finden bzw diese Situation so gut wie möglich zu meistern. Und das kann, denke ich, nur gelingen, indem alle „einen gewissen Beitrag” leisten – eben auch der Fachhandel. Als Bindeglied zwischen Hersteller und Konsument ist das „kundengerechte” Aufbereiten und Kommunizieren von Informationen ein Teil des Tagesgeschäfts und nachweislich eine der großen Stärken des EFH – die er nun in beide Richtungen (zum Endkunden und zur Industrie) ausspielen kann. Das impliziert jedoch nicht, dass dies – gerade in der jetzigen Situation – unentgeltlich bzw ohne jedwede Gegenleistung zu erfolgen hat. Daher ja auch die Mahnung, dass der Bogen nicht überspannt werden sollte.

      Ich hoffe, ich konnte für ein wenig mehr Klarheit sorgen und stehe für weitere Diskussionen jederzeit gerne zur Verfügung.

      Mit besten Grüßen,
      Wolfgang Schalko

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      1. Danke! Die Situation ist für die Industrie ebenfalls keine einfache, denn in vielen Geräten stecken Teile aus Ländern die durch die Pandemie start betroffen waren oder auch sind. Daher können manche Geräte oder elektronische Teile einfach nicht fertig gebaut werden. Daran hat niemand wirklich eine Schuld, aber in der Kommunikationskette ist nun einmal der FH die letzte Instanz zum Kunden und kann hier gut oder weniger gut erläutern. Von „herhalten“ kann hier natürlich keine Rede sein, niemand ist die Situation angenehm und ich glaube jeder möchte so viel wie möglich verkaufen, Gewinn generieren und gute nachhaltige Geschäfte machen. Es wird nichts bringen, wenn sich einzelne nun wieder als Opfer hochstilisieren, deswegen wird weder schneller gefertigt werden, noch das Problem zu lösen sein. Vielmehr ist es hier notwendig, dass der FH nun auch der Industrie gute Partnerschaft vorlebt und wir gemeinsam an der Lösung und der Bewältigung der teilweise schwierigen Verfügbarkeiten arbeiten. Das Verständnis scheint mir in der Großfläche oder bei Ketten zur Zeit dafür größer zu sein und dies ist ein wenig verwunderlich. Was wir aber keineswegs tun werden ist dann auf Teufel komm raus zu produzieren, denn was dann nicht verkauft wird, kommt über Umwege mit Tiefstpreisen auf den Markt und wir haben wieder unser altes bekanntes Problem. Zum Thema Preiserhöhungen ist zu sagen, dass mir trotz Corona sagenhafte Preiserhöhungen von Rohstoffen oder Bauteilen auf dem Tisch liegen, die aufgrund der geringen Produktion und daher auch weniger Gewinn großes Kopfzerbrechen bereiten.

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