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Mittwoch, 24. April 2024
Multimedia-Kommentar E&W 11/2020

Schuss ins Knie

Multimedia | Wolfgang Schalko | 15.11.2020 | Bilder | | 5  Meinung

Wolfgang Schalko
Weihnachten rückt näher und damit die Frage nach dem passenden Geschenk zusehends in den Mittelpunkt. Hier dreht sich heuer alles um TV-Geräte, denn das Sorgenkind der Vergangenheit ist – als Begleiterscheinung der Covid-Pandemie – zum Liebkind der Gegenwart mutiert, zumal der reißende Absatz von Großformaten, vorzugsweise in OLED-Ausführung, auch satte Erträge verspricht. Daneben befindet sich eine Geräteklasse im Vormarsch, die den Zeitgeist sehr gut zu treffen scheint: Fernseher ohne Empfangsteile, die nicht unter die GIS-Gebührenpflicht fallen.

Zugegeben, es klingt verlockend: Wer das TV-Programm, genauer gesagt die Sender des ORF, nicht via Satellit, Kabel oder Antenne empfängt, sondern übers Internet streamt, braucht keine GIS-Gebühren zu bezahlen – was je nach Bundesland pro Monat rund 20 bis 26 Euro mehr im Börsel bedeutet. Wer sich das aggregierte Angebot eines der zahlreichen Streaming-Dienste, die in diesem Feld mittlerweile aktiv sind, leisten will, muss dafür dann „nur” etwa 10 bis 15 Euro monatlich berappen. Echte Sparefrohs verzichten selbst auf diese Art von Komfort und greifen auf die Mediatheken und Online-Angebote der einzelnen Sender zurück. Das macht zwar ein bisschen Mühe, kostet dafür aber – richtig geraten – nix. Null. Nada. Niente. Allerdings tut sich damit ein äußerst problematisches Feld auf.

Häufig lauten Argumente, warum sich Konsumenten gerne von der GIS-Gebühr „verabschieden” würden, dass man „den ORF eh nie schaut”, man „keinen öffentlich-rechtlichen Rundfunk braucht, weil es eh genug andere und bessere Sender gibt” oder man „für das, was die da am Künigberg fabrizieren, keinen Cent hergeben will.” Wenn dann aber eine ZiB-Sondersendung läuft, die Abfahrt in Kitzbühel am Programm steht oder sonst leider gerade „nix G‘scheites” zu finden ist, dann wird nur allzu gerne eine Ausnahme von der ORF-Abstinenz gemacht. Und dass die meistgehörten Radiosender der Nation auch zum ORF gehören (und damit GIS-gebührenpflichtig sind), wird in diesem Zusammenhang ohnehin gerne vergessen. Leider wird auch gerne darauf vergessen, dass der Content nicht einfach so aus dem Äther angeschwirrt kommt. Qualitativ hochwertiges Programm (und damit ist nicht gemeint, wo irgendeine US-Serie oder ein Kinofilm zuerst ausgestrahlt wird) kostet Geld, richtig viel Geld sogar. Man muss längst nicht alles mögen, gut heißen oder gar konsumieren, was im und vom ORF kommt, aber man sollte (und darf!!) zu schätzen wissen, was wir in Österreich an „unserer” Fernsehanstalt haben. Dahingehend gibt es noch jene besondere Gruppe an „Spezialisten”, die das Programmangebot des ORF zwar durchaus gerne in Anspruch nehmen, aber einfach nichts dafür bezahlen wollen. Die sog. „Streaming-Lücke” (mehr dazu in der E&W 11/2020) hilft ihnen dabei und legitimiert diese Verhaltensweise. Ich persönlich halte gerade diese Form des „Gebührensparens” jedoch für besonders kurzsichtig, weil sie den ORF in seinen Möglichkeiten schmälert, gutes und sehenswertes Programm zu gestalten. Aus Sicht der so handelnden Akteure somit ein Schuss ins eigene Knie.

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Kommentare (5)

  1. Das Gerichtsurteil, dass nicht jeder am Internet hängende (Büro-)PC ein Rundfunkempfänger sein kann, war an und für sich richtig. Ich erinnere mich an das Zusammentreffen eines GIS-Kontrollors, der sich nicht vorstellen konnte, dass in unseren Büros kein Radiogerät neben der Arbeit läuft mit meinem Chef… *g*

    Dass auch ein Bildschirm an sich keine Rundfunkempfangseinrichtung ist, gilt auch schon länger – man konnte sich auch bislang schon den Tuner auslöten lassen um nur zB. ein Videoabspielgerät dranhängen zu können.

    Diese „Streaminglücke“ ist aber nun oft eine „Umgehungskonstruktion“ – nutze ich den (PC-)Bildschirm mit Netzwerk-Zuspieler ist’s GIS-frei. Kommt das gleiche Signal von der Settopbox heißt es zahlen!

    Jetzt gäbe es zwei Möglichkeiten: Mittels Grundlosverschlüsselung auch die Webinhalte vor Nichtberechtigten wegsperren versuchen (Oma. darf ich deine GIS-NR haben?) und so auch die Grund-Informationsversorgung verunmöglichen oder das System korrigieren.

    Deutschland hat dazu den Rundfunkbeitrag als Haushaltsgebühr geschaffen: Jeder zahlt (etwas weniger als die frühere GEZ) – aber unabhängig von der tatsächlichen Nutzungsmöglichkeit.

    Das ist aber auch nicht jedem rechtgetan!

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  2. Ich bin schon für den ORF und die Zwangsgebühren, nur müßte die Qualität wesentlich verbessert werden! Wenn jeder Sprecher seine Meinung dem Zuseher aufschwatzt und eine Fr. Karlich Jahrzehnte mit zig
    Wiederholungen eine Menge Kohle verdient, dann ist die ORF Gebühr zu hoch und zu hinterfragen! Auch die erwähnten Sportübertragungen werden immer weniger und älter!

  3. Wenn die „Öffentlich rechtlichen“ nur die Regierungsmeinung zulassen und alles andere als Verschwörungstheorien
    abschmettern, wenn bei Diskussionen die Teilnehmer so ausgewählt werden, daß wieder nur die eine Meinungsrichtung
    bestimmend ist, wenn 30% der Gebühren für die üppigen Sonderpensionen der ehemaligen ORF Angestellten draufgehen, habe ich schon Hemmungen, die Gis Gebühr zu bezahlen.

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  4. Sehe ich genauso! Gut und wichtig das zu schreiben!

    Viele glauben, wenn sie „öffentlich rechtliche“ sehen, dass die eigene (politische) Einstellung untergewichtet ist. Das hat sich in den letzten Jahren massiv verstärkt, seit die großen Suchmaschinen, Datendienste, etc. jeden nur noch mit dem Füttern, was er am liebsten/ meisten konsumiert, so wird die individuelle Berichterstattung immer einseitiger und extremer und man glaubt, dass es außerhalb der eigenen Blase keine Wahrheit gibt.
    Das ist psychologisch vergleichbar mit dem Effekt, dass bei einem Fußballspiel das unentschieden ausgeht auf jeder Seite Menschen sind, die aus tiefster Überzeugung „wissen“, benachteiligt worden zu sein und auch viele Argumente dafür haben.
    „Öffentlich rechtliche“ wirken dem entgegen, sie haben aber deshalb auch immer mehr Kritiker. Da diese aus allen Ecken und Lagern kommen, kann das als ist ein Zeichen objektiver Berichterstattung gewertet werden.
    Sie informieren umfassender und vielfältiger als private, damit sich jeder selbst seine Meinung bilden kann.

    Privatsender haben nur zwei Ziele: Gewinnmaximierung und die Meinung der Geldgeber zu verbreiten. Daher wird das gezeigt was Quote bringt und den Geldgebern genehm ist, egal wie gut das recherchiert ist und egal wie hoch der Wahrheitsgehalt ist.
    Wir sind es unserer geistigen Gesundheit schuldig, unabhängige Medien zu haben und diese zu unterstützen und es ist wichtig für die Demokratie.

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