„Jeder Tag ein Highlight“
Philips Geschäftsführer Daniel Cipriano. (Foto: Philips, Petra Spiola) Für die Dezemberausgabe der E&W baten wir Daniel Cipriano zum Interview. Dabei spricht der Philips Austria Geschäftsführer ua über die letzten Monate mit Corona, über den Verkauf der Philips Domestic Appliances-Sparte, über Direktvertrieb und die Lehren, die er aus der Corona-Krise gezogen hat. Hier finden Sie das Interview nochmals, inklusive einiger bisher nicht veröffentlichter Passagen.Daniel Cipriano bezeichnet das heurige Jahr als „Herausforderung für uns alle“. „Das Thema Supply Chain hat uns wahnsinnig gemacht. Ständig diese Fragen: Können die Fabriken produzieren? Kommt die Ware? Jeder Tag war ein Highlight. Ich bin erstaunt über die Performance, die wirklich sehr zufriedenstellend ist. Die Nachfrage ist enorm gestiegen, das kann wahrscheinlich auch unser Mitbewerb bestätigen. Es gibt nur wenige Produktbereiche, die unter Vorjahr performen, und das ist erstaunlich“, berichtet der Philips Austria Geschäftsführer.
E&W: Wie ist es aktuell um die Warenverfügbarkeit bestellt?
Daniel Cipriano: Wir haben mehr Nachfrage als wir bedienen können. Es ist gigantisch was Corona bewirkt hat. Das Problem basiert auf drei Punkten: Die enorm hohe Nachfrage, die nicht vorhersehbar war. Die Situationen in den Werken, die weltweit verteilt sind und einmal produzieren dürfen und einmal nicht. Und der Transport.
E&W: Wie lange glauben Sie, dass das Lieferproblem noch dauern wird?
Daniel Cipriano: Könnte ich dazu eine Prognose abgeben, würde ich nicht hier an dieser Position sitzen (zwinkert). Ich kann dazu leider nichts sagen.
Blick zurück
E&W: Wie ging es Ihnen im ersten Lockdown?
Daniel Cipriano: Wir waren kurz geschockt und fragten uns, wo das Jahr nur enden wird. Wir sahen kein Wachstum vor uns, sondern nur schwarz. Das Gute war, dass wir uns an den Erfahrungen unserer Kollegen aus Asien orientieren konnten, die ja schon Anfang des Jahres mitten in der Corona-Pandemie steckten. Wir sahen welche Produktkategorien dort gefragt waren und konnten daraus lernen bzw. einiges für Europa adaptieren. Diese Situation erlaubte uns, ein bisschen vorbereiteter zu sein.
Wir konzentrierten uns darauf, das Risiko so weit wie möglich zu minimieren, die Konsumenten gleichzeitig aber nicht aus dem Blick zu verlieren. Wir wussten, dass es eine Nachfrage geben wird. Wir wussten aber natürlich nicht, wie hoch diese in Österreich sein wird. Im Laufe der Zeit merkten wir, dass die Nachfrage gigantisch ist. Und so veränderten sich die Prognosen laufend, es war unmöglich etwas vorherzusagen und ich traue mich auch jetzt noch nicht eine Jahresendprognose abzugeben (zwinkert). Wir wissen nicht was in den nächsten Wochen passieren wird – und wie ich eingangs sagte: Jeder Tag ist anders und ein Highlight.
Die Strategie
E&W: Sie erzählten letztes Jahr im Gespräch mit E&W, dass Sie in Österreich „eine optimale Abdeckung mit ‚Philips-Händlern‘ erzielen“ möchten, damit der Kunde Philips auch flächendeckend begegnen kann. Es sollten potentielle Fachhändler ausgesucht und bei Interesse an einer Kooperation auch entsprechend in diese Fachhändler investiert werden – wie weit ist dieses „Projekt“?
Cipriano: Mit ausgewählten Partnern in die Zukunft zu gehen, ist nach wie vor Teil unserer Strategie. Präsent für den Konsumenten zu sein, bedeutet für uns nicht, dass dieser Konsument Philips bei jedem Händler und in jedem Supermarkt findet. Und wir stellten uns die Frage, ob der Konsument in einer Stadt wirklich 30 Ansprechpartner für Philips braucht, oder ob nicht auch zB fünf Händler reichen, mit denen wir unsere Vision und unsere Neuheiten besser an den Kunden bringen können; fünf Händler, bei denen die Marke und die Produkte auch tatsächlich gut präsentiert werden. In diese Top-Partner wird dann auch verstärkt investiert, zB in den POS, in Schulungen, in Betreuung.
E&W: Von wie vielen Fachhändlern in Österreich reden wir hier?
Cipriano: Wir arbeiten aktuell mit 100 bis 150 österreichischen Fachhändlern in unterschiedlichen Intensitäten zusammen.
E&W: Das bedeutet im Umkehrschluss, dass es viele Händler gibt, die Philips nicht verkaufen?
Cipriano: Grundsätzlich entscheidet immer noch der Händler, welche Produkte er von welchen Marken bezieht, und jeder Händler, der Produkte von Philips haben möchte, bekommt sie auch. Wir teilen unsere Produkte in unterschiedliche Klassifizierungen, von Basic-Produkten bis hin zu exklusiven Highend-Produkten, und je enger die Zusammenarbeit mit Handelspartnern ist, desto exklusiver wird das Portfolio. Wir haben natürlich Produkte, die beratungsintensiver sind und ein Händler sollte dem Konsumenten erklären können, was beispielsweise der Unterschied zwischen einem 50 Euro No-name-Luftreiniger und einem 600 Euro Philips Luftreiniger ist. Wenn nicht, geht der Konsument erfreut, weil er günstig gekauft hat, aber mit falschen Erwartungen nachhause und unterm Strich tun wir damit dem Konsumenten nichts Gutes und auch nicht dem Händler.
Die Onlinestrategie
E&W: Es gibt ja eine ganze Menge Philips-Produkte, die ausschließlich im eigenen Onlineshop angeboten werden. Welche Onlinestrategie verfolgt Philips?
Cipriano: Ich nehme an, Sie sprechen jetzt den Direktvertrieb an Konsumenten an. Also: Wir möchten mit den Endkunden in Interaktion treten und die beste, effizienteste Möglichkeit dafür bietet nun mal eine „Direct-to-Consumer-Plattform“, die aber bei weitem nicht mit einer reinen Verkaufsplattform gleichzusetzen ist. Hier geht es um Consumer Engagement, es geht darum eine Beziehung zu den Konsumenten aufzubauen.
Und das tun wir auf unserer Plattform. Wir kommunizieren direkt mit den Endkunden und bekommen direktes Feedback, zB ob Produkte gut oder schlecht funktionieren. Die Endkunden fühlen sich auf gewisse Weise geehrt, wenn sie mit dem Hersteller direkt in Kontakt treten können, wenn ihnen „zugehört“ wird. Und das wiederum forciert die Markenbindung und davon profitieren schlussendlich auch wieder die Händler, die mit uns eine Partnerschaft leben.
Anfangs dachten die Händler, dass wir mit unserem Onlineshop in direkte Konkurrenz zu ihnen treten wollen, aber darum ging es überhaupt nicht. Der einzige Grund für unsere Plattform ist die Interaktion mit dem Endkunden, weil tun wir das nicht, wird uns der Endkunde irgendwann als Marke nicht mehr präferieren.
E&W: Ist reiner, ausschließlicher Direktvertrieb für Philips in Zukunft eine Option? Mit einem Onlineshop und vielleicht sogar eigenen Stores?
Cipriano: Eines vorweg: Wir bei Philips sprechen nicht von „Direktvertrieb“, sondern von „Consumer-Engagement“, und um mit den Konsumenten interagieren zu können, brauchen wir – wie oben erwähnt – eine Plattform. Dort können wir dann individuell und effizient auf sie eingehen.
Grundsätzlich kann ich mir nicht vorstellen, dass die Konsumenten in Zukunft nur mehr direkt bei den Herstellern kaufen werden. Denn, so wie ich das sehe, wollen die Konsumenten den Vergleich. Sie wollen in einem Geschäft nicht nur die Vollautomaten eines einzelnen Herstellers, sondern auch andere Marken sehen und gegenüberstellen.
Aber um auf Ihre Frage zurückzukommen: Aktuell entspricht es nicht der Strategie von Philips den Direktvertrieb auszubauen bzw flächendeckend eigene Stores in Österreich zu errichten. Denn wir erachten das als nicht relevant für den Konsumenten.
E&W: Spielt der traditionelle FH für Philips überhaupt noch eine Rolle?
Cipriano: Auf jeden Fall, denn wie gesagt, wollen wir den Konsumenten überall dort begegnen, wo sie sich bewegen und das ist auf jeden Fall auch im Fachhandel. Für Philips ist es wichtig präsent zu sein, offline, online, einfach überall. Und wichtig ist, dass der Konsument auf seinem bevorzugten Weg ein Produkt von Philips bekommt.
Wie wir wissen, suchen viele Konsumenten online nach Produkten, gehen dann aber lieber zum Händler nebenan, um es zu kaufen, als dass sie im Internet bestellen. Weil sie wissen, dass der Fachhändler ihre Fragen zum Produkt beantworten kann. Und weil sie sich beim Händler absichern können, indem er ihnen als unabhängiger Fachmann sagt, ob das Produkt ein Gutes ist.
Die Zukunft
E&W: Anfang des Jahres informierte Philips darüber den Geschäftsbereich Domestic Appliances in ein eigenständiges Unternehmen zu separieren und Optionen für zukünftige neue Eigentumsverhältnisse zu prüfen. Gibt es zu dem Thema schon etwas Neues?
Cipriano: Es wurde angekündigt, dass dieser Prozess zwischen 12 und 18 Monaten dauern wird, da stecken wir mitten drin und insofern können wir noch nichts Neues darüber sagen. Aber klar machen wir uns Gedanken darüber, wie Strukturen und Prozesse in Zukunft angepasst werden müssen. Klar ist zudem: Jede Trennung bringt Veränderungen mit sich. Welche, kann ich allerdings noch nicht sagen.
E&W: Was bleibt dann von Philips übrig?
Cipriano: Aktuell besteht das Philips Sortiment aus den Sparten Domestic Appliances sowie Oral Health Care, Mother & Child Care, Male Grooming und Beauty. Der große Bereich Domestic Appliances wird ausgegliedert, der Rest bleibt bei uns. Das heißt, es wird künftig ein komplett eigenständiges Unternehmen geben, das die Domestic Appliances-Produkte (also die Kategorien Bodenpflege, Bügeln, Luft, Espresso sowie Air Fryers) vertreibt. Wir wissen noch nicht in welcher Form sich dieses Unternehmen präsentieren und wer dahinter stehen wird.
E&W: Aus welchen Gründen verkauft man so eine erfolgreiche Produktsparte?
Cipriano: Diese Frage wird auch oft an unseren Vorstand gerichtet. Es hat nichts damit zu tun, dass dieser Bereich schlecht performt, im Gegenteil. Der Grund ist viel mehr, dass Philips zum Gesundheitsunternehmen werden soll, mit dem Fokus auf Prävention, Diagnose, Treatment, Nachbehandlung. Ein Bereich wie Haushaltsgeräte passt hier nicht dazu. So entschied man, dass das Portfolio wahrscheinlich besser aufgestellt wäre, wenn es in ein eigenständiges Unternehmen separiert wird, wo Gelder auch anders investiert werden. Denn wir bei Philips, mit dem Fokus auf Gesundheitstechnologie, werden klarerweise eher in ein Produkt mit der Ausrichtung auf Gesundheit investieren, als jetzt zB in den AirFryer. Mit dieser Begründung werden diese beiden Bereiche getrennt. Und so kann der Bereich Domestic Appliances als Einzelunternehmen noch stärker werden.
Lehren aus der Krise
E&W: Welche Lehren haben Sie aus der Krise gezogen?
Cipriano: Digitalisierung war bisher für viele gleichbedeutend mit dem „bösen Internet“. Doch Corona hat uns gezeigt, dass Digitalisierung viel mehr ist als das.
Auf Grund von Corona haben wir den Turbo in Sachen Digitalisierung gezündet. Ohne Corona wären wir meiner Meinung nach erst in ein paar Jahren dort angelangt, wo wir uns jetzt schon befinden. Beispiel „Home Office“: Die wenigsten konnten sich vorstellen, dass das Geschäftsleben auch von Zuhause aus so reibungslos funktionieren kann. Oder Reisen: Früher musste ich zu einem Termin in Hamburg hinfliegen. Es wäre undenkbar gewesen, diesen Termin virtuell stattfinden zu lassen. Und jetzt? Es ist zur Normalität geworden, räumliche Entfernung digital zu überwinden. Corona hat die Transformation beschleunigt. Die Veränderung war plötzlich da und das zwang uns umzudenken.
Es ist nicht alles negativ was uns Corona beschert hat. Und wir sollten diese positiven Learnings definitiv beibehalten. Die Digitalisierung bringt uns auf eine Ebene, die wir in so kurzer Zeit nicht für möglich gehalten haben. Es ist zwar eine Umstellung und das Soziale, das persönliche Miteinander kann nicht ersetzt werden, aber grundsätzlich bringt diese ganze Entwicklung auch gute Dinge mit sich.
Blick auf den FH
E&W: Wie hat der Fachhandel die Krise Ihrer Meinung nach durchschifft?
Cipriano: Die Reaktionsfähigkeit der heimischen Händler in der Krise war wirklich großartig. Wir sprechen in Unternehmen immer von Agilität, Flexibilität und Kreativität und all das hat der Handel bewiesen. Er hat top auf die Corona-Maßnahmen reagiert und es hat funktioniert, der Kunde hat es angenommen. Das schöne hier in Österreich ist, dass man mit den Handelspartnern schneller und unbürokratischer Lösung für den Konsumenten findet. In Ländern, die beispielsweise 10 Mal so viele Einwohner haben wie Österreich, ist das deutlich schwieriger umzusetzen. In Österreich schlägt man etwas vor und der andere sagt „let’s do it“ und man versucht es einfach.
Der Fachhandel hat wirklich gut performed in den letzten Monaten, er agierte schneller, agiler, flexibler und ich hoffe, dass auch die Fachhändler ihre Learnings mitnehmen in die Zukunft. Ich habe das Gefühl, dass im FH ein frischer Wind weht und das tut allen gut.
Es freut mich auch, dass der Fachhandel, der in der Vergangenheit ja nicht unbedingt der onlineaffinste Kanal war, erkannt hat, dass auch er als Kanal vom Internet profitieren kann. Das ist schön zu sehen, denn Digitalisierung ist nicht der Feind. Online ist nicht nur einfach ein Kanal. Online ist eine weitere Plattform, auf der sich der Konsument austauschen, interagieren kann und auch kaufen. Und das scheint den Fachhändler bewusst geworden zu sein, denn online konnten sie mir ihren Kunden kommunizieren, obwohl die Geschäfte geschlossen waren.
E&W: Wird sich das Kaufverhalten Ihrer Meinung nach durch Corona verändern?
Cipriano: Nein, glaube ich nicht. Es gibt sicher Konsumenten, die online auf Grund des Lockdowns für sich entdeckt haben. Auf der anderen Seite hat man nach dem ersten Lockdown gesehen, wie gerne der Österreicher rausgeht, shoppen und flanieren geht. Dem einen oder anderen wurde durch den Lockdown vielleicht auch erst bewusst, wie wertvoll und wichtig stationäre Geschäfte sind, wo man gustieren und Produkte angreifen kann, wo man unbeschwert mit Leuten reden und Fragen stellen kann. Ich glaube, das Einkaufsverhalten wird sich wieder „normalisieren“ und gut aufteilen auf die Kanäle.
E&W: Was raten Sie den Fachhändlern abschließend?
Cipriano: Ich empfehle den Händlern, die Agilität und Flexibilität, die sie in den letzten Monaten an den Tag gelegt haben, beizubehalten. Und ich kann nur empfehlen, die vielen Kanäle ganzheitlich zu sehen. Auf Grund der Digitalisierung sind die Touchpoints im Onlinekanal unabdingbar, um zu kommunizieren, um die Endkunden zu erreichen. Als Fachhändler muss man sich heutzutage mit dem Internet auseinandersetzen, um seine Kunden offline sowie online erreichen zu können. Wie uns die Pandemie gezeigt hat, kann Offline ganz schnell weg sein und dann braucht der Händler einen Kanal um mit den Endkunden in Kontakt treten zu können.
Ansonsten kann ich mich bei den österreichischen Fachhändlern und Fachmärkten nur bedanken, für die schnelle Rektionsfähigkeit, die partnerschaftliche Umsetzung vieler Aktivitäten und Aktionen.
Und dann wünsche ich noch allen, auch wenn es banal klingt, dass sie gesund bleiben und dass sie vorsichtig sein sollen.
„Anfangs dachten die Händler, dass wir mit unserem Onlineshop in direkte Konkurrenz zu ihnen treten wollen, aber darum ging es überhaupt nicht. Der einzige Grund für unsere Plattform ist die Interaktion mit dem Endkunden, weil tun wir das nicht, wird uns der Endkunde irgendwann als Marke nicht mehr präferieren.“
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(Bitte achten Sie auf die richtige Schreibweise)
Frohe Weihnachten und bleiben Sie gesund.
Ihr Philips Team“
Habe noch nie eine Werbeemail von Philips ohne Rabattangebote bekommen.
Also versteht Philips unter Kundenbindung einfach nur Rabattitis. Oder sehe ich das falsch?