Onlinehandel auf Rekordjagd
Im heimischen Online-Handel machen die Top 10 Anbieter fast die Hälfte des Gesamtumsatzes. Die Shops auf den Plätzen 11 bis 100 liegen bei 37,4%, die Plätze 101 bis 250 kommen auf 12,9%. Zuwächse im zweistelligen Bereich waren im Vorjahr in der Elektrobranche eher die Regel denn die Ausnahme – auf Seiten der Händler wie auf jener der Lieferanten. Wie ein näherer Blick auf die Zahlen zeigt, konnte bei weitem nicht nur Amazon vom E-Commerce-Boom profitieren. Allerdings sind die Nutznießer der Situation sehr ungleich über die Branchen verteilt.Plattform-Primus Amazon gibt auch bei den Zuwächsen den Takt vor: Im Q4/2020 steigerte der Online-Riese den Umsatz um 44% auf 125,6 Mrd. Dollar und konnte den Nettogewinn auf 7,2 Mrd. Dollar (rund 6 Mrd. Euro) mehr als verdoppeln. Im Geschäftsjahr 2020 machte der Konzern somit insgesamt 21,3 Mrd. Dollar Gewinn – ein Plus von 84% (!!) und zugleich eine neue Bestmarke. Der Form halber sei erwähnt, dass – so gut das Handelsgeschäft auch laufen mag – Amazons wahre Cash-Cow das Cloud-Business ist: Mit nur 10% Anteil am Quartalsumsatz (12,7 Mrd. Dollar) fuhr die Sparte mit 3,6 Mrd. Dollar rund die Hälfte des Quartalsgewinnes ein.
Dass Amazons Rolle als Gejagter keineswegs in Stein gemeißelt ist, zeigt ein Blick nach China, wo am 11. November alljährlich der „Singles Day“ – mittlerweile das wichtigste Verkaufsevent der Welt – über die Bühne geht. Die größte chinesische eCommerce-Plattform Alibaba erzielte bei der jüngsten Auflage im November neuen Rekordumsatz von 47,7 Mrd Euro – gegenüber 2019 ein Wachstum von 38%. Rund 800 Millionen Konsumenten und über 250.000 Marken waren an dem Shopping-Event der Superlative beteiligt.
Doch nicht nur ausländischen Giganten beschert der Online-Boom volle Kassen. Ein Nutznießer ist beispielsweise auch die heimische Post, die Jahr für Jahr neue Rekordmengen an Paketsendungen vermeldet. 2020 wurden von der Post 165 Millionen Pakete transportiert – was einem Plus von 30% gegenüber dem Vorjahr und größenordnungsmäßig dem Wachstum des Online-Shoppings entspricht. Das Jahres- und bisweilen auch Allzeithoch wurde übrigens am 7. Dezember 2020 mit 1,3 Millionen transportierten Paketen an einem Tag erreicht.
Situation in Österreich
Die Österreichische Post profitiert aber nicht nur als Logistik-Dienstleister von der Entwicklung, sondern auch als Betreiber der Plattform shöpping.at. 2020 verzeichnete der Online-Marktplatz der Österreichischen Post ein deutliches Plus bei den Bestellungen im Vergleich zum Vorjahr: Zu Spitzenzeiten haben sich die die Zugriffe verzehnfacht, der Handelsumsatz hat sich im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht, mehrere hundert Händler sind neu auf die Plattform gekommen.Heute hat shöpping mehr als 1.100 österreichische Händler unter Vertrag, durch eine Kooperation mit myProduct.at können Nutzer Produkte von insgesamt 1.600 Händlern bestellen. Für 2021 befinden sich mehrere hundert Händler in der Pipeline. Erstmals seit der Gründung im Jahr 2017 soll die Plattform im operativen Bereich heuer schwarze Zahlen schreiben. Als „stolzen Sprint” bezeichnete shöpping-Geschäftsführer Robert Hadzetovic die Entwicklung. „Das vergangene Jahr hat gezeigt, dass wir gemeinsam mit den Händlern aus ganz Österreich absolut konkurrenzfähig sind. Allerdings wollen wir uns nicht mit dominierenden US-Tech-Riesen messen, das ist nicht unser Ansatz. Wir wollen nicht die Champions League gewinnen, sondern österreichischer Meister werden, und ich glaube, da sind wir auf einem guten Weg.“
Einen guten Überblick über die Materie bietet die Studie „E-Commerce-Markt Österreich 2020” von EHI und Statista in Kooperation mit dem Handelsverband, die alljährlich die umsatzstärksten B2C Webshops für physische Güter in Österreich analysiert und zuletzt im November 2020 präsentiert wurde. Demnach erwirtschafteten die Top 250 Onlineshops in Österreichs im Jahr 2019 3,6 Milliarden Euro (+14%), Tendenz weiter stark steigend. Dazu kommt eine immer stärkere Marktkonzentration, sodass sich immer weniger große Onlinehändler einen immer größeren Anteil der Online-Torte teilen. So kommt allein Spitzenreiter Amazon mit 878 Millionen Euro auf ein Viertel – ohne das Umsatzvolumen über den Amazon Marktplatz. In Summe verbuchen die Anbieter auf den zehn vordersten Plätzen des Rankings fast die Hälfte des Gesamtumsatzes: Hinter Amazon folgen zalando.at (346,8 Mio. Euro) und universal.at (111,9 Mio. Euro), wobei mediamarkt.at (Platz 6 mit 71,9 Mio. Euro) durch die Zusammenlegung mit Saturn (Platz 16 mit 44 Mio Euro) einen kräftigen Sprung nach vorne machen wird. Mit e-tec, cyberport, electronic4you und 0815 finden sich zudem eine Reihe weiterer Elektrohändler in bzw knapp außerhalb der Top 10. Bei der Analyse der Studie sprach Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will von einem strukturellen Veränderungsprozess, den der österreichische Handel durchlaufe – getrieben von einer exponentiellen technologischen Entwicklung: „Die Covid-Krise wirkt als Urknall der Digitalisierung und als Turboboost für den E-Commerce.”
Eine umfassende Analyse der Situation im heimischen Handel liefert auch die kürzlich erschienene Studie „Der österreichische Handel 2020” der KMU Forschung Austria. Der Untersuchung zufolge verzeichnete der heimische Handel im Zeitraum Jänner bis August 2020 einen Umsatzrückgang von 7,0% bzw 13,3 Mrd. Euro, wobei der Tiefpunkt im April 2020 mit einem Minus von fast 24% erreicht wurde. Allerdings weisen die einzelnen Handelssektoren gravierende Unterschiede auf: Mit -16,4% ist der Rückgang in der Kfz-Wirtschaft am stärksten ausgefallen, während sich der Einzelhandel mit lediglich -0,5% recht gut behaupten konnte. Doch auch hier gibt es starke branchenspezifische Schwankungen: Während die Modebranche massiv unter den Einschränkunen litt, boomte der Einzelhandel mit Sportartikel sowie Bau- und Heimwerkerbedarf regelrecht. Eine Sonderstellung kam dem Lebensmittelhandel zu, der zu keinem Zeitpunkt von Schließungen betroffen war – und daher die gute Entwicklung des Einzelhandels maßgeblich trug, wenngleich auch hier insbesondere kleinere Unternehmen teils massive Einbußen hinnehmen mussten. Profitiert hat von der aktuellen Lage jedenfalls der österreichische Internethandel, der im Zeitraum Jänner bis September 2020 ein Umsatzplus von 30% erzielte (ausländische Anbieter ohne Sitz in Österreich nicht miteinberechnet). Die KMU Forschung erwartet, dass sich diese Entwicklung fortsetzen wird.
Angesichts der teils massiven Umsatzausfälle offenbaren auch die sog. Cash Puffer Days – jene Dauer, über die ein Unternehmen seine regelmäßigen Aufwände (Miete, Personal, Zinsen, etc.) bei einem vollständigen Einnahmenausfall begleichen kann – durchaus Interessantes: Bei 58% der Handelsunternehmen umfasst diese Zeitspanne nur maximal ein Monat, bei 18% liegt sie über sechs Monaten.
Ende dieser Woche will die Bundessparte Handel der WKÖ ihren Jahresrückblick 2020 präsentieren – noch mehr Zahlen folgen also in Kürze…
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