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Freitag, 29. März 2024
[UPDATE] Meinungen der Koops – und der E&W Redaktion

Philips Kleingeräte in Österreich: Kein Stein bleibt auf dem anderen

Kleingeräte | Stefanie Bruckbauer, Wolfgang Schalko | 12.04.2021 | Downloads | | 12  Unternehmen
Philips war einst der größte Elektronikkonzern der Welt. Dann folgte die scheibchenweise Demontage. Zuerst TV, dann Audio und jetzt die Haushaltskleingeräte ... (Im Bild die Österreich Zentrale in Wien. Foto: Philips) Philips war einst der größte Elektronikkonzern der Welt. Dann folgte die scheibchenweise Demontage. Zuerst TV, dann Audio und jetzt die Haushaltskleingeräte ... (Im Bild die Österreich Zentrale in Wien. Foto: Philips) Ruft man in der Zentrale von Philips Austria im 12. Bezirk in Wien an, erreicht man lediglich einen netten jungen Mann. Es liegt allerdings nicht an Corona, dass fast niemand greifbar ist, sondern daran, dass ein Großteil der Mannschaft gekündigt wurde – inklusive der Geschäftsführung. Die Philips Kleingeräte-Sparte befindet sich im Umbruch – in Österreich sogar in der Auflösung? Es bleibt auf jeden Fall kein Stein auf dem anderen.

Letztes Jahr informierte Philips, den Geschäftsbereich „Domestic Appliances“ (also Haushaltskleingeräte) in ein eigenständiges Unternehmen zu separieren – und zu verkaufen. So wie es auch schon mit TV und Audio passierte. „Domestic Appliances“ umfasst die Produktgruppen Bodenpflege, Bügeln, Luft, Espresso (Saeco) sowie Air Fryers. Alles andere, also Oral Health Care (Sonicare), Mother & Child Care, Male Grooming und Beauty, bleibt unter dem Titel „Personal Health” bei Philips. Man wolle sich darauf konzentrieren ein Gesundheitskonzern zu werden, erklärte der Geschäftsführer Personal Health Philips Austria, Daniel Cipriano, im Interview mit E&W im Dezember 2020: „Ein Gesundheitsunternehmen mit dem Fokus auf Prävention, Diagnose, Treatment, Nachbehandlung. Ein Bereich wie Haushaltsgeräte passt hier nicht dazu. Und so entschied man, dass das Portfolio wahrscheinlich besser aufgestellt wäre, wenn es in ein eigenständiges Unternehmen separiert wird (…)“, so Cipriano im Dezember.

Wer die Domestic Appliances-Sparte kaufen wird, verriet Cipriano im Interview nicht. Er erklärte nur: „Der Umstrukturierungsprozess wird zwischen 12 und 18 Monate dauern. Da stecken wir mitten drin und insofern können wir noch nichts Neues darüber sagen. Aber klar machen wir uns Gedanken darüber, wie Strukturen und Prozesse in Zukunft angepasst werden müssen. Klar ist zudem: Jede Trennung bringt Veränderungen mit sich. Welche, kann ich allerdings noch nicht sagen.“

Gänzlich uninformiert

Jede Trennung bringe also Veränderungen mit sich. Einige diese Veränderungen wurden bereits vollzogen. So ist Daniel Cipriano nur noch bis Ende März 2021 Geschäftsführer von Philips Austria Personal Health. Auch die Damen von der Marketingleitung und Unternehmenskommunikation bzw. der Leiter der Unternehmenskommunikation sind nicht mehr im Unternehmen. Ein Teil des Außendienst-Teams ist scheinbar auch nicht mehr in Amt & Würden. Zumindest berichten Elektrohändler, dass ihre Betreuer nicht mehr erreichbar sind. Der österreichische Elektrohandel ist (derzeit noch) überhaupt gänzlich uninformiert über die Vorgänge bei Philips Personal Health. Das liege daran, dass man aktuell noch mitten drin stecke im Umstrukturierungsprozess, erklärt Sebastian Lindemann, Head of Communication in Hamburg, auf Nachfrage von E&W. Er könne keine Details nennen, da er sie selbst nicht wüßte. Ende März, aber wahrscheinlich doch eher Mitte April, soll allerdings ein Großteil der Veränderungen abgeschlossen bzw unter Dach und Fach sein und die Handelspartner informiert werden. In Form eines Schreibens (Kundenbriefe, an denen aktuell global gearbeitet werde) soll dann über die neue Struktur und über die Zuständigkeiten aufgeklärt werden.

Das ist fix

Auch wenn man bei Philips selbst offenbar noch nicht viel weiß, konnte die E&W Redaktion einige Puzzleteile ausfindig machen und diese zumindest zu einem groben Bild zusammenfügen: Auf Grund der Trennung der beiden Unternehmensbereiche wird aktuell an einer neuen Vertriebsstruktur gebastelt. Philips soll dabei insgesamt „europäischer aufgestellt“ werden. Das heißt: Es wird kein Philips Austria, Philips Schweiz oder Philips Deutschland mehr geben, sondern die Ansprechpartner und Verantwortlichen sind überall in DACH verteilt und agieren über die Grenzen hinweg. DACH wird eine von sieben Regionen in Europa darstellen.

Der Bereich Vertriebs-/ Sales-Leitung in DACH ist derzeit (laut aktuellem Kenntnisstand) wie folgt besetzt: Die Vertriebsleitung von Personal Health Österreich, Deutschland und Schweiz verantwortet seit Jänner Rico Brecht, der vorher den Bereich Personal Health in der Schweiz leitete und in Zürich sitzt. Brecht berichtet an Lars Biederbick, der aktuell als Market Leader DACH für Personal Health agiert. Market Leader DACH für Domestic Appliances ist derzeit Guido Raaphorst (der derzeit in Kopenhagen sitzt). Er ist seit Dezember bei Philips und betreut derzeit den Bereich Domestic Appliances DACH.

Agentur übernimmt FH-Betreuung

Noch eines ist fix: Philips ändert ab April die stationäre Betreuung in Österreich. Bisher wurden die Händler durch den Philips Außendienst betreut. Fachberatungen und Schulungen wurden durch die Philips Sales Crew durchgeführt. Was die Kooperationen angeht, wird all das ab April von einer externen Agentur übernommen. Diese heißt PACT und sie beschreibt sich als eine der fünf größten inhabergeführten Kommunikationsagenturen in Deutschland. PACT befasst sich laut Homepage mit der Entwicklung von Lösungen in Kommunikation und Vertrieb. PACT ist laut eigenen Angaben tätig in den Bereichen Marketingkommunikation, Sales und Training.

Wie versprochen wird, werden alle für Philips eingesetzten PACT-Mitarbeiter „mit vollem Fokus auf die Marke Philips“ arbeiten. PACT-Mitarbeiter werden sich um den aktiven Vertrieb und die Betreuung der Handelspartner kümmern. Zu ihren Aufgaben zählen zudem Fachberatersteuerung, Promotionsbetreuung, Endkundenberatung, Sicherstellung der Qualitätsstandards am POS sowie die Durchführung von Produkt- und Verkaufsschulungen.

Timeline

Noch Mal zusammengefasst: Fachberatung, Merchandising und Mitarbeiterschulung werden mit Stichtag zum 1. April von PACT übernommen. Die Aufgaben des zuletzt tätigen Philips Außendienstes werden in einer Übergangsphase von März bis Juni an die Agentur PACT übergeben. In Q2 werden neue Ansprechpartner aktiv werden.

Eine Philips Dependance

Auch wenn es aktuell nicht den Anschein macht, gibt es auch noch eine Philips Dependance „mit entsprechenden Ansprechpartnern“ in Wien, deren Fokus liege allerdings auf Health Care, also Gesundheit/ Medizintechnik. Als Chefin fungiert seit letztem April Michaela Latzelsberger (elektro.at berichtete). „Sie koordiniert Philips Personal Health und hat den Schwerpunkt Health Systems (Medizintechnik)“, erläutert Lindemann.

Lindemann versicherte, schon bald weitere Informationen zu Vertriebsleitung und Vertriebsstruktur bzw. Vertriebsverantwortlichkeiten für die Bereiche Personal Health und Domestic Appliances bereitzustellen. Gespannt sind wir, wer in Zukunft hinter Domestic Appliances stehen wird. Wie eingangs erwähnt, wird es für alles rund um Philips Küche, Bodenpflege und Kaffee, also Saeco, künftig einen gänzlich neuen „Besitzer“ geben. Spätestens am 1. Juli sollten wir wissen, wer das ist, denn mit Juli sind die 18 Monate vergangen, die sich Philips für den Trennungsprozess eingeräumt hat. Dann wird der Bereich Philips Haushaltsgeräte nichts mehr mit Royal Philips zu tun haben.

Noch wirkt also nicht alles in sich schlüssig, ja manches schreit sogar förmlich nach weiterer Er- bzw Aufklärung. Eine Anfrage von elektro.at, was die Neuorganisation für Österreich konkret bedeutet und wie es hierzulande nun weitergehen soll, will Philips „zeitnah” beantworten. Wir halten Sie natürlich auf dem Laufenden …

UPDATE – 25. März 2021

Am 25. März 2021 wurde bekanntgegeben, dass die Philips Domestic Appliances-Sparte von der asiatischen Investmentgesellschaft Hillhouse Capital um 3,7 Milliarden Euro gekauft wurde (elektro.at berichtete)

Wie Royal Philips erklärt, wird „Domestic Appliances“ seinen Hauptsitz in den Niederlanden behalten und in mehr als 100 Ländern „mit einer globalen Innovations-, Produktions- und Handelspräsenz“ aktiv sein. Frans van Houten, CEO von Royal Philips, sagt zum Verkauf der Haushaltskleingerätesparte: „Ich freue mich, dass wir mit Hillhouse Capital ein neues Zuhause für Domestic Appliances gefunden haben, um die Marktführerschaft, die starke Marke und die Entwicklung neuer Innovationen weiter auszubauen.“

UPDATE – 12. April 2021

Nachdem Philips Personal Health ein langjähriger Industriepartner der drei Elektrokooperationen war bzw. ist, baten wir diese um ein Statement bzw um ihre Einschätzung der Situation.

Alfred Kapfer, Expert, meint: „Insgesamt kam der Verkauf für uns nicht überraschend. Im Hinblick auf die weitere Zusammenarbeit haben bereits im Vorfeld auf Einkaufsebene konstruktive Gespräche stattgefunden. Philips ist und bleibt für uns ein wichtiger Partner mit attraktiven und innovativen Produkten, die von unseren Kunden stark nachgefragt werden. In diesem Sinne sind wir naturgemäß gerne bereit, die bestehende Zusammenarbeit auch unter neuem Eigentümer in der bisherigen Form fortzusetzen bzw. im Idealfall weiter zu vertiefen.“

Michael Hofer, EP, sagt: „Es ist schwer, zu dieser Thematik etwas zu sagen – aber die Entwicklung spricht ohnehin für sich. Als ich zu ElectronicPartner gekommen bin, war Philips in vielen Bereichen Marktführer, ua. bei Fernsehern und bei Kleingeräten. Heute muss man die Marke in der Statistik erst suchen. Es hat sich gezeigt, dass das wiederholte und zT. in kurzen Intervallen erfolgte Ändern der Ausrichtung bzw der Wechsel der Konzernpolitik die Zusammenarbeit zunehmend erschwert und in diesem Zusammenhang die hiesigen Protagonisten keine oder zu wenig Entscheidungsbefugnis haben. Es gibt aber genug Beispiele in der Branche, auch in der Sparte Kleingeräte, wie man arbeiten kann, damit Hersteller und Händler erfolgreich sind und gemeinsam gutes Geld verdienen. Wenn man sich die großartige Performance des Fachhandels im Kleingerätebereich im Jahr 2020 ansieht, bin ich nach wie vor guter Hoffnung, dass auch Philips seinen Fokus wieder mehr in unsere Richtung legen wird.“

Harald Schiefer, Red Zac, erklärt: „Die Zeiten sind geprägt von Covid-19, Lieferschwierigkeiten und Ersatzteilengpässen. Hinzu kommt die schwierige Erreichbarkeit der Industriepartner auf Grund von Homeoffice. Nun ist es umso wichtiger, am Standort Österreich unsere Industriepartner vor Ort zu haben und zu unterstützen.
Es ist für uns und den Fachhandel sehr wichtig, mit den kompetenten Ansprechpartnern und Entscheidungsträgern der Industrie vor Ort Entscheidungen zu treffen. Unsere Händler schätzen den Außendienst der Industrie sehr. Es ist wichtig miteinander zu kommunizieren, zu reden und sich mit dem Außendienst auszutauschen. Gerade jetzt zeigt sich, wie krisensicher und stark der österreichische Fachhandel am Markt agiert.“

Fragen, die sich die E&W Redaktion zu dieser Thematik gestellt hat – und Antworten darauf – finden Sie in den folgenden Videos:

Was wird hinter vorgehaltener Hand über diese Causa geredet?

 

Wie ist das Kommunikationsverhalten von Philips zu bewerten?

 

Wie wirkt sich die Entwicklung von Philips auf den österreichischen Handel aus?

 

Wird Philips heuer die einzige Marke sein, die sich in dieser Art von der Bühne verabschiedet?

 

 

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Artikel E&W 4/2021
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Kommentare (12)

  1. Spitze. Seit 2 Wochen versuche ich bei Philips eine Info zu bekommen, wo ich einen Garatiefall ( Audio noch in der Gewährleistungszeit ) hinsenden kann. Keine Info. Keine Rückmeldung. Die beste Meldung die ich gestern am Tel. bekommen habe: für die Garantie ist der Händler zuständig und muß das Gerät auf seine Kosten in Ordnung bringen lassen, Gewährleistung gibt es keine. Gratuliere, so kann man eine Marke entgültig zu Grabe tragen. Wenn jemand einen passenden Ansprechpartner kennt, wäre ich dankbar für die Info.

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  2. Bye bye love
    Bye bye happiness
    Hello loneliness
    I think I’m gonna cry
    Bye bye love
    Bye bye sweet caress
    Hello emptiness
    I feel like I could die
    Bye bye my love, goodbye

    There goes my baby
    With someone new
    She sure looks happy
    I sure am blue
    She was my baby
    Till he stepped in
    Goodbye to romance
    That might have been

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  3. Gute Nacht Philips… Da fehlen einem die Worte… Die Demontage einer Marke scheint nun endgültig abgeschlossen. Mir tun die Mitarbeiter leid,

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  4. Wenn der Grösste Kunde der Industrie so weitermacht mit ihrer Umstrukturierung werden hier noch viele weitere Jobs verloren gehen. Natürlich werden im Gegenzug Jobs in der Verwaltung geschaffen. Lange wird es die Jobs dort aber nicht geben wenn dann der komplette Einkauf über Deutschland gemacht wird.

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  5. Es ist so traurig das ganze. Es geht mir nicht in den kopf, wie sich eine einst so große Marke, derart selbst verstümmeln kann und dabei über die Leichen ihrer Mitarbeiter steigt

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  6. Auch als Mitbewerber tut es mir Leid für die Menschen in Österreich die jetzt wieder ihren Job verlieren, oder die letzten Jahre schon von Philips geflüchtet sind, Ich kenne einige persönlich. Sie sind lange hinter den Fehlentscheidungen des Konzernes gestanden und wurden letztendlich mit der Schliessung belohnt. Toll!

    Doch dieses Schicksal ist nicht das einzige in unserem wunderschönen aber kleinen Österreich.
    Nur gemeinsam können wir unsere österreichischen Standorte am Leben halten.

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  7. wie man ein – ehemals hervorragendes und höchst qualitatives – Unternehmen so den Bach hinunter“führen“ kann ist mir ein Rätsel, aber es ist so wie leider immer öfter – wenn jemand meint das Rad neu zu erfinden und den Fachhandel dabei zu vergessen, ein Dank an die „intelligenten ManagerInnen“ , man kann sie leider nicht zur Verantwortung ziehen denn sie haften nicht für einen Erfolg mit ihrem Eigenkapital

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  8. 2007 hat Philips die Marktführerschaft bei TV und bei UE gesamt an Samsung verloren. Seit der Zeit ging es bergab, die Healthcare Kategorie hat noch am längsten ausgehalten. Thanks and Bye, der Letzte dreht das Licht ab.

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