Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Freitag, 19. April 2024
Editor's ChoiceMarketplace-Partner SunnyBag gewährt Einblicke

Inside Amazon – nachgefragt beim Online-Riesen

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 19.05.2021 | | 2  Unternehmen, Wissen
Markus Henn, zuständig für Consumer Electronics bei Amazon Marketplace in Deutschland und Österreich, verweist u.a. auf zahlreiche elrfolgreiche Partner aus der Elektrobranche. Markus Henn, zuständig für Consumer Electronics bei Amazon Marketplace in Deutschland und Österreich, verweist u.a. auf zahlreiche elrfolgreiche Partner aus der Elektrobranche. (© Amazon) Anlässlich des Launches des Österreich-Shops hat elektro.at versucht, so einiges direkt bei Amazon in Erfahrung zu bringen – mit partiellem Erfolg. Die erhofften Einblicke gewährte schließlich nicht das Unternehmen selbst, sondern ein langjähriger Handelspartner: SunnyBag-GF Stefan Ponsold berichtet von seinen Erfahrungen.

Seit rund eineinhalb Monaten ist Amazon um ein Angebot reicher: In der Website-Rubrik Amazon Kleine Unternehmen finden Kunden seither ausschließlich Produkte kleiner und mittlerer Unternehmen (KMU) aus Österreich und Deutschland und können das Angebot nach Region oder nach Produktkategorie durchstöbern – mit allen Features, die sie bereits von Amazon kennen. In der Österreich-Kategorie auf Amazon Kleine Unternehmen lassen sich somit ganz gezielt Produkte von österreichischen KMU entdecken (elektro.at berichtete).

Markus Schöberl, Director Seller Services für Österreich und Deutschland, meinte zum neuen Angebot: „Amazon Kleine Unternehmen bietet das regionale Einkaufserlebnis, das unsere Kund:innen verstärkt suchen und von dem insbesondere unsere lokalen Verkaufspartner:innen profitieren! Immerhin ist es die Partnerschaft mit tausenden lokalen Unternehmen, die es uns erlaubt unseren Kund:innen die große Produktvielfalt anzubieten, die sie so lieben.“

Auf Nachfrage von elektro.at bekräftigte Markus Henn, zuständig für Consumer Electronics bei Amazon Marketplace in Deutschland und Österreich: „Um die Sichtbarkeit der kleinen und mittleren Betriebe aus Österreich auf Amazon zu stärken, haben wir ein digitales Schaufenster gebaut: Über die Seite Amazon Kleine Unternehmen können Kund:innen nun in einer eigenen Kategorie Produkte von österreichischen Unternehmen finden. Darunter sind auch zahlreiche innovative Artikel aus der lokalen Elektrobranche. Ein Beispiel sind die Solarrucksäcke von SunnyBag aus Graz. Ein weiteres ist ekey aus Linz: Das Unternehmen entwickelt und produziert Zutrittslösungen mit Fingerprintsystemen in Österreich und vertreibt sie mithilfe von Versand durch Amazon. Diese und viele andere lokale Betriebe sind erfolgreiche Exporteure: 2020 haben österreichische Unternehmen mithilfe von Amazon über 85% ihres Umsatzes durch Verkäufe ins Ausland erwirtschaftet.“

Fragen & Antworten

elektro.at wollte natürlich mehr von Amazon wissen – etwa, was man als die eigenen Erfolgsfaktoren erachtet, welches Potenzial man für den Onlinehandel ortet, ob man „stationäre Ambitionen” wie in den USA auch in unseren Breiten hegt, welche Bedeutung der Preis hat, wie genau man kleine Händler unterstützt, wie man das Spannungsfeld Marktplatzbetreiber vs. direkter Mitbewerber beurteilt oder was man zu den immer wieder vorgebrachten Vorwürfen in Bezug auf Steuern und Abgaben sagt. „Aus Kapazitätsgründen” kam leider kein Interview zustande – dafür erhielten wir schriftliche Statements zu den angefragten Themengebieten. Hier die (ungekürzten) Antworten:

Zur Zusammenarbeit mit Verkaufspartner:innen:

Verkaufspartner:innen helfen dabei, unseren Kunden jeden Tag eine große Auswahl, bequeme Lieferung und niedrige Preisen zu bieten. Sie stehen für etwa 60 Prozent der bei Amazon verkauften Artikel, ihre Verkäufe wachsen schneller als die eigenen Verkäufe von Amazon. Wir geben jedes Jahr Milliarden aus, um Verkaufspartner:innen zu helfen, auf unseren Websites erfolgreich zu sein, ihren Traffic zu steigern, unsere Server und Infrastrukturen zu nutzen, die unseren Online Store jederzeit offen halten, sowie Betrug und Missbrauch auf unseren Websites zu bekämpfen.

Durch die Zusammenarbeit mit unseren Verkaufspartner:innen können wir unseren Kund:innen die Sortimentsbreite anbieten, die sie an Amazon schätzen. Unser Selbstverständnis in diesem Zusammenhang ist klar: wir sehen uns als Partner für österreichische Unternehmen, ihre Produkte an Millionen an Kund:innen in Österreich und der ganzen Welt zu verkaufen.

Kein Unternehmen kümmert sich mehr um kleine Händler oder hat in den vergangenen zwanzig Jahren mehr für ihre Unterstützung getan als Amazon. Es gibt mehr als 150.000 europäische Händler:innen, die in unseren Stores verkaufen. Sie erwirtschaften jährlich mehrere zehn Milliarden Euro Umsatz und haben Hunderttausende von Arbeitsplätzen geschaffen.

Zum Thema Corona:

Mit der Pandemie kommt vielen Einzelhändlern – einschließlich Amazon – die wichtige Rolle zu, Waren für Menschen im ganzen Land nach Hause zu liefern. Dabei unterstützen wir tausende kleine und mittlere Unternehmen aus Österreich und ermöglichen ihnen, ihre Produkte online über den Amazon Marketplace zu verkaufen. Unsere oberste Priorität ist die Gesundheit und das Wohlbefinden unserer Mitarbeiter:innen, so können sie auch im Interesse unserer Verkaufspartner:innen sicher arbeiten.

Zum Thema stationäre Präsenz:

Bitte um Verständnis, aber wir kommentieren Spekulationen über zukünftige Projekte grundsätzlich nicht. Wir haben dazu keine Ankündigung gemacht.

Zum Thema Preisgestaltung:

Wir arbeiten jeden Tag daran, unseren Kund:innen niedrige Preise, eine große Auswahl und eine schnelle Lieferung zu bieten. Unsere Preise schwanken, damit wir den niedrigsten wettbewerbsfähigen Preis von anderen Händler:innen erreichen oder unterbieten können, Preise ändern sich nicht aufgrund des Standorts oder Kaufverhaltens von Kund:innen. Verkaufspartner:innen legen ihre eigenen Preise in unserem Store fest.

Zum Thema Steuern, Nachhaltigkeit und Arbeitsbedinugungen:

Amazon hat immer wieder bewiesen, dass wir für unsere Mitarbeiter:innen, für unsere Kund:innen, sowie für die Menschen in der Umgebung der Standorte da sind. Dazu gehören ein sicheres Arbeitsumfeld, gute Löhne und Zusatzleistungen, wir nehmen eine Vorreiterrolle im Kampf gegen den Klimawandel ein mit dem Versprechen, bis 2040 CO2-neutral zu arbeiten, und wir tragen nicht zuletzt weltweit mit Milliarden von Euro zum Steueraufkommen bei.

Aus erster Hand

SunnyBag-GF Stefan Ponsold fährt gut mit Amazon. Traffic und Conversion Rate sprechen für die Plattform. (©SunnyBag)

Wer könnte besser vom geschäftlichen Alltag mit Amazon berichten als einer, der ihn seit Jahren täglich lebt? elektro.at hat daher mit Stefan Ponsold, Gründer und Geschäftsführer von SunnyBag gesprochen. Seit über zehn Jahren entwickelt, erzeugt und vertreibt das Grazer Unternehmen modische Umhängetaschen und Rucksäcke, die mit biegbaren, wasserfesten Solarpaneelen ausgestattet sind und über einen integrierten Akku jederzeit und überall das umweltfreundliche Laden von Mobilgeräten ermöglichen.

Wie sind Sie bei Amazon gelandet?

Stefan Ponsold: Wir haben uns das Thema Amazon 2014 zum ersten Mal angesehen. Da war Amazon halt noch ein Onlinehändler, der unzählige günstige Produkte vertreibt und wo vieles noch nicht so gut gemacht war wie heute. Wir haben uns aber als Premiummarke gesehen, die bei Premium- bzw. Sporthändlern geführt wird, daher haben wir‘s dann länger Zeit ruhen lassen. 2017/18 hat mir ein Freund erzählt, wie gut sein Geschäft auf Amazon läuft, und mir Sachen wie das FBA-Modell (Fulfillment by Amazon) gezeigt. Parallel dazu ist der klassische Handel immer schwieriger geworden. Je länger man mit einem Handelspartner zusammengearbeitet hat, desto mehr wollten die Geld – WKZs hier, Service-Fees dort, etc. Irgendwann war für uns der Punkt erreicht, wo wir gesagt haben: Wenn das so weiterläuft, macht Handel für uns nicht mehr viel Sinn – und damals waren wir mit unseren Produkten in über 1.400 Shops.
Daher kam die Überlegung, uns stärker auf Online zu konzentrieren, und ich habe begonnen, mich näher mit Amazon zu beschäftigen. Und letztlich muss man sagen: Der Erfolg ist da. Wir sind mit einem Artikel bei Amazon gestartet, haben jetzt 11 Artikel online und einen sehr schönen sechs-, wahrscheinlich bald siebenstelligen Umsatz im Jahr.

Sie verkaufen nur noch über den eigenen Webshop und über Amazon?

Einige ausgewählte Partner im stationären Handel haben wir noch, zB Media Markt, Conrad Electronic sowie einige Sporthändler. Prozentuell sind das unter 10% im Jahr. Ich glaube, das wird sich so halten und passt auch so für uns – wir wollen gar nicht mehr mit Biegen und Brechen jeden Knebelvertrag unterschreiben, nur damit wir ein paar Stück rausbringen.

Gutes Stichwort: Mit Knebelverträgen wird eher Amazon in Verbindung gebracht – zB bezügl. Accountsperren.

Ich hatte dieses Problem zum Glück noch nicht, aber die Gefahr besteht natürlich. Man kann sich auch absichern, indem man nicht alles auf einen Partner setzt – wir haben zB unseren starken eigenen Webshop. Und selbst wenn unser Amazon-Account in Deutschland gesperrt würde, heißt das nicht automatisch, dass die Sperre auch Italien, Frankreich, Spanien etc. betrifft.
Die Partner bzw Mitarbeiter, mit denen wir bei Amazon zusammenarbeiten – wir sind zB bei Amazon Kleine Unternehmen und bei Amazon Vendor, dh Amazon kauft bei uns auch selbst Ware ein – sind cool drauf und mit denen kann man reden.

Das Allerwichtigste für mich als Unternehmer, der Produkte entwickelt und unter einer Marke vertreibt, ist aber, dass die Nachfrage da ist und dass wir einen positiven Deckungsbeitrag erwirtschaften – und das ist bei Amazon mehr denn je möglich. Weil ganz einfach die Amazon-Plattform selbst massiv Traffic hat und die Personen, die auf Amazon sind, diese potenziellen Kunden, haben im Kopf den Schalter schon umgelegt, dass sie jetzt einkaufen wollen. Die gehen nur auf die Plattform, wenn sie wirklich in der Stimmung sind, etwas zu kaufen. Das ist bei anderen Kanälen, wie etwa Facebook oder Instagram, nicht der Fall. Dh die Conversion kostet dort mehr als wenn man Werbung auf Amazon schaltet.

An Amazon schätzen Sie also, dass alles zentral passiert und der Kunde nur noch den „Buy”-Button klicken muss?

So ist es. Der Artikel muss sauber angelegt sein, die Werbung korrekt eingerichtet und schon hat man durch diesen enormen Traffic die Chance, seinen Artikel aufzubauen. Das wird nicht unendlich lange gehen, weil viele kleine Händler ihre Nische gefunden haben werden, aber gerade in den nächsten 2-3 Jahren ist in Europa noch viel möglich.

Es gibt sicher auch schlechte Aspekte, aber Amazon wird gerne dargestellt als der „große böse Amerikaner”, der uns allen die Arbeit wegnimmt und keine Steuern zahlen will. Dabei wird gerne übersehen, dass es dieser enorme Rattenschwanz an kleinen, bei Amazon gelisteten KMUs ist, ohne den das alles nicht funktionieren würde und der in Österreich Abgaben zahlt, Mitarbeiter angemeldet hat, Mehrwertsteuer abführt etc. Amazon selbst verkauft natürlich auch seine Echo-Produkte & Co., aber im Grunde ist Amazon einfach eine Plattform, die gut gemacht ist – die hätte jeder Deutsche auch entwickeln können.

Die Präsenz bei Amazon kostet aber…

39 Euro kostet der Professional Account im Monat, unabhängig vom Umsatz. FBA liegt bei 7-15% Kommission je nach Produktgruppe, dazu kommen noch Werbekosten von durchschnittlich 10% sowie der Versand, der aber wesentlich günstiger ist als wenn wir ihn selbst machen würden.

Die meisten Händler haben aber keine eigenen Produkte, sondern sind auf ihre Lieferanten angewiesen – die selbst bei Amazon verkaufen. Diese Zwickmühle wird oft angekreidet.

D2C – Direct-to-Customer – erlaubt natürlich keinen dazwischen, der keinen Mehrwert schafft. Da muss ein Umdenken stattfinden, dass es so wie früher – Ware reinholen, etwas draufschlagen, dann weiterverkaufen – einfach nicht mehr geht. Wir in Österreich haben ein gewisses G‘spür dafür, wie man eine Marke aufbereiten und vertreiben muss, damit sie qualitativ rüberkommt. Jeder hat die Chance, ein Produkt weiterzuentwickeln oder zu verbessern und dieses dann als geschütztes eigenes Produkt zu vertreiben – zB über Amazon. Darin sehe ich für viele KMUs in Europa eine Zukunft.

Man kann es sich also ganz leicht machen und Amazon als den „Bösen” abstempeln, während man selbst der Gute ist – damit ist das Thema erledigt. Oder man öffnet sich und überlegt, warum das Modell so gut funktioniert und was man selbst daraus lernen kann – dazu muss man sich ja nicht sofort auf Amazon listen lassen. Ich selbst hatte Amazon 2014/15 gedanklich auch schon abgeschlossen, aber jetzt bin ich sehr froh, dass wir diesen Schritt gegangen sind. Corona hätten wir wahrscheinlich gar nicht überlebt, wenn wir nur den klassischen Handel gehabt hätten.

Diesen Beitrag teilen

Kommentare (2)

  1. Bedauerlicherweise schafft es Amazon bei den kostenlosen Verkäufer Accounts aber immer noch nicht, dass man als Österreichisches Unternehmen die Kunden in Österreich auch vernünftig beliefern kann. Versand von z.B. 50 euro Software AT->DE = 3 Euro… Versand von AT->AT = 6 Euro. Versand ohne Versandkosten, sodass man diese per Mischkalkulation in den Produktpreis rein rechnen könnte, oder Lizenz-Codes per eMail gratis versenden könnte: Fehlanzeige, bzw. nur für ~40 Euro pro Monat… wobei es keine Unterscheidung zwischen EPU/KMU und Großkonzernen gibt.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden