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Samstag, 20. April 2024
Hintergrundkommentar E&W 6/2021

Bummelstreik

Hintergrund | Dominik Schebach | 06.06.2021 | Bilder | |  Meinung

Dominik Schebach
Es gibt Dinge, die muss man angehen, und trotzdem sperren wir uns immer wieder dagegen. Schieben sie wegen Unannehmlichkeiten oder Einschränkungen unserer persönlichen Wohlfühlzone auf die lange Bank, nur um nachher festzustellen, dass der Schaden damit umso größer wurde. Der Besuch beim Zahnarzt gehört in diese Kategorie. Im politischen Bereich ist es der Kampf gegen den Klimawandel. Alle Maßnahmen, die wir jetzt aufschieben, vermeiden oder blockieren, müssen wir in ein paar Jahren zu höheren Kosten für die Gesellschaft unter größerem Zeitdruck nachholen.

Deswegen verstehe ich auch nicht ganz, warum man hier unbedingt politisches Kleingeld herausschlagen will. Oder sich ein Unternehmen im Besitz der .öffentlichen Hand mit fadenscheinigen Argumenten gegen Veränderungen sperrt – womit wir im Burgenland sind. Dort sind zum zweiten Mal innerhalb eines halben Jahres die Blockierer am Werk. Nachdem der Versuch zur Einführung einer PV-Abgabe Ende vergangenen Jahres gerade noch abgebogen wurde, erhalten nun PV-Anlagen über 20 kWp keine Netzzulassung mehr. Seitens des Landesenergieversorgers Energie Burgenland wird dies mit zu geringen Netzkapazitäten begründet.

Die Frage drängt sich auf: Was hat das Unternehmen bitte in den vergangenen 20 Jahren gemacht? Wir wissen seit Jahrzehnten, was in Sachen Klimawandel und Energiewende auf uns zukommt. Die weitgehende Elektrifizierung unseres Energiesystems – einschließlich Industrie, Raumwärme und Warmwasser sowie Mobilität – ist eine seit langem anerkannte Notwendigkeit. Wer da 2029 als den frühestmöglichen Zeitpunkt zur Bereitstellung der notwendigen Infrastruktur für eine 300 kWp-Anlage nennt und das nicht einmal verbindlich, erweckt den Eindruck eines Bummelstreiks. Die Optik ist verheerend.

Da helfen auch keine Beteuerungen, dass der Netzausbau der Energie Burgenland das „Vorzeigebeispiel für langfristig sinnvoll und nachhaltige Infrastrukturentwicklung“ sei. Von einem professionellen Versorger erwartet man sich hier zumindest einen verbindlichen Zeitrahmen. Denn wir wollen nicht nur investieren, wir müssen – wenn die Energiewende gelingen soll. Viele private Hausbesitzer aber auch Unternehmer haben dies erkannt und für sie ist die Frage nicht mehr „Ob?“, sondern „Wann?“ und „Wie viel?“.

Deswegen ist es unverständlich, dass die entsprechenden Pläne nicht schon langst in der Schublade der Versorgungsunternehmen liegen oder noch besser veröffentlicht sind, sodass Interessenten ihre Planung gemeinsam mit den Energieversorgern entwickeln können. Dazu bedarf es allerdings auch einer ernsthaften Partnerschaft mit den lokalen, dezentralen Energieerzeugern. Das bringt zwar einen gewissen Kontrollverlust mit sich, aber die Versorger können die Energiewende nicht alleine stemmen. Dazu ist eine Anstrengung der gesamten Gesellschaft notwendig. Das mag am Selbstverständnis dieser Gesellschaften als die alleinigen Herren über die Infrastruktur nagen, aber in diesen sauren Apfel müssen sie beißen, und nicht potenzielle Partner mit Aussagen von „2029“ vor den Kopf stoßen.

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