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Samstag, 20. April 2024
Editorial E&W 7-8/2021 über einen wichtigen ersten Schritt

Der Wind hat sich gedreht

Hintergrund | Dominik Schebach | 11.07.2021 | Bilder | | 1  Meinung

Dominik Schebach
In der vorangegangenen Ausgabe schrieb mein Kollege Wolfgang Schalko an dieser Stelle, „lasst uns die Dinge ändern“. Heute möchte ich hier über ein Thema schreiben, das so manche Seele zum Kochen bringt, wo sich aber zumindest eine positive Wendung abzeichnet: Es geht um die Steuervorteile, welche der internationale Online-Handel genießt. 

An dieser Front tut sich was. Einerseits hat die EU nun endlich, nach mehreren Verzögerungen, weil einige der Mitgliedsstaaten in der Umsetzung nicht nachkamen, die unsägliche Lücke bei der Einfuhrumsatzsteuer gestopft. Das ist höchst erfreulich, weil damit werden die Direktversender aus Drittstaaten in die Pflicht genommen. Seit 1. Juli 2021 müssen auch diese ab 1 Cent die E-UST abführen. Und wenn man schon einmal dabei ist, sollte man auch gleich bei Abgaben wie URA und E-Schrott nachfassen.

Ich möchte auch deswegen diese Umstellung in Einfuhrumsatzsteuer als einen erfreulichen ersten Schritt verbuchen, weil sie zusätzlich die Konsumenten in die Pflicht nimmt. Denn bei den so häufigen Falschdeklarationen und anderen „Zollhindernissen“ müssen nun die Empfänger nicht nur die notwendige Dokumentation nachreichen, sondern auch die Bearbeitungskosten für Post sowie Einfuhrumsatzsteuer und Zoll abführen. Verweigert der Empfänger die Annahme, so wird die Sendung retourniert bzw. verfällt. Diese Vorgehensweise kann man ruhig als erzieherische Maßnahme werten. Schließlich wird damit diesen Endkonsumenten deutlich gemacht, dass auch sie etwas zu dem System der Steuervermeidung beitragen. Es ist daher zu hoffen, dass die nun getroffenen Maßnahmen auch greifen und kein totes Recht bleiben.

Aber mehr kündigt sich an. Denn nun finden sich auch die internationalen Online-Konzerne im Fadenkreuz wieder. Bisher konnten sich diese Unternehmen darauf verlassen, dass einzelne Staaten, auf den eigenen Vorteil bedacht, ihnen großzügige Steuerlücken für ihre Niederlassungen einräumten. Dies wurden dann von den internationalen Unternehmen wie Amazon, Google oder Facebook konsequent ausgenutzt, um Steuern zu vermeiden.

Heißt das, alles wird gut? Natürlich nicht – und vor allem nicht sofort. Aber es ist ein Anfang.

Man muss es ganz klar sagen: Das ist zwar legal, aber nicht in Ordnung. Die internationalen Konzerne zahlen nicht ihren fairen Anteil. Denn sie nutzen gemeinschaftliche Infrastruktur, angefangen bei handfesten Dingen wie Straßen und Flughäfen, bis hin zu den weniger greifbaren Grundlagen unserer Gesellschaft wie Rechtssicherheit und Ausbildung der Mitarbeiter. Ohne diese Basis könnte kein Onliner funktionieren, diese Unternehmen tragen aber nicht durch ihre Steuern zu deren Erhaltung bei. Diese Last liegt ausschließlich auf den Schultern der Endkonsumenten sowie der Unternehmen, die ihre Gewinne eben nicht mit fadenscheinigen Argumenten zwischen diversen Steuerparadiesen hin und her verschieben können. Mit dem Ergebnis, dass diese internationalen Player einen doppelten Wettbewerbsvorteil genießen. Schließlich können sie diese eingesparten Ressourcen in den Ausbau ihrer Marktmacht stecken.

Aber jetzt hat sich der Wind gedreht. Vor allem die USA halten nicht mehr bedingungslos ihre schützende Hand über die Konzerne. Am vergangenen G7-Gipfel haben sich deswegen die Finanzminister der sieben größten westlichen Industriestaaten auf ein neues System der Besteuerung für die größten Konzerne geeinigt. Ein besonders wichtiger Punkt ist dabei der Abgang vom Unternehmenssitz-Prinzip. In Zukunft soll zumindest ein Teil der Steuern in jenem Land abgeführt werden, wo der Umsatz geschieht. Gleichzeitig haben sich die führenden Industriestaaten auf einen internationalen Mindeststeuersatz geeinigt. Die Marschrichtung wurde in der darauffolgenden Tagung der OECD weitgehend bestätigt. Dort verhandeln nun 130 Staaten über eine entsprechende Änderung der internationalen Steuerabkommen und auch auch in der Gruppe der G20 – die Gruppe der größten Industriestaaten und Entwicklungsländer – zeichnet sich ein Umschwung ab.

Heißt das, alles wird gut? Natürlich nicht – und vor allem nicht sofort. Aber es ist ein Anfang. Der Hindernisse gibt es allerdings noch viele: Erstens brauchen solche internationalen Verhandlungen immer ihre Zeit. Hier steckt der Teufel im Detail und jeder der internationalen Akteure wird versuchen, dass Maximum für seine Konzerne herauszuholen. Dass die entsprechenden Regelungen wie kolportiert im Jahr 2023 in Kraft treten sollen, erscheint da übermäßig optimistisch. Zweitens wehren sich die bisherigen Profiteure des derzeitigen Zustandes, wie karibische Steueroasen, aber auch Staaten wie Irland und Luxemburg, bereits mit Händen und Füßen gegen die geplanten Veränderungen des Systems. Und drittens werden internationale Konzerne sofort ihre Heerscharen an Anwälten, Lobbyisten und Steuerrechtlern in Marsch setzen, um sich neue Möglichkeiten der Steueroptimierung zu sichern.

Dennoch ist die Entwicklung ermutigend. Die Zeiten, in denen sich viele Staaten einfach taub stellten, wenn es um eine faire Besteuerung der Online-Umsätze geht, neigt sich ihrem Ende zu. Selbst in den USA hat sich die Erkenntnis durchgesetzt, dass eine steuerliche Begünstigung der Online-Konzerne nicht mehr tragbar ist. Dazu schleusen sie inzwischen zu viel Geld am Fiskus vorbei. Man könnte auch sagen, die Online-Riesen werden hier zumindest ein Opfer ihres eigenen Erfolges. Eine vernünftige internationale Besteuerung der Online-Konzerne erscheint damit möglich. Damit wird zwar deren Vorteil etwas eingeschränkt, ein wirkliches Gleichgewicht im Wettbewerb zwischen dem mittelständischen Handel vor Ort und den internationalen Onlinern wird allerdings nicht hergestellt. Dafür müsste man wohl zu schärferen Maßnahmen wie einer Zerschlagung dieser Konzerne greifen. Auch dazu gibt es vor allem in den USA inzwischen einige Diskussionen. Als österreichisches KMU sollte man darauf allerdings nicht bauen.

 

 

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Kommentare (1)

  1. Zweifelsohne ist es ein guter Ansatz, dass multinationlae Unternehmen wir Amazon in den Ländern in denen sie tätig sind Unternehmenssteuern zahlen. Dabei wird vermutlich auf längere Sicht keine Einkommens- bzw. Körperschaftssteuer anfallen, da hier lokale Verluste gemäß dem Gleichheitsgrundsatz angerechnet werden müßten. Wen es näher interessiert, möge nach dem sher interessanten Dossier „The Amazon Method: How to take advantage of the international state system to avoid paying tax“ suchen.

    Bei der Umsatzsteuer sollte es eigentlich kein Problem sein zu überprüfen, ob da auch korrekt abgerechnet wird. Allerdings fakturiert Amazon seine Lieferungen nicht nur von Luxemburg aus, sondern auch aus anderen EU-Ländern, was die Sache sicher kompliziert. Die Umsatzsteuer ist aber jener Teil der immer zu Staatseinnahmen führen muss, weil diese von den Endkunden bezahlt wird. Wäre halt wirklich toll, wenn man hier mal erfahren würde, dass das regelmäßig überprüft und für korrekt befunden wurde.

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