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Donnerstag, 25. April 2024
„Kaperung" von Amazon-Produktseiten als kriminelles Massenphänomen

„Diskriminierung österreichischer Händler muss ein Ende haben“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 15.07.2021 | | 2  
(Bild: Amazon) (Bild: Amazon) Immer mehr heimische KMU verkaufen über den Amazon Marketplace. Dort herrscht allerdings ein harter Konkurrenzkampf und teils unlautere Praktiken, wie der Handelsverband sagt. Besonders problematisch sei die „Kaperung“ von Amazon-Produktdetailseiten, wobei eigene Produktangebote schleichend von der Konkurrenz übernommen würden, etwa durch ungewollte Anpassungen von Produktbezeichnungen oder -beschreibungen.

Der Onlinehandel boomt, 2021 steigen die Umsätze in Österreich um mehr als +20%. Für viele heimische Händler ist es allerdings schwierig, eine unabhängige Onlinepräsenz mit eigenem Webshop aufzubauen. Die Konsumenten nutzen überwiegend große Plattformen wie den Amazon-Marktplatz. Dort können auch KMU-Händler im ‚Seller-Programm‘ an der bewährten Infrastruktur partizipieren und Millionen von Kunden ansprechen.

„Fast zwangsläufig zieht ein derart erfolgreiches System einen harten Konkurrenzkampf und teils unlautere Praktiken nach sich. Besonders problematisch ist die ‚Kaperung‘ von Amazon-Produktdetailseiten, wobei eigene Produktangebote schleichend von der Konkurrenz übernommen werden, etwa durch ungewollte Anpassungen von Produktbezeichnungen oder -beschreibungen. Wir haben Rückmeldungen betroffener Händler erhalten, bei denen ein einzelnes Produkt mehr als 600 Mal plagiiert wurde“, sagt Handelsverband Geschäftsführer Rainer Will.

Dies könne zu beachtlichen Umsatzeinbußen führen und hänge damit zusammen, dass Amazon zur eindeutigen Kennzeichnung von Produkten sogenannte Standard-Identifikationsnummern (ASIN) vergibt, wie der Handelsverband erklärt. „Die Richtlinie zur ASIN-Erstellung von Amazon sieht nämlich vor, dass ASIN bei gleichen Produkten identisch sein müssen. Dadurch ist ein ‚Anhängen‘ an bestehende Angebotsseiten beim Verkauf von Drittherstellerprodukten vielfach erforderlich. Die Konsumenten sehen dann zwar in der Regel jenen Inhalt, den der Originalanbieter erstellt hat, sie können aber zwischen verschiedenen Verkäufern wählen. Diese Möglichkeit nutzen Fake-Anbieter offensichtlich gerne aus.

Die betroffenen Originalanbieter können Fake-Angebote zwar löschen lassen, allerdings dauert es einige Tage, bis diese Angebote tatsächlich von Amazon entfernt werden. Konsumenten, die in der Zwischenzeit das Fake-Produkt gekauft haben und nicht damit zufrieden sind, bewerten das Produkt entsprechend negativ – und damit verschlechtert sich automatisch auch die Bewertung des seriösen Originalangebots. Somit belasten Plagiatsanbieter, selbst nachdem sie vom Marktplatz entfernt wurden, die Verkäufe der Originalanbieter.“

Österreich bleibt außen vor

Die beste Möglichkeit, kriminelle Mitbewerber aus Drittstaaten von den eigenen Produktdetailseiten fernzuhalten, bietet die Amazon-Markenregistrierung. „Sofern eine Markenregistrierung bei Amazon erfolgt, können sich Drittanbieter bei den jeweiligen Angebotsseiten nicht mehr ‚anhängen‘. Eine Kaperung der Amazon-Produktseite ist dadurch ausgeschlossen. Allerdings akzeptiert Amazon nur Marken von ausgewählten staatlichen Markenämtern wie Großbritannien, Frankreich, Deutschland, den USA, Polen oder auch der Europäischen Union. Österreich fällt derzeit leider nicht darunter. Daher kann eine nur beim Österreichischen Patentamt eingetragene Marke nicht zur Produktkennzeichnung auf Amazon verwendet werden“, erklärt Arthur Stadler, Partner bei Stadler Völkel Rechtsanwälte.

Aus Sicht des Handelsverbandes und von Stadler Völkel ist nicht nachvollziehbar, warum – trotz nahezu inhaltsgleicher Ausrichtung des deutschen Amazon-Marktplatzes – auf dem österreichischen Markt keine Möglichkeit besteht, dort vertriebene Produkte über die Amazon-Markenregistrierung auch mit Marken zu schützen, welche vom Österreichischen Patentamt registriert wurden. „Viele heimische Betriebe haben ihre österreichische Marke oftmals über Jahre aufgebaut. Durch die Amazon-Regelung werden sie von der Verwendung zur Produktkennzeichnung auf Amazon ausgeschlossen und damit ganz klar benachteiligt. Daher fordern wir ein sofortiges Ende der Diskriminierung österreichischer Händler bei der Markenregistrierung auf dem weltgrößten eCommerce-Marktplatz“, stellt Will klar.

Besonders im Hinblick auf die marktbeherrschende Stellung, die Amazon im deutschsprachigen Raum und auch international innehat, wäre eine Beseitigung der Barrieren und eine Beendigung der faktischen Diskriminierung essenziell und ein weiterer Faktor, um mehr Wettbewerbsfairness herzustellen.

„Amazon stellt den heimischen Markeninhabern zwar einige technische Tools bereit, um gegen das kriminelle Massenphänomen der Kaperung von Produktseiten vorzugehen. Allerdings haben sich diese Werkzeuge in der Praxis als zu wenig effektiv herausgestellt. Das ist ein aussichtsloser Kampf gegen Windmühlen. Daher ist die Ausweitung der Amazon-Markenregistrierung auf Österreich alternativlos“, so Rainer Will abschließend.

 

 

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Kommentare (2)

  1. Amazon schafft es weder, dass man als eingeloggter Käufer in AT Preise mit 20% USt sieht, noch, dass man mit einem kostenlosen Verkäuferkonto und AT Firmensitz auch Kunden in AT Inland-Versandkosten verrechnet. Davon, dass Produkte ausgeblendet werden, welche nach Österreich sowieso nicht geliefert werden, mal ganz zu schweigen. Selbst wenn die AT Umsätze von Amazon den heimischen Händlern weh tun, dürften Sie für Amazon nur Kleinkram sein. Sonst würde man all das mal in Angriff nehmen…

    2
    1. Ungern, aber doch muss ich teilweise widersprechen.

      Amazon zeigt seit einigen Monaten die richtigen Preise, also mit 20% österreichischer MwSt an.

      Beim Verkäuferkonto kann ich leider nicht mitreden.

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