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Freitag, 19. April 2024
Arbeitsplatzerhaltung und -sicherheit müsse im Vordergrund stehen

KV-Verhandlungen: „Keine weiteren Zuschläge und Gehaltsanpassung mit Augenmaß“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 15.10.2021 | |  
(Bild: Rainer Sturm/ pixelio.de) (Bild: Rainer Sturm/ pixelio.de) Die von der Gewerkschaft geforderten „kräftigen" Gehaltserhöhungen für die mehr als 415.000 Angestellten im heimischen Handel, die „nicht hoch genug ausfallen" können, sowie ein Nachtzuschlag von 50% zwischen 21.00 und 6.00 Uhr und weitere Zuschläge ab der ersten Stunde Mehrarbeit, sind für den Handelsverband nicht nachvollziehbar, wie er in einer Aussendung betont. Coronabedingte Umsatzeinbrüche und die Beschaffungskrise würden wenig finanziellen Spielraum bieten.

„Wenn die Gewerkschaft mitteilt, dass die Gehaltserhöhung im Handel nicht hoch genug ausfallen kann, möchten wir daran erinnern, dass dies auch jemand zahlen muss, der es im Vorfeld erwirtschaftet. Ansonsten ist der Arbeitsplatzerhalt im zweiten Pandemiejahr gefährdet. Daher muss die Gehaltsanpassung mit Augenmaß erfolgen und unter dem Gesichtspunkt, dass es für den Handel zurzeit eine Vierfach-Belastung gibt“, erklärt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will in einer ersten Stellungnahme. „Der österreichische Handel hat zurzeit nicht nur mit einer globalen Beschaffungskrise, hohen Rohstoff- und Logistikkosten sowie mit einem erneuten Rückgang der Verbraucherstimmung zu kämpfen. Darüber hinaus leiden viele Geschäfte noch immer stark unter den negativen Folgen der Corona-Krise. In dieser schwierigen wirtschaftlichen Phase muss die Arbeitsplatzerhaltung und -sicherheit im Vordergrund stehen. Zusätzlich müssen alle Händler spätestens mit 1.1.2022 auf den neuen Handels-Kollektivvertrag umstellen, der wiederum Lohnerhöhungen und steigenden Kosten mit sich bringt.“

Umsätze 2021 unter den Erwartungen

Auch der Handelsverband stehe für einen „Zukunftsdeal“ mit den Beschäftigten. Daher sei ein „kräftiges“ Gehaltsplus „heuer einfach nicht drinnen“. Nachdem die Steuerreformmehr netto vom brutto“ für die Arbeitnehmer bringen werde, sei es jetzt wichtig, dass wir uns gemeinsam für eine Lohnnebenkostensenkung einsetzen. Immerhin sei Österreich hier EU-weit auf Platz 3 der Höchstbelastung.

Der Einzelhandel stehe jedenfalls unter großem Druck und dieser werde sich auch in absehbarer Zukunft nicht reduzieren. „Die Umsätze haben in vielen Bereichen noch immer nicht das Niveau vor der Pandemie erreicht, auch die Kundenfrequenzen liegen derzeit deutlich unter den Erwartungen“, sagt der Handelsverband, der vor diesem Hintergrund appelliert, die anstehenden Kollektivvertrags-Verhandlungsrunden „mit Maß und Ziel“ zu führen. „Denn während jetzt das Inflationsgespenst als Folge der Pandemie und der weltweiten Beschaffungskrise herumgeistert, steigt auch die Erwartung, dass bei den KV-Verhandlungen hohe Abschlüsse möglich seien. Die Gewerkschaft hat Recht, dass es noch viele Betriebe gibt, die pandemiebedingt eine schwierige Situation durchlaufen. Daher braucht es Verhandlungen mit Augenmaß. Schließlich handelt es sich um den Kollektivvertrag und nicht um Anpassungen auf betrieblicher Ebene, wo differenziert werden kann. Die Inflationsabgeltung kann nicht allein durch den Handel erfolgen. Das ist auch nicht der Fall, denn die kürzlich beschlossene Lohn- und Einkommenssteuersenkung bedeutet mehr netto vom brutto für die arbeitende Bevölkerung.“

Kompliziertes & antiquiertes Zuschlagwesen dringend aufzulösen

Verbesserungen im Rahmenrecht wären begrüßenswert, wenn damit eine „radikale Entbürokratisierung“ gemeint ist, die seit Jahren überfällig sei, sagt der Verband. „Der Mitarbeitereinsatz ist hierzulande hochkompliziert und nimmt in der Ab- und Verrechnung unfassbare Ausmaße an, wir sind schon jetzt am Ende der Administrierbarkeit. Statt über neue Zuschläge nachzudenken, sollte das Zuschlagswesen stark vereinfacht werden und überholte Zuschläge, wie jene an Samstagen ab 13 Uhr, endlich abgeschafft werden.“

Verbesserte Rahmenbedingungen für Lehrlinge

Der Handel bekenne sich überdies klar zu verbesserten Rahmenbedingungen für Lehrlinge, wie der Handelsverband erklärt. „Hier wurde in den letzten Jahren auch monetär bereits überdurchschnittlich bei den Entschädigungen angepasst. Der von der Gewerkschaft geforderte Digitalisierungsbonus von 250 Euro pro Lehrling wird damit begründet, dass diese von der Bundesregierung nicht mit Laptops und Tablets ausgestattet werden. Dieses politische Versäumnis nun auf die Handelsunternehmen abwälzen zu wollen, ist nicht nachvollziehbar!“, sagt Rainer Will und er ergänzt: „Die von der Gewerkschaft geforderte bessere Erreichbarkeit der sechsten Urlaubswoche ist in einem Pandemiephase, wo jede Person im Geschäft gebraucht wird und die Branche 20.000 weitere Arbeitskräfte sucht, eine Illusion.“

Rechtsanspruch auf Stundenerhöhung wäre unverhältnismäßiger Eingriff in Geschäftstätigkeit

Es gebe im Übrigen kaum eine Branche, in der die Beschäftigten auch in Teilzeitrolle Leitungs- und Führungsverantwortung übernehmen können. „Das von der GPA geforderte Recht auf Stundenerhöhung, wenn Beschäftigte mehr als drei Monate lang regelmäßig Mehrstunden geleitet haben, ist jedoch ein unverhältnismäßiger Eingriff in die Geschäftstätigkeit. Das Ausmaß der Arbeitszeit muss einvernehmlich festgelegt werden“, so der Handelsverband, der die Behauptung klar zurückweist, dass eine hohe Arbeitsbelastung und schlechte Arbeitsbedingungen für viele der neue Alltag geworden seien. „Die Gewerkschaft hat stets die Gehaltsrunden und das Rahmenrecht mitgestaltet, das in Österreich europaweit einzigartige Ausnahmeregeln abbildet. Jedoch können die Arbeitgeber nichts für pandemiebedingte Erschwernisse, etwa die Maskenpflicht. Hier setzen wir darauf, dass sich die GPA weiterhin gemeinsam mit uns beim Gesundheitsminister für einen Entfall der Maskenpflicht bei Vorlage eines 3-G-Nachweises für Handelsangestellte einsetzt, um Erleichterungen im beruflichen Alltag zu erwirken“, so Rainer Will.

Arbeitsplatzerhalt muss im Vordergrund stehen

Laut dem Handelsverband GF, sei es tatsächlich so, dass viele Betriebe ihre Krisenverluste noch lange nicht getilgt haben. „Gerade die KMU-Händler leiden noch immer massiv unter der Pandemie, viele können sich eine deutliche KV-Erhöhung schlicht nicht leisten. Laut einer bundesweiten Befragung haben die heimischen Händler aufgrund der Corona-Pandemie einen Umsatzeinbruch von durchschnittlich 25% verzeichnet. Jeder zehnte Händler musste sogar Umsatzeinbußen von über 75% bis hin zum Totalausfall verkraften.“ Das betreffe insbesondere kleine und mittelständische Betriebe in den Tourismusregionen.

Handelsverband-Präsident Stephan Mayer-Heinisch, appelliert: „Für das Gesamtjahr 2021 rechnen unsere Händler im Schnitt mit einem Umsatzrückgang von vier Prozent, also sogar mit weiteren Verlusten im Vergleich zum Krisenjahr 2020. Angesichts dieser herausfordernden Lage gilt es, an einem Strang zu ziehen. Wir ersuchen dies in den KV-Verhandlungen zu berücksichtigen.“

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