Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Dienstag, 19. März 2024
Konsum-Boom kommt – Lieferketten bleiben verwundbar

Acredia: Welthandel vor Comeback

Hintergrund | Dominik Schebach | 09.12.2021 | |  
Aufgrund der hohen Abhängigkeit europäischer Hersteller von asiatischen Zwischenerzeugnissen sieht Acredia-Vorständin Gudrun Meierschitz europäische Unternehmen weiterhin gefährdet: „Wir schätzen, dass aktuell rund 4 % der weltweit gehandelten Waren durch Engpässe in der Schifffahrt feststecken. Das Tauziehen um Waren dürfte bis mindestens Sommer 2022 weitergehen. Die USA sitzen dabei weiterhin am längeren Hebel und Europa muss sich hinten anstellen. Aufgrund der hohen Abhängigkeit europäischer Hersteller von asiatischen Zwischenerzeugnissen sieht Acredia-Vorständin Gudrun Meierschitz europäische Unternehmen weiterhin gefährdet: „Wir schätzen, dass aktuell rund 4 % der weltweit gehandelten Waren durch Engpässe in der Schifffahrt feststecken. Das Tauziehen um Waren dürfte bis mindestens Sommer 2022 weitergehen. Die USA sitzen dabei weiterhin am längeren Hebel und Europa muss sich hinten anstellen." (© Acredia) Acredia hat sich die jüngsten Daten zum Welthandel angesehen. Das Resümee des Kreditversicherers: Konsum-Boom trifft Lieferengpässe. Unterbrechungen in den Lieferketten, Inflation und natürlich die vielerorts rollende vierte Corona-Welle sorgen für einen volatilen Mix, der nach Einschätzung von Acredia zumindest noch bis Sommer 2022 anhält.

Die gemeinsam mit Euler Hermes erstellte Studie verheißt für den Welthandel Licht und Schatten. Der Einbruch beim weltweiten Handel mit Waren im 3. Quartal 2021 (-1,1 % beim Volumen im Vergleich zum Vorquartal) im Zuge der vielerorts rollenden vierten Coronawelle dürfte so Acredia nur vorübergehend sein. Schon im Q4/2021 sollte sich der weltweite Warenhandel mit +0,8 % zum Vorquartal leicht erholen. Insgesamt legt der Welthandel 2021 beim Volumen der gehandelten Waren und Dienstleistungen um voraussichtlich rund 8 % über dem Vorjahr, beim Wert sogar um +18 %. Gründe für den starken Preisauftrieb sind, neben Lieferengpässen, die hohen Frachtkosten in der Schifffahrt und der starke US-Dollar (USD). In den kommenden zwei Jahren dürfte sich das weltweite Handelsvolumen mit +5,4 % im Jahr 2022 und +4 % im Jahr 2023 sukzessive auf Vorkrisenniveau einpendeln. Auch die Entwicklung beim Wert der gehandelten Waren normalisiert sich in den kommenden zwei Jahren (2022: +7,2 %; 2023: +5,7 %).

Keine Entspannung sieht Acredia in den Lieferketten. „Die Volatilität bleibt auch im kommenden Jahr an der Tagesordnung“, unterstreicht Acredia-Vorständin Gudrun Meierschitz. „Wir schätzen, dass aktuell rund 4 % der weltweit gehandelten Waren durch Engpässe in der Schifffahrt feststecken. Das Tauziehen um Waren dürfte bis mindestens Sommer 2022 weitergehen. Die USA sitzen dabei weiterhin am längeren Hebel und Europa muss sich hinten anstellen. China bleibt dabei der Flaschenhals aufgrund der Null-Covid-Politik sowie einer starken Volatilität bei der Nachfrage und Transportkapazitäten im Zuge des Chinesischen Neujahrs.“

Hier rächt sich die Abhängigkeit Europas von Zwischenerzeugnissen aus China. Haushaltsgeräte, Unterhaltungselektronik, Automobilbranche sowie Maschinen und Anlagen sind am stärksten von Vorleistungsengpässen betroffen, insbesondere bei Halbleitern. Acredia geht von spürbaren Rückgängen u.a. im Automobil-Sektor (-6%) und Elektronikbereich (-1%). Gleichzeitig gehören der Energie- und Elektroniksektor sowie Maschinen und Anlagen aufgrund der hohen Nachfrage aber auch zu den Exportgewinnern von 2021. 2022 dürften sie ebenfalls ein starkes Exportwachstum verzeichnen. 2023 dürften dann insbesondere die Autobauer und -zulieferer nach langer Durststrecke wieder zu den Exportgewinnern zählen.

Halbleiter bleiben Mangelware

Auch die angespannte Situation bei Halbleitern wird sich auch im kommenden Jahr nicht entschärfen. „Unternehmen konnten ihre Bestände zuletzt etwas aufstocken, aber Halbleiter bleiben trotzdem weiterhin Mangelware“, sagt Meierschitz. „Taiwan ist der weltweit größte Produzent von Halbleitern und hat zuletzt Produktionskapazitäten deutlich ausgebaut. Diese liegen durchschnittlich jetzt sogar höher als vor der Pandemie. Die größten Kontingente haben sich allerdings Asien und die USA gesichert. Europa hatte im Vergleich das Nachsehen.“

Mittelfristige Normalisierung

Mittelfristig geht die Acredia-Studie von einer weiteren Normalisierung im Welthandel aus. Dazu tragen laut Meierschitz der weltweite Konsum, Lagerbestände sowie die Verfügbaren Kapazitäten in der Produktion sowie im Schiffstransport bei. Der Konsum boomt und er dürfte seinen Höhenflug fortsetzen und somit weiterhin für eine hohe Nachfrage sorgen. Die Lager sind in den meisten Branchen ebenfalls wieder auf Vorkrisenniveau gefüllt. Selbst bei Halbleitern dürfte sich die Lage nach und nach entspannen.

„Die meisten Unternehmen werden allein wegen der Kosteneffizienz schrittweise zur ‚Just in time‘-Lagerhaltung zurückkehren. ‚Just in case‘ und Hamstern sind auf Dauer schlicht zu teuer“, sagt Meierschitz. „Frachtraten haben im September 2021 ein Rekordhoch erreicht und lagen sechs bis sieben Mal höher als vor der Pandemie. 2022 bleiben sie voraussichtlich auf hohem Niveau, dürften aber ab dem 4. Quartal 2021 langsam nachgeben.“

Erhöhte Schiffskapazitäten alleine reichen dabei allerdings nicht aus. Auch die Hafeninfrastruktur spielt eine wichtige Rolle. Da zeichnen sich mit dem staatlichen Investitionsprogramm in Höhe von 17 Milliarden USD vor allem in den USA Verbesserungen ab. In Europa gibt es hingegen keine groß angelegten Pläne für Infrastrukturinvestitionen. Aufgrund der großen Abhängigkeit europäischer Unternehmen von Zwischenerzeugnissen aus dem Ausland, insbesondere aus Asien, bleibt hier langfristig ein erhöhtes Risiko für Schocks in der Versorgungskette.

Diesen Beitrag teilen

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden