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Freitag, 19. April 2024
Creditreform Insolvenzstatistik 2021

Creditreform: Insolvenzen steigen wieder

Hintergrund | Julia Jamy | 12.01.2022 | |  
Die Gesamtzahl an Firmeninsolvenzen ist nach dem starken Einbruch seit Beginn der Corona-Pandemie nur mehr 1,0% zurückgegangen. Die Gesamtzahl an Firmeninsolvenzen ist nach dem starken Einbruch seit Beginn der Corona-Pandemie nur mehr 1,0% zurückgegangen. (© Creditreform Insolvenzstatistik 2021) Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat die endgültigen Zahlen der aktuellen Insolvenzentwicklung in Österreich 2021 erhoben: Die Gesamtzahl an Firmeninsolvenzen ist nach dem starken Einbruch seit Beginn der Corona-Pandemie nur mehr 1,0% zurückgegangen. Ein Blick in die Details zeigt, dass dieser Trend der letzten eineinhalb Jahre nun zu Ende geht.

Der Gläubigerschutzverband Creditreform hat den aktuellen Trend bei den Firmeninsolvenzen für das Jahr 2021 in Österreich im Detail analysiert: Insgesamt gab es in Österreich 10.733 Firmen- und Privatinsolvenzen (-3,1%). Aber seit dem Spätsommer und massiv im 4. Quartal 2021 steigen die Insolvenzen wieder, auch im Vergleich zum Vor-Corona-Jahr 2019.

Die Zahl der eröffneten Verfahren ist erstmals seit sechs Quartalen um 12,3% auf über 2.000 gestiegen. Betrachtet man allein das 4. Quartal 2021, so zeigt sich, dass die Zahl der eröffneten Verfahren um 174% angestiegen ist. Das sind 12 Insolvenzen pro Werktag. Als Grund für die „Normalisierung“ des In- solvenzgeschehens sieht Creditreform-GF Gerhard M. Weinhofer das Auslaufen der Stundungen durch GKK und Finanzämter und die vermehrte Antragsstellung auf Insolvenzeröffnung durch diese Institutionen. Dazu kommt, dass viele Unternehmer durch die volatile, stark verunsichernde Pandemiesituation, in der eine betriebswirtschaftliche Planbarkeit erschwert wird, die Reißleine gezogen haben.

Die Insolvenzursachen liegen laut Weinhofer generell in Managementfehlern, im Wettbewerb (Preiskampf, sinkende Margen) sowie im Mangel an Kapital und damit konkret in Problemen bei der Rückzahlung der gestundeten Abgaben und Steuern. „Da es nur wenige Großinsolvenzen gab, sind sowohl die Insolvenzpassiva (ca. 1,1 Mrd. Euro) als auch die betroffenen Arbeitsplätze (ca. 8.800) stark rückläufig.“, so Weinhofer.

Bundesländervergleich

Den stärksten Rückgang verzeichneten Vorarlberg, Salzburg und Kärnten. (Grafik: Creditreform Insolvenzstatistik 2021)

Den stärksten Rückgang verzeichneten Vorarlberg (-30,1%), Kärnten (-23,0%) und Salzburg (-13,3%). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt mit knapp 12 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit weniger als 3 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten mehr als 6 von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen.

Branchenvergleich

Am stärksten stiegen die Insolvenzen im Transportwesen („Verkehr- und Nachrichtenüber- mittlung“) mit einem Plus von 19,7%, im Handel (+4,0%) und im Bauwesen (+3,4%). Hinge- gen gingen die Insolvenzen im Tourismus („Beherbergungs- und Gaststättenwesen“) mit einem Minus von 13,3% zurück, gefolgt vom „Kredit- und Versicherungswesen“ mit minus 10,3% und der Industrie („Sachgütererzeugung“) mit minus 8,7% und. Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrschte im Bau mit rund 18 von 1.000 Branchenunternehmen.

Conclusio 2021 – Ausblick 2022

Seit dem schnellen und beherzten Eingriff der Bundesregierung mit Beginn des ersten Lockdown im März 2020 gingen die Firmeninsolvenzen auf die niedrigsten Stand seit 40 Jahren zurück. Seit dem 3. Quartal und nun massiv verstärkt im 4. Quartal kommt es laut Creditreform zu einer „Normalisierung“ des Insolvenzgeschehens, d.h. zum Abbau der aufgestauten, nur durch die Hilfsmaßnahmen durchgetragenen, de facto insolventen Unternehmen. Vor allem der Wegfall der staatlich verordneten Abgaben- und Steuerstundungen seit dem 1. Juli und die Wiedereinführung der Insolvenzantragspflicht haben ihren Beitrag dazu geleistet.

Waren in den Jahren vor Covid immer rund 5.500 Unternehmen insolvent, so sei der Rückgang um mehr als jeweils 2.000 Fälle in den vergangenen beiden Jahren 2020 und 2021 untypisch. Univ.-Prof. Walter Schwaiger von der TU Wien schätzt, dass rund 2.500 Unternehmen insolvenzgefährdet sind. Sollte diese Gefahrenpotential für die Gläubiger schlagend werden, würde Österreich wieder bei der Vor-Corona- Lage von 5.000 und mehr Insolvenzen landen. Verstärkt wird die Insolvenzgefährdung durch derzeit nicht einschätzbare Entwicklungen in der Pandemiebekämpfung sowie durch weitere wirtschaftliche Unsicherheiten wie Inflation/Preisdruck, Fachkräftemangel und Mehrkosten durch die Klimapolitik. Das werden zuerst die Kleinst- und Kleinunternehmen zu spüren bekommen. Das neue Jahr 2022 wird somit auf jeden Fall ein Mehr an Firmeninsolvenzen bringen.

Privatinsolvenzen gehen weniger stark zurück

Creditreform hat auch die endgültigen Zahlen bei den Privatinsolvenzen für das Jahr 2021 in Österreich analysiert. Die Gesamtzahl der Privatinsolvenzen ist um 4,0% auf 7.657 Verfahren weiter, wenn auch nicht mehr so stark, zurückgegangen. Die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren stagniert dabei bei rund 7.200. Die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen sanken um 30% auf 448 Verfahren. Damit wurde ein neuer Tiefstandrekord erreicht.

Zu den Gründen meint Weinhofer: „Die staatlichen Hilfen und die schnelle Erholung der Wirtschaft ließen die Arbeitslosigkeit und damit die Insolvenzen weiter zurückgehen. Doch seit Herbst gibt es eine Trendumkehr, ausgelöst durch die Reform des Insolvenzrechts und der damit einhergehenden schnelleren Entschuldungsmöglichkeit.“

Allgemein liegen die Insolvenzursachen bei Privatpersonen im Jobverlust, in der gescheiterten Selbständigkeit sowie generell im sorglosen Umgang mit Geld. Auslöser sind dann oftmals zusätzliche Faktoren im höchstpersönlichen Bereich wie Krankheit und Scheidung. Bis in den Hochsommer hinein ging die Zahl der Privatinsolvenzen stark zurück. Kurzarbeit und eine sich rasant erholende Wirtschaft sorgten für Entspannung am Arbeitsmarkt. Ebenso hat die angestiegene Sparquote die Reserven der Österreicher anwachsen lassen. Die Sorge um die Gesundheit verstellte zudem den Blick auf die finanziellen Nöte.

Das Blatt hat sich aber nun laut Creditreform ab dem Sommer und spätestens im 4. Quartal gewendet. Die Zahl der eröffneten Privatinsolvenzen hat schon fast das Vorjahresniveau erreicht. Dank der im Sommer in Kraft getretenen Erleichterungen in der Restschuldbefreiung stellen wieder mehr Personen einen Insolvenzantrag und nutzen die schnellere Entschuldung aufgrund der Insolvenzrechtsreform. Anstatt von fünf Jahren kann man sich seiner Schulden nun in drei Jahren entledigen. Für 2022 siehtWeinhofer einen Anstieg auf bis zu 9.000 Insolvenzen: „Die Verteuerung vieler Lebensbereiche – vor allem beim Wohnen, bei den Treibstoffen und bei der Energie – wird auch zu einem Anstieg der Privatinsolvenzen beitragen. Davon unabhängig bleibt abzuwarten, welche Auswirkungen die Megatrends Digitalisierung und Klimawende auf den Arbeitsmarkt und damit auf die Insolvenzen haben werden.“ Die Jahre mit sinkenden Privatinsolvenzen seien aber auf jeden Fall vorbei.

 

 

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