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Freitag, 19. April 2024
Aus dem Gremium (Teil 7): viel Neues im „Ländle”

Vorarlberg mit Vorbildwirkung

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 15.02.2022 | |  Menschen, Wissen
Wie Obmann Reinhard Linder erklärt, ist der Fachhandel in Vorarlberg überproportional stark und wird dennoch zuwenig unterstützt. Wie Obmann Reinhard Linder erklärt, ist der Fachhandel in Vorarlberg überproportional stark und wird dennoch zuwenig unterstützt. Das Landesgremium Vorarlberg des Elektro- und Einrichtungsfachhandels mag mit rund 480 Mitgliedsbetrieben zwar nicht größte Standesvertretung sein, dennoch machen einige erfolgreiche und teils sogar exklusive Initiativen deutlich, dass man sich vom Ländle so einiges abschauen kann. Daneben kämpft man u.a. mit Betreuungslücken und Personalmangel, wie GF Michael Hollersbacher und Obmann Reinhard Linder zu berichten wissen.

Ganz genau sind es 478 Mitglieder, die das Landesgremium des Elektro-und Einrichtungsfachandels in Vorarlberg zählt – davon mit 232 knapp die Hälfte aus der Elektrobranche. Die Landesgeschäftsstelle wird von Fachgruppengeschäftsführer Michael Hollersbacher geleitet, Unterstützung erhält er von Assistentin Birgit Pfeifer.

Auf Funktionärsseite ist Obmann Reinhard Linder zugleich Vorsitzender der Lehrabschluss-Prüfungskommission, seine Stellvertreter sind mit Harald Künzle und Günther Kolb jeweils ein Vertreter des Einrichtungs- und des Elektrohandels. Wie Linder zu berichten weiß, werden in Vorarlberg derzeit rund 50 Lehrlinge ausgebildet – wovon der größere Teil, nämlich rund 30, im Bereich Telekommunikation tätig ist. In Summe jedoch zu wenige, betont der Obmann: „Und wir finden auch keine, das ist das größere Problem – obwohl wir die Ansprüche schon deutlich nach unten geschraubt haben.“

E&W: Mit welchen thematischen Schwerpunkten befasst sich das Landesgremium abseits der Nachwuchsproblematik?

Linder: Ein ganz wesentlicher lautet, dem Abwandern in den Online-Handel entgegenzuwirken. Das sind wir mit Nachdruck dahinter und haben zB auch Radiospots gemacht, in denen der regionale Handel herausgehoben wird – sodass dem Kunden bewusst wird, dass er hier Beratung vorfindet und auch nach dem Kauf noch Aftersales Service geboten bekommt. Dazu wurde ein entsprechendes Werbekonzept aufgesetzt: Das heißt „Ländleshopper” und ist im Grunde eine Imagekampagne der gesamten Sparte Handel, der sich auch unsere Gruppe angeschlossen hat.
Hollersbacher: Die Kampagne wurde zum Weihnachtsgeschäft 2021 gestartet und läuft bis Ende 2022. Der Schwerpunkt liegt im Bereich Social Media, aber natürlich auch auf Printmedien und im Radio, wo auf Antenne Vorarlberg drei Spots quer durchs Jahr laufen. Wir investieren hier eine nicht unwesentliche Summe.

Man will also auch die jungen Käufer gezielt ansprechen?

Geschäftsführer Michael Hollersbacher freut sich, dass sich beim Thema Digitalisierung viel getan hat.

Linder: Wir brauchen ja auch den zukünftigen Kunden (lacht). Wobei man sagen muss, dass wir – d.h. die gesamte Händlerschaft in Vorarlberg – in der Pandemiezeit schon die Bedeutung des Fachhandels gemerkt haben und extrem viele Neukunden gewinnen konnten. Viele davon waren nicht 50+, sondern 20+. Verglichen mit anderen Sparten haben wir also eher zu den Profiteuren der Pandemie gezählt.

Vorarlberg ist bekannt für seine wirtschaftlichen Verflechtungen mit der Schweiz. Wie hat sich Covid auf deren Kaufverhalten ausgewirkt?

Linder: Die machen bei uns ohnehin nicht viel aus, denn der Schweizer kauft nur ganz selten im österreichischen Elektrohandel ein. In der Braunware hat die Schweiz aufgrund der niedrigeren Mehrwertsteuer oft sogar einen günstigeren Preis und in der Weißware, wo wir mit unseren Preisen punkten könnten, sind die Schweizer sehr bewusst und kaufen regional.
Hollersbacher: Auf der anderen Seite haben die Schweizer z.B. im Lebensmittelhandel eine große Bedeutung und auch das Baunebenegewerbe profitiert massiv von den Schweizer Käufern, wie etwa die Küchenbauer.

Welche Themen brennen den Händlern momentan noch unter den Nägeln?

Linder: Zunächst möchte ich noch etwas über die Handelslandschaft in Vorarlberg anmerken: Unsere top 12-15 Händler sind durchwegs kooperiert, freie Händler gibt es fast nur mit kleinen Betrieben und wo viel Geschäft im Installationsbereich gemacht wird. Im Vergleich zu anderen Bundesländern ist der Fachhandel in Vorarlberg relativ stark, wenn man den Anteil an den Gesamtumsätzen als Maßstab heranzieht. Speziell in der Weißware, bei den sog. A-Marken, ist der EFH sicher um 50% stärker als die Großfläche. Ein Problem, mit dem ich als Obmannn laufend konfrontiert werde, ist der Umstand, dass die Kompetenz der Industrie in Österreich immer mehr abwandert und dass speziell Kleingerätelieferanten keine konkurrenzfähigen Preise mehr darstellen können oder wollen – weshalb viele Händler bereits überlegen, das Kleingerätesortiment in Zukunft wegzulassen. Im Grunde verwundert das aber auch nicht, weil unsere Partner immer mehr zu Mitbewerbern werden…

Leider nicht nur in Vorarlberg.

Linder: Das ist mir schon klar. Aber hinzu kommt, dass bei vielen der Außendienst weg ist bzw. die Betreuung über externe Firmen erfolgt. Dadurch kann die Hilfestellung, die wir bis dato hatten, nicht mehr in der gewohnten Qualität erbracht werden.

Mit Kaffeemaschinen-Herstellern wie Jura oder Nivona haben Sie doch starke Kleingeräte-Marken vor der Haustür…

Linder: Stimmt, man darf nicht alle über einen Kamm scheren und gerade Jura ist sehr fachhendelstreu und schafft ein vernünftiges Preisniveau in Österreich. Aber die großen Player, die mitunter keinen Sitz mehr in Österreich haben bzw. hier keine Entscheidungen mehr treffen können, die interessiert das gar nicht. Womit wir gleich beim nächsten Punkt wären: Es gibt immer weniger Schulungen und Weiterbildungen, die von der Industrie angeboten werden – und wenn, dann hören diese meistens in Salzburg auf.

Es entsteht der Eindruck, Vorarlberg würde bei AD-Betreuung, Schulungen, etc. regelrecht „vergessen”.

Der Ländleshopper ist eine Imagekampagne der gesamten Sparte Handel und spricht insbesondere auch junge Käuferschichten an.

Linder: In der Weißware geht‘s noch eher, weil wir mit Miele, Liebherr, AEG etc. auch einen großen Anteil haben – größer als die Fläche und der Onlinehandel zusammen. D.h. hier sind wir interessant, aber zB in der Braunware ist es ganz schwierig – dabei wäre eine funktionierende Betreuung für uns enorm wichtig. Außerdem wird die Situation bei den Werkskundendiensten immer dramatischer: Egal bei welchem Lieferanten, reden wir mittlerweile von Reparaturzeiten von 14 Tagen und mehr. Und wenn nicht viele Händler ihre eigenen Techniker hätten und selbst servicieren würden, würde es wirklich ganz schlecht ausschauen. Leider ist es für uns ebenso wie für die Hersteller sehr schwierig, Mitarbeiter mit einer elektrotechnischen Ausbildung für diesen Bereich zu bekommen – dabei verdienen Servicetechniker wirklich gut und gehen nicht unter 2.800 Euro netto nach Hause.
Hollersbacher: Dem Thema Bezahlung kommt in Vorarlberg grundsätzlich hohe Bedeutung zu: Hier im grenznahen Bereich stehen wir im Wettbewerb mit Deutschland und vor allem der Schweiz und es muss überall über dem Kollektivvertrag bezahlt werden, damit man überhaupt Personal bekommt. Daher müssen wir immer schmunzeln, wenn auf Bundesebene die Kollektivverträge verhandelt werden.

D.h. auch Personalmangel ist ein Thema?

Hollersbacher: Gerade in der Ausbildung versuchen wir trotz der Schwierigkeit, Lehrlinge zu bekommen, all jene, die wir haben, so gut wie möglich zu „servicieren“. Wir pflegen hier auch einen sehr intensiven Kontakt zur Landesberufsschule in Feldkirch, wo uns ein Koordinator für spezifische Fragen zur Verfügung steht. Ein besonders wichtiges Tool, das wir exklusiv in Vorarlberg für alle Handelslehrlinge und speziell auch für den Elektrohandel anbieten, ist ein Kompetenzcheck in der Mitte der Lehrzeit.
Linder: Der Kompetenzcheck ist eine Art Mini-Lehrabschlussprüfung und stellt eine echte Win-Win-Situation dar: Der Lehrling erlebt eine reale Prüfungssituation und wir als Prüfer erhalten einen Einblick, ob der Lehrling nur als billige Arbeitskraft verwendet oder ihm wirklich Wissen im Betrieb vermittelt wird. Sollte hier ein gravierendes Defizit festgestellt werden, kann man noch eingreifen und ein Gespräch mit dem Lehrbetrieb suchen. Denn ist der Lehrling erst einmal bei der Lehrabschlussprüfung, ist es für solche Unterstützungsmaßnahmen zu spät. Daher kommt dieses Konzept sowohl bei den Lehrlingen als auch bei den Ausbildungsbetrieben sehr gut an. Entscheidend ist es, die Behörde und die Berufsschulen bzw. Lehrer mit im Boot zu haben, denn es gibt ja keine gesetzliche Verpflichtung für den Lehrling, dass er diesen Kompetenzcheck absolvieren muss. Wir sind heute erfreulicherweise so weit, dass da alle Schüler mitmachen.
Hollersbacher: Darüber hinaus haben wir noch den Lehrlingswettbewerb der Sparte Handel, den Junior Sales Champion. Auch hier sind die Berufsschulen bei den Vorausscheidungen mit im Boot.

Wie steht es um die Digitalisierung?

Hollersbacher: Diese ist natürlich auch bei uns ein Riesenthema und es gibt dazu von der Sparte Handel das Projekt „Handel.Lokal.Digital”. Das beitet dem Händler diverse Tools zur Aus- und Weiterbildung, je nachdem in welchem Bereich und auf welchem Level er sich bei der Digitalisierung bewegt. Man muss aber zugeben, dass dieses Thema mehr in aller Munde ist als es tatsächlich in Anspruch genommen wird. Das liegt wohl daran, dass sich mittlerweile schon sehr viele mit dieser Thematik auseinandersetzen. Da hat sich im Handel in den letzten fünf Jahren schon sehr viel getan.
Linder: Und es hängt sicher auch damit zusammen, dass viele größere Händler kooperiert sind und die Kooperationen hier sehr viel machen, vom Online-Auftritt über das Marketing bis hin zum Webshop. Das könnten wir alleine gar nicht bewältigen.

Wie legen Sie die Kommunikation grundsätzlich an bzw. wie kommen Sie zu den Anliegen der Händler?

Linder: Der Großteil der Kommunikation erfolgt via E-Mail, etwa zu neuen Verordnungen u.Ä. Da wir ein sehr kleines Land sind und ich fast jeden Händler persönliche kenne, geht natürlich viel übers Telefon oder man trifft sich einfach. Mit den 10-12 größten Händlerkollegen habe ich zumindest alle drei Monate persönlichen Kontakt. Doch obwohl die Wege kurz sind und sehr viel über die persönliche Ebene läuft, wird es für die WKÖ zusehends schwieriger, Mitglieder zu finden, die sich auch einbringen und aktiv mitarbeiten wollen.

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