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Freitag, 29. März 2024

Ohne Maß und Ziel

Wolfgang Schalko | 06.03.2022 | Bilder | | 2  Meinung

Wolfgang Schalko
Eine der zentralen Fragen im allmonatlichen Entstehungsprozess der E&W-Ausgabe ist jene nach der Titelgeschichte. Nicht erst einmal in der Vergangenheit standen wir vor dem Problem, dass sich dafür kein Artikel oder Thema so recht aufdrängen wollte. Diesmal war‘s genau umgekehrt und es standen sogar drei Kandidaten zur Auswahl: Hier der scheidende BSH-Chef Michael Mehnert,der in seinem Abschiedsinterview aus dem Nähkästchen plaudert, dort die neue Geschäftsführerin des Bundesgremiums Bianca Dvorak, die ausführliche Einblicke in ihr Verständnis von Interessenvertretung gibt, und quasi zum Drüberstreuen noch der Künstler-Sozialversicherungsfonds (KSVF), der mit abstrusen Forderungen die Branche am Gängelband hält.

Auf dem Cover hat ein anderer das Rennen gemacht, aber dem KSVF möchte ich zumindest einen Teil dieses Editorials widmen. Laut Selbstdefinition ist dieser „ein durch ein Gesetz gegründeter Fonds mit eigener Rechtspersönlichkeit und Sitz in Wien”. Man kann ihn auch schlicht eine Abgabenbehörde nennen, die Zuschüsse zu den Sozialversicherungsbeiträgen der selbständigen Künstlerinnen und Künstler leistet und in Notfällen Beihilfen auszahlt. Nur die Wenigsten in unserem Land wissen wohl um die Existenz dieser Institution, obwohl sich fast jeder – zugegeben, nicht ganz freiwillig – an der Finanzierung beteiligt: Der KSVF hebt nämlich für Kabel-TV- und Satelliten-Empfang eine Abgabe ein. Dort 0,25 Euro monatlich pro Kunde, da 8,72 Euro pro in Österreich in Verkehr gebrachtes Empfangsgerät (Receiver und TVs mit Triple-Tuner). So kommen – zu ziemlich gleichen Teilen – alle Jahre rund 6,5 bis 7 Millionen Euro zusammen.

So weit, so gut. Nun aber hat der KSVF hinsichtlich der eigentlich daueraktuellen Frage, ob Österreich eine Bananenrepublik ist, der ohnehin bereits sehr beschaulichen Indiziensammlung ein wahres Prunkstück hinzugefügt – zum Entsetzen der SAT-Branche. Und wie es derzeit leider aussieht, auch zu deren Schaden. Und zum Schaden des Handels. Und der Konsumenten. Und der Künstler. Also im Grunde aller, die irgendetwas mit Fernsehen zu tun haben (Die ausführlichen Hintergründe können Sie im Multimedia-Teil der E&W-Märzausgabe nachlesen). Der KSVF hat nämlich kurzerhand Entschlüsselungsmodule zu Empfangsgeräten – und damit für abgabepflichtig – erklärt. Was selbst dem technischen Laien als völliger Schwachsinn erscheinen muss, konnte der KSVF den Richtern in zwei Instanzen verkaufen, sodass diese in seinem Sinne entschieden haben. Trotz Sachverständigengutachten, die das Gegenteil mehr als deutlich belegen. Das diese ungerechtfertigten Forderungen auch noch für fünf Jahr rückwirkend gestellt werden können, lässt schon erahnen, dass es hier um eine nicht unbeträchtliche Summe geht. Und deswegen auch so manchen Inverkehrbringer von SAT-Modulen um seine Existenz zittern.

Während der KSVF in das gerichtliche Ausfechten dieses überaus kurzsichtigen Ansatzes jede Menge Energie und Ressourcen steckte, putzt er sich an anderer Stelle mit billigen Ausflüchten ab: Denn ob man wirklich alle Abgabepflichtigen „erwischt”, kann man nicht garantieren. Es würde „den Aufgabenbereich des Künstler-Sozialversicherungsfonds sprengen, den gesamten Markt umfassend im Auge zu behalten und die gesamte sich am Markt befindliche Produktpalette laufend zu überprüfen.” Würde das Finanzamt in puncto Steuereinhebung eine ähnliche Herangehensweise an den Tag legen, wäre es um den österreichischen Staatshaushalt wohl ziemlich schlecht bestellt… Dafür nimmt der KSVF billigend in Kauf, dass die Abgabenpflicht auf SAT-Module zwangsläufig zu einer Mehrfachbelastung der Konsumenten führt – da SAT-Module ja nie ohne Receiver oder TV-Gerät genutzt werden können, für die jeweils schon die KSVF-Abgabe geleistet wurde. Sprich: Man hält lieber die Hand bei den heimischen Kunden zwei Mal auf, bevor man sich näher mit den Importen von Amazon & Co. befasst. Wäre ich ein selbstständiger Künstler, müsste ich mir spätestens jetzt die Frage stellen, ob ich meine Interessen tatsächlich von dieser Behörde gewahrt wissen möchte. An dieser Stelle drängt sich gleich noch eine Frage auf: Wo ist eigentlich der VKI, wenn man ihn einmal braucht?

Ehe mir wieder der Kragen platzt, möchte ich zu einem Thema umschwenken, das in emotionaler Hinsicht leider nicht viel besser ist: Corona bzw. die Auswirkungen der Pandemie. Wir steuern auf den lange ersehnten Zustand der „Normalität“ zu , wo man sich beim Begrüßen wieder die Hände schütteln oder umarmen darf und wo u.a. auch das alte, in den letzten zwei Jahren schmerzlich vermisste „Shopping-Feeling” wieder aufkommen mag. Maskenlos und ungezwungen. Aber kann es überhaupt wieder so sein kann wie früher? Und soll man sich das (als Händler) überhaupt wünschen? Ich hege nämlich die Befürchtung, dass das sich gerade etablierende „New Normal“ nur bedingt gleich ist mit dem „Former Normal“. Für die Menschen, die Konsumenten, mag sich vieles so anfühlen wie früher, aber die Rahmenbedingungen und Begleitumstände haben sich gravierend geändert. Der heimische Elektrohandel hat zwar zu den „Krisengewinnern“ gezählt, aber aufgrund der zeitweiligen Geschäftsschließungen und der „Einkaufsregeln“ im stationären Handel konnte er weit weniger profitieren als etwa Internetriese Amazon.

Um die Situation nachhaltig zu verbessern, wird es daher mehr als Regionalitätskampagnen und „Kauf daheim“-Aufrufe brauchen: Etwas wesentlich Fundamentaleres, etwas wie ein „POS-Attraktivierungsprogramm”. Den guten Grund, warum der stationäre Einzelhandel die erste Anlaufstelle bei der Kaufentscheidung (nicht zu verwechseln mit der Informationsbeschaffung) sein sollte. Dafür muss man dem Handel in Österreich aber auch die faire Chance geben, sich mit den internationalen Großkonzernen auf Augenhöhe zu messen. Das erfordert auf der einen Seite die entsprechenden Rahmenbedingungen, auf der anderen Seite wäre es höchst an der Zeit für die umfasende Aufklärung der Konsumenten: Käufe bei internationalen Online-Händlern wie Amazon & Co. bedeuten einen massiven Abfluss von Wertschöpfung und damit Kaufkraft. Im Sinne des „Koste es, was es wolle” wäre eine solche Informationskampagne gut angelegtes Geld.

 

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Kommentare (2)

  1. Das ist aber noch nicht alles. Sogar Kabelbetreiber, auch die mit weniger als 500 Teilnehmer, werden jetzt nur für die Durchleitung der Programme zur Kasse gebeten. AKM und Litera Mechana lassen grüßen. Auch hier ist nichts zu judizieren. Überall wo Geld verdient wird, wird abkassiert, so indirekt die Aussagen der damit befassten Leute. Schön langsam hat man das Gefühl, dass das Gros der „geschützten Werkstätten“ es sich immer richten kann. Im Grunde sind das aber alles indirekte Steuern im Hochsteuerland Österreich. In jedem Falle wissen wir, wer hier das bessere Lobbying betreibt. Auch die Einführung der URA auf Festplatten und USB Sticks konnte schon nicht verhindert werden. Auf jeden Fall zahlt auch in diesem Fall der Konsument 3 mal eine Gebühr.
    Binmal gespannt wie das weitergeht.

  2. Es ist ganz schön dreist, daß ich als ORF-Seher 3 x zur Kassa gebeten werde, wenn ich ein österreichisches Programm sehen will – 1 x Kunstförderung im GIS-Betrag, 1 x KSVA Receiver, 1 x KSVA Modul. Super!!

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