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Donnerstag, 18. April 2024
Aus dem Gremium (Teil 8): die „Neue” im Interview

Bundesgremial-Geschäftsführerin Bianca Dvorak: „Volle Kraft voraus”

Hintergrund Die Branche | Wolfgang Schalko | 10.03.2022 | |  Menschen
Bianca Dvorak ist seit 1. März Geschäftsführerin der Bundesgremialgruppe III – zu der auch der Elektro- und Einrichtungsfachhandel gehört. Bianca Dvorak ist seit 1. März Geschäftsführerin der Bundesgremialgruppe III – zu der auch der Elektro- und Einrichtungsfachhandel gehört. (© Stephan Huger) Seit 1. März leitet Bianca Dvorak als Geschäftsführerin die Bundesgremialgruppe III – und damit auch das Bundesgremium des Elektro- und Einrichtungsfachhandels. Im Gespräch mit E&W erklärt sie, wo sie die erfolgreiche Arbeit ihres Vorgängers Manfred Kandelhart fortsetzen will, wo es Änderungen geben wird und was die „heißen Eisen” für den Elektrohandel sind.

Wie elektro.at bereits berichtete, konnte sich Bianca Dvorak in einem offenen Bewerbungsverfahren als Nachfolgerin von Manfred Kandelhart durchsetzen. Dvorak stammt aus einer Unternehmerfamilie, die mehrere Autohäuser – u.a. das Autohaus Schönbrunn in Wien – betrieb. Auf die HAK-Matura folgte gemäß dem Wunsch, Anwältin zu werden, das Jus-Studium. Nach beruflichen Stationen bei einem Anwalt und einem Notar stieg die Juristin zunächst in den elterlichen Betrieb ein, ehe ihr eine Ausschreibung der WKÖ ins Auge stach – als Referentin für jene vier Gremien, die sie noch heute betreut. Die Bewerbung war erfolgreich und so stieß sie vor mittlerweile neun Jahren zur WKÖ, genauer gesagt ins Team der BGGr. III.

E&W: Manfred Kandelhart hat dem Bundesgremium seinen Stempel aufgedrückt, Robert Pfarrwaller hat nach seiner Wahl zum Obmann gemeint, er werde seinen Weg gehen – welche Handlungsspielräume hat man als Geschäftsführerin dieses Gremiums und inwieweit wollen Sie diese ausnutzen?

Bianca Dvorak: Auf der einen Seite gibt es die internen Agenden wie z.B. Personalentscheidungen und die Führung der vier Gremien, auf der anderen Seite die externen, bei denen wiederum die Gestaltungsmöglichkeiten eines Geschäftsführers zu einem nicht unbedeutenden Teil vom Obmann mitbestimmt werden. Ich befinde mich in der privilegierten Position, dass ich mit Robert Pfarrwaller wie schon seit einigen Jahren weiter an einem Strang ziehen kann und freue mich sehr auf die zukünftige intensive Zusammenarbeit. Im vergangenen Juli haben wir unsere Strategieklausur mit den gewählten Vertretern der Mitglieder abgehalten, bei der ein sehr schöner Fahrplan für die nächsten fünf Jahre entwickelt wurde, und ich sehe es als meine Aufgabe und die meines Teams, die dort entstandenen Ideen voranzutreiben und umzusetzen. Natürlich bin ich jetzt für vier Gremien zuständig, aber es gibt ein Team, das sehr gut eingespielt ist: Unsere Referentin Barbara Humer betreut den Fachbereich sehr kompetent und Ruth Nader kümmert sich um die administrativen Agenden.

Wir gehen auf personeller Ebene jetzt aber auch neue Wege und werden einen Experten bzw. eine Expertin für europäische und internationale Agenden in unserem Team einsetzen. Das ist für die Gremien und die Sparte Handel einzigartig, macht aus meiner Sicht aber Sinn – denn mittlerweile werden ca. 80% der Rahmenbedingungen für unsere Mitgliedsbetriebe auf EU-Ebene bestimmt, Tendenz steigend. Je früher wir von den Vorhaben der Europäischen Kommission erfahren, desto größer sind auch unsere Chancen mitzureden. Bei all diesen Themen, die heruntergebrochen auf Österreich unsere Branche betreffen, will ich mit am Tisch sitzen und nicht in der letzten Reihe.

Wurde diese Position schon besetzt?

Dvorak: Wir führen dazu gerade Gespräche, die bis Anfang März abgeschlossen sein sollten. Die WKÖ hat ja Experten auf europäischer Ebene, die den Kontakt zur Kommission und den Parlamentariern halten. Die sind natürlich auch darauf angewiesen, dass wir ihnen die fachlichen Inputs liefern und darauf hinweisen, dass für diese Branche aus einer gewissen Entwicklung eine Chance oder ein Problem entstehen könnte. Ich sehe es durchaus als Aufgabe der Interessenvertretung, ein bisschen das Gras wachsen zu hören in Bezug auf unsere Branche. Üblicherweise ist schon ein Jahr vergangen, bis es zu einer Konsultation kommt – und in diesem Zeitfenster ist es wichtig einzuhaken, denn da kann man noch etwas tun. Was wir erreichen können, wenn wir rechtzeitig involviert sind, hat beispielsweise unsere Arbeit zum neuen Gewährleistungsrecht gezeigt: Da war auf europäischer Ebene quasi eine unendliche Gewährleistungsfrist vorgesehen, die wir schlussendlich wieder auf zwei Jahre reduzieren konnten – ein Riesenerfolg!

Ist man auch mit anderen nationalen Organisationen vernetzt? Oft betreffen solche Themen den Handel in Deutschland oder Italien ja genauso.

Dvorak: Hier stehen uns für den Elektro- und Einrichtungsfachhandel derzeit zwei Möglichkeiten offen. Einmal der deutsche VEG (Anm.: Bundesverband des Elektro-Großhandels e.V.), bei dem der Elektrogroßhandel Mitglied ist. Über den VEG sind wir beim europäischen Großhandelsverband EUEW (Anm.: The European Union of Electrical Wholesalers) Mitglied, der eben genau diese Meinungen bündelt – zwar auf Großhandelsebene, in der Regel gibt es da keine großen Unterschiede zum Standpunkt des Einzelhandels.

Die zweite Option bietet EuroCommerce (Anm.: Verband europäischer Groß- und Einzelhändler), wo wir über die Sparte Handel vertreten sind – mit gleich zwei Mitarbeitern aus unserem Haus sogar sehr prominent. Dort werden natürlich ebenfalls die Informationen aus verschiedenen Ländern und Organisationen gesammelt und an die Stakeholder weitergetragen. Das wird auch eine der großen Aufgaben des neuen Referenten bzw. der neuen Referentin sein, dort den Kontakt zu intensivieren und EuroCommerce verstärkt den Input zu geben, der unsere Sichtweise widerspiegelt.

Was kann man grundsätzlich ändern in der bisherigen Arbeit des Bundesgremiums – bzw. will man das überhaupt?

Dvorak: Es gibt natürlich immer Ansätze, etwas besser zu machen. Ich bin wirklich stolz, in die Fußstapfen von Manfred Kandelhart treten zu dürfen. Zugleich ist es schon eine große Herausforderung und auch mit hohen Erwartungen verknüpft – zurecht, denn er hat die Geschäftsstelle über Jahrzehnte wirklich hervorragend geleitet. Er hat ein riesiges Fachwissen aufgebaut, war offen für Neues, wenn es ihm sinnvoll erschien, hat aber auch gesagt, was nicht geht. Dass er Grenzen aufgezeigt hat, die er durch seine Erfahrung einfach gekannt hat, war eine gute Eigenschaft von ihm. Und etwas, wo ich extrem viel von ihm lernen konnte.

Ich bin ein sehr technikaffiner Mensch und beschäftige mich unheimlich gerne mit neuen Technologien. Im Gremium rollen wir nun ebenfalls verschiedenste neue Tools aus. Einerseits bei der internen Zusammenarbeit, um den Herausforderungen der neuen Arbeitswelt gerecht zu werden, andererseits extern, wo wir ergründen wollen, welche Kommunikationswege für unsere Mitglieder sinnvoll sind – um sie gut zu erreichen und Informationen zielgerichtet an die richtigen Adressaten zu bringen, aber auch um es ihnen so einfach wie möglich zu machen, sich an der Meinungsbildung zu bestimmten Themen zu beteiligen. Wir arbeiten ja für die Branche und wir sind auf den Input aus der Branche angewiesen. Jeder kann da einen wertvollen Beitrag leisten und ich möchte auch alle Mitglieder dazu aufrufen – aber das funktioniert nur, wenn sie wissen, wo sie sich hinwenden können, sie die richtigen Kommunikationskanäle zur Verfügung haben und der Zugang niederschwellig ist. Ich bin auch ein sehr offener Mensch und habe Freude daran, auf andere Menschen zuzugehen. Ich glaube, das merkt man, und das ist halte ich auch für eine ganz wichtige Eigenschaft für einen Interessenvertreter. Mein Ziel lautet, das Bundesgremium als relevanten Player bei den für unsere Mitgliedsbetriebe wichtigen Themen zu positionieren. Dazu braucht es u.a. die richtigen Netzwerke. Netzwerke bestehen aus Menschen und hier schließt sich der Kreis, weil Robert Pfarrwaller und ich uns mit unseren Netzwerken sehr gut ergänzen.

Womit beschäftigt sich das Bundesgremium am intensivsten? Was sind die wichtigsten Themen im Elektrohandel?

Dvorak: Zum Glück werden die Corona-Themen vom Umfang her ein bisschen weniger. Allerdings war eine der Auswirkungen der Pandemie die Lieferproblematik und Verknappung in vielen Bereichen – gepaart mit der hohen Nachfrage auf Konsumentenseite eine insgesamt schwierige Mischung, die uns noch länger beschäftigen wird. Zudem ist momentan viel im Umbruch in Bezug auf thermische/energetische Sanierung und Energieeffizienz. Wir wollen ein Umdenken in der Politik erreichen, dass es hier nicht nur um die Isolierung der Fassade und den Fenstertausch geht, sondern um eine thermisch-energetische Perspektive mit einer technologieoffenen Gesetzgebung und entsprechenden Förderschienen. Für dem Elektrohandel generell ist Smart Home/Smart Living einer der ganz großen Themenkomplexe, der auch bei der Strategieklausur letztes Jahr angesprochen wurde. Hier liegen enorme Chancen für den Elektrohandel und eine der größten Chancen – zugleich auch eine der größten Gefahren – ist der Umstand, dass dieser Themenbereich noch von keiner Branche so richtig ins Zentrum gerückt wurde. Es hat noch keiner die Themenführerschaft übernommen und hier kann der Elektrohandel ansetzen, weil er über das Fachwissen und die Kontakte zu den Kunden verfügt.

Daneben ist die Digitalisierung im Allgemeinen ein Riesenthema, mit Omnichannel als eine Ausprägung. Die letzten zwei Jahre haben uns vor Augen geführt, dass die Mitgliedsbetriebe die Kunden wirklich dort abholen müssen, wo sie sich befinden – im wörtlichen wie im übertragenen Sinn. Wir leben da in einer sehr spannenden und agilen Zeit, wo vieles im Wandel ist und viele Strukturen – auch althergebrachte, die jahrzehntelang gut funktioniert haben – aufgebrochen werden. Das kann manchmal durchaus beängstigend sein, lässt aber auch neue Möglichkeiten und Potenziale entstehen. Es ist immer wieder faszinierend, welch tolle und vielseitige Unternehmen wir vertreten dürfen und was diese an Unternehmergeist an den Tag legen. Das ist wirklich schön zu sehen und macht mir Lust und Mut, da weiterzuarbeiten.

Der Handel nimmt seine Lieferanten zusehends als Mitbewerber wahr – durch Direktvertrieb, Flagship Stores, etc. Wie steht man zu dieser Problematik?

Dvorak: Die Industrie hat natürlich große Marktmacht, auf der anderen Seite weist ein einzelner Handelsbetrieb eine völlig andere Flexibilität auf als ein Brandstore einer großen Company. Gerade die Beratung über verschiedenste Marken hinweg schätzen viele Kunden. Natürlich suchen manche Konsumenten gezielt nach einer Marke, aber die meisten suchen heute nach einer Lösung. Das ist auch etwas, das das Internet nicht wirklich gut abdecken kann: Online lassen sich zwar gewisse Teilbereiche eines Produkts vergleichen, aber weiter sind wir noch nicht. Dazu kommt die Nähe: Ein paar tausend Händler in ganz Österreich machen schon einen Unterschied zu einer handvoll Brandstores.

Den Part als zentrale Expertin für den Elektrohandel übernimmt zukünftig Barbara Humer von Bianca Dvorak. Zu den Aufgaben der Referentin zählt insbesondere die Kommunikation an bzw. mit den Ländern und Mitgliedern zu Gesetzesinitiativen, -änderungen und sonstigen relevanten Themen sowie die Erarbeitung von branchenspezifischen Stellungnahmen und Positionspapieren. Zu den thematischen Schwerpunkten von Humer zählen der Bereich Lehre und Weiterbildung sowie der Themenkomplex Energieeffizienz. (©WKÖ)

Wichtig für uns ist – und da kommt wieder die Juristin in mir zum Vorschein –, dass wir für genau diese Art von Vertrieb klare Spielregeln brauchen. Denn es macht doch einen Unterschied in der Preisgestaltung, wie viele Zwischenhändler involviert sind, welche Kosten man hat, etc. Und diese Spielregeln müssen für alle gelten: die großen Onlinehändler, die Lieferanten, die direkt anbieten, und den Fachhändler. Die Problematik des „Parallelvertriebs” wurde erkannt und durch die neue Gruppenfreistellungsverordnung aufgegriffen. Diese ist derzeit im Entstehen und soll Mitte des Jahres in Kraft treten.

Wie geht man mit dem Thema Fachkräftemangel um?

Dvorak: Ein weiteres Schwerpunktthema, bei dem wir nun ebenfalls neue Wege beschreiten: In den letzten Wochen haben Barbara Humer und ich viele Gespräche geführt, intern und ganz bewusst auch extern, um frische Impulse zu erhalten und Kooperationsmöglichkeiten auszuloten. Wir eruieren, was für unsere Mitgliedsbetriebe interessant sein könnte und ermöglichen es, sich mit den Anbietern direkt zu vernetzen, oder wir gehen als Bundesgremium selbst entsprechende Kooperationen ein – wie z.B. über die Initiative zukunft.lehre.österreich.

Außerdem wollen wir uns nicht nur auf die Lehrlinge konzentrieren, sondern auch auf die Ausbilder. Im Frühjahr soll die neue digitale Aus- und Weiterbildungsplattform der WKÖ „wîse up” online gehen, die viele verschiedene Lernangebote in einer App bündelt. Wie wir daran mit unseren Angeboten partizipieren können, wird gerade eruiert. Denn wir haben bemerkt, dass es immer weniger Lehrbetriebe in unserer Branche gibt. Das könnte daran liegen, dass sich viele neue potenzielle Ausbildungsbetriebe nicht drübertrauen, weil sie nicht wissen, was auf sie zu kommt. Oder dass die Ausbilder nicht die richtigen Informationen erhalten bzw. diese nicht adäquat aufbereitet sind – es gibt zwar die Ausbildungsleitfäden der WKÖ, aber das sind ziemlich dicke Bücher… Wir setzen derzeit Möglichkeiten auf, Webinare für Ausbilder anzubieten – was diese erwartet, welche Sprache Lehrlinge heute sprechen, etc. So wollen wir die aktuelle Lehrlingsschiene ergänzen und von zwei Seiten an das Thema herangehen, denn bei den Lehrlingen hat sich der Ansatz mit unseren Webinaren wirklich super bewährt.

In Kürze startet der Reparaturbonus, bei dem der Elektrohandel leider durch die Finger schaut…

Dvorak: Das fand ich im ersten Moment nicht besonders erbaulich, jedoch wird die Problematik gemildert, weil viele unserer Mitgliedsbetriebe zusätzlich eine Gewerbeberechtigung als Elektrotechniker haben. Und wir werden uns ansehen, ob es für reine Handelsbetriebe Ko-operationsmöglichkeiten gibt. Der „Schmerz” wird aber auch dadurch gelindert, dass wieder eine Austauschprämie für alte Elektrogeräte im Gespräch ist. Das wäre natürlich äußerst interessant für den Handel. Denn eines hat die Corona-Zeit ganz deutlich gezeigt: Wichtig ist es, den Kunden wieder ins Geschäft zu bekommen.

Ein Schlusswort?

Dvorak: Wir werden mit voller Kraft weiterarbeiten, die fachliche Seite unseres Teams stärken und dadurch noch aktiver in der Interessenvertretung für unsere Mitgliedsbetriebe sein.

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