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Samstag, 20. April 2024
Der Dschinn ist aus der Flasche

Der Fluch der Selbstbedienungsterminals

Hintergrund | Dominik Schebach | 24.04.2022 | Bilder | | 1  Meinung
Selbstbedienungskassen, Selbstbedienungsterminals und Selbst-Check in halten für den Endkunden oft nicht ihr Versprechen - dafür ersparen sich die großen Handelsketten Personalkosten. Selbstbedienungskassen, Selbstbedienungsterminals und Selbst-Check in halten für den Endkunden oft nicht ihr Versprechen - dafür ersparen sich die großen Handelsketten Personalkosten. Ich gebe es zu, meine Haltung zu Selbstbedienungsterminals oszilliert zwischen stoischem Gleichmut und einer gewissen Abneigung. Immer öfter treffe ich auf sie in Form von Selbstbedienungskassen im Supermarkt, Selbst-Check-in am Flughafen und Selbstbedienungsterminals in Banken. Viele beklagen den Verlust von Arbeitsplätzen und des sozialen Kontakts. Doch der Dschinn ist aus der Flasche und wir werden ihn nicht mehr los.  

Nicht nur Internet-Konzerne, auch Banken, Flughäfen und großen Lebensmittelketten erziehen derzeit die Kunden konsequent zum Selfservice. Was vor Jahrzehnten mit einigen Tankstellen begonnen hat, gewinnt mit der Digitalisierung immer mehr an Fahrt: Mit dem Versprechen der Zeitersparnis für die Endkunden, sparen diese Konzerne konsequent Arbeitskräfte ein. Die Arbeit erledigt der Kunde mehr schlecht als recht selbst, wie auch Stefan Mey kürzlich in der Tageszeitung Der Standard treffend festgestellt hat. Dass wir – damit meine ich uns alle als Konsumenten – mit unseren Konsumgewohnheiten die Entwicklung bestimmen, ist dabei allerdings nur die halbe Wahrheit.

Natürlich ist die kurzfristige Zeitersparnis, mit der uns diese Selbstbedienungsterminals ursprünglich schmackhaft gemacht wurden, weiterhin ein starkes Argument. Wenn man allerdings gleichzeitig das Personal an den Kassen, Check-in-Schaltern oder in der Bank reduziert, lenkt man ganz automatisch den Strom der Konsumenten zu den Selbstbedienungsterminals. Damit verschwindet allerdings die Zeitersparnis für den Endkunden, schließlich muss man sich damit erst recht wieder anstellen. Dazu kommt ein gewisses Frusterlebnis, weil diese Selbstbedienungsterminals halt doch nicht für alle Eventualitäten gerüstet sind. Aber die Einsparungen für die Großkonzerne summieren sich Tag für Tag. Denn wo in der Vergangenheit sechs bis acht Mitarbeiterinnen oder Mitarbeiter an den Kassen standen, hält heute nur noch ein „Notfall-Assistent“ neben einer regulären Kassa die Stellung.

Man darf dabei nicht übersehen, dass sich finanzkräftige Konzerne hier gegenüber ihren kleineren Mitbewerbern einen handfesten Kostenvorteil verschaffen. Damit ist klar, dass diese Terminals auch nicht wieder verschwinden werden. Zwar erfordern diese anfänglich einen gewissen Kapitaleinsatz und Entwicklungsaufwand, sind sie aber einmal im Betrieb, benötigen Selbstbedienungsterminals keine Pausen, Arbeitszeitbeschränkungen gelten nicht und sie gehen auch nicht auf Urlaub. Jetzt kann man einwenden, die ersparten Mittel werden nur zu den IT-Abteilungen verschoben. Das stimmt sicher zum Teil, aber die Masse der Märkte macht es. Schließlich muss diese Lösung nur einmal aufgesetzt werden und lässt sich zentral warten.

Und laufen einmal die Lösungen bei den großen Lebensmittelketten, dann kann dieses Modell auf die stationären Modeketten, den Buchhandel oder Drogeriemärkte ausgeweitet werden, weil die Kunden zwar oftmals die Selbstbedienungsterminals hassen, aber keine Alternative mehr dazu vorfinden. Zudem darf man nicht vergessen, dass Konzerne wie Amazon bereits an der nächsten Entwicklungsstufe, den kassenlosen Supermärkten, arbeiten, bei denen selbst das Selbstbedienungsterminal verschwindet. Die Interaktion zwischen mir und dem Supermarkt beschränkt sich dann auf das automatische Abbuchen des Kaufpreises von meiner Kreditkarte.

Das ist technisch alles sehr interessant, gleichzeitig ist klar, dass hier der mittelständische Fachhandel bis auf weiteres nicht mithalten kann. – Muss er aber auch nicht.

Das ist technisch alles sehr interessant, gleichzeitig ist klar, dass hier der mittelständische Fachhandel bis auf weiteres nicht mithalten kann. – Muss er aber auch nicht. Wenn man Selbstbedienungsterminals als Antwort auf eine spezifische Anforderung von Großunternehmen wie Lebensmittelketten, Banken oder Flughäfen sieht – nämlich die konsequente Reduzierung von Personalkosten, wofür auch bewusst eine gewisse Überforderung und damit Frustration der Kunden in Kauf genommen wird – dann ergeben Selbstbedienungsterminals Sinn. Das geht, weil besonders der Banken- und Lebensmittelsektor in Österreich hoch konzentriert ist.Der Kunde hat in vielen Branchen keine vernünftige Alternative.

Der mittelständische Fachhandel kann in diesem Umfeld eigentlich nur seine soziale Kompetenz ausspielen. – Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen. Der stationäre Handel wird nicht um ein umfassendes Omni Channel-Angebot herumkommen, weil das wird heute erwartet, und die Ergänzung des eigenen Angebots durch zielgerichtete Abholshops für den schnellen Bedarf außerhalb der Abholzeiten ist absolut innovativ und bindet Kunden. Aber der stationäre Handel egal welcher Branche – soll und kann nicht die Großkonzerne bei deren eigenem Spiel schlagen. Dafür kann er die eigenen Stärken noch bewusster in den Mittelpunkt rücken. Der Satz „Hier sprechen Sie mit Menschen“ wird so gesehen, wohl zu einer der wichtigsten Marketing-Botschaften überhaupt.

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Selbstbedienungskassen, Selbstbedienungsterminals und Selbst-Check in halten für den Endkunden oft nicht ihr Versprechen - dafür ersparen sich die großen Handelsketten Personalkosten.
Selbstbedienungskassen, Selbstbedienungsterminals und Selbst-Check in halten für den Endkunden oft nicht ihr Versprechen - dafür ersparen sich die großen Handelsketten Personalkosten.
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Kommentare (1)

  1. Die armen Damen an den Supermarkt-Kassen haben oft doppelte Arbeit, da sie die SB-Kassen mitbetreuen müssen und man als Kunde dann länger warten muss. Ich sehe dies als mutwillige Vernichtung von Arbeitsplätzen, darum meide ich auch reine SB-Tankstellen.

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