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Freitag, 8. November 2024
Editorial E&W 9/2022

Zeitenwende

Hintergrund | Dominik Schebach | 11.09.2022 | |  
Liebe Leser – Nach all den Krisen der vergangenen zwei Jahre erscheint die Rückkehr von Messen wie der IFA und der Elektrofachhandelstage wie eine Verheißung von Normalität, eine Wiederkehr gewohnter Verhältnisse. Endlich kann man nach drei Jahren Pause wieder in kurzer Zeit an einem Ort alle wichtigen Partner treffen, sich im persönlichen Gespräch mit Kollegen austauschen sowie die Neuheiten für das Weihnachtsgeschäft begutachten – und ein wenig Messefeeling genießen. Aber die Schatten der augenblicklichen Krisen werden sich auf die Dauer nicht bannen lassen. Wir stehen vor einer Zeitenwende. Umso wichtiger erscheint es, dass der Fachhandel alle ihm zur Verfügung stehenden Werkzeuge nutzt.

Wenn Sie diese Zeilen lesen, dauert der Ukraine-Krieg bereits mehr als 200 Tage, und ein Ende ist nicht absehbar. Die Folgen dieses sinnlosen Konflikts kommen jetzt in den Börsen der Konsumenten an. Wenn die Energiekosten dramatisch steigen, dann ist ganz automatisch weniger Geld für andere Anschaffungen da. Das betrifft nicht nur Haushalte im unteren Einkommensdrittel, sondern fräst sich mehr und mehr in die Mittelschicht hinein. Diesem Umstand kommen wir nicht aus. Staatliche Strompreisbremse hin oder her.

Die von dieser internationalen Krise ausgelöste Verunsicherung der Endkunden wird dadurch verstärkt, dass selbst die Grundversorgung mit Energie auf einmal nicht mehr als gesichert erscheint. Wenn einer der größten Energieversorger des Landes plötzlich nicht mehr die Versorgung seiner Kunden garantieren kann, so ist das schockierend. Dass offensichtlich auch anderen Staaten wie Schweden oder die Schweiz derzeit für ihre Energieversorger einen Schutzschirm aufspannen, ist da nur ein schwacher Trost. Denn inzwischen läuft alles auf eine Frage hinaus: Wie reagieren die Konsumenten auf die ständigen Hiobsbotschaften? Fahren Sie ihre Ausgaben hinunter, weil sie unter Druck gekommen sind und sich alles nicht mehr ausgeht, oder geben sie ihr Erspartes lieber aus, bevor die Inflation das Kapital auffrisst.

Im Endeffekt haben wir es hier mit einem Epochenbruch zu tun. Uns allen ist bewusst, dass wir nicht nur ein Problem mit Inflation und Energiepreisen haben und dass das internationale politische System aus den Fugen geraten ist. Hinter dieser akuten Krise lauert weiterhin COVID-19. Auch wenn wir es nicht mehr hören können, die Pandemie mit ihren Auswirkungen auf die internationalen Lieferketten ist noch nicht vorbei. Und schließlich hat uns der vergangene Sommer in Erinnerung gerufen, dass wir ein Problem wie den Klimawandel nicht auf ewig ignorieren können. Der Umgang mit jeder einzelnen der oben genannten Krisen ist eine Herkulesaufgabe. Alle drei zusammen sind ein furchterregendes Paket. Im Rückspiegel betrachtet hatten wir in den vergangenen 30 Jahren zwar laufend mit Krisen zu tun, die bisherigen Rahmenbedingungen wurden allerdings nicht innerhalb weniger Monate auf den Kopf gestellt. Damit haben sich auch viele Gewohnheiten und Grundannahmen eingeschlichen und verfestigt.  Nun müssen wir uns allerdings auf eine andere Wirklichkeit einstellen. Bisher geltende Gewissheiten sind zumindest zu hinterfragen. Das ist anstrengend und rührt oft an der eigenen Identität, weswegen solche Aufgaben gern auf die lange Bank geschoben werden.

„Hier kann die Branche Flagge zeigen, zusammenrücken und gemeinsam Strategien für die Zukunft entwickeln. “

Unter solchen Umständen hat ein Branchenereignis wie die kommenden Elektrofachhandelstage eine besonders wichtige Funktion. Hier kann die Branche Flagge zeigen, zusammenrücken, gemeinsam die Rahmenbedingungen für das Geschäft in den kommenden Monaten abstecken sowie Strategien für die Zukunft entwickeln. Die traditionelle Rolle der Herbstmesse als Startrampe für das Weihnachtsgeschäft wird damit idealerweise erweitert zu einer Plattform, wo man Erfahrungen und Ideen austauschen und diskutieren kann. Denn wir müssen uns an die neuen Rahmenbedingungen anpassen, ansonsten verpufft der Effekt dieser Veranstaltung recht schnell.

Anpassen muss sich auch die Gesellschaft. Die Folgen der oben genannten Krisen lassen sich nicht mehr verdrängen oder wütend in Abrede stellen. Gott sei Dank ist die Mehrheit der Österreicherinnen und Österreicher bisher nicht kollektiv in eine Depression oder Angststarre verfallen, sondern hat die Probleme zumindest einmal anerkannt. Jetzt muss man allerdings ins Tun kommen. Die Aufgaben, welche die Gesellschaft erwarten, sind gewaltig. Andererseits hat der Elektrofachhandel hier einiges an Unterstützung zu bieten. Energiesparen sowie Nachhaltigkeit sind das Gebot der Stunde, und in beiden Bereichen hat der Elektrofachhandel nicht so schlechte Karten. Nachdem sich die Branche in den vergangenen zwei Pandemiejahren als lokaler Partner für den Endkunden bewährt hat, gilt es nun diese Rolle des Spezialisten für den sorgsamen Umgang mit Nahrungsmitteln, Ressourcen und Energie im Haushalt weiter auszubauen. Inspirationen dazu holt man sich – erraten – auf der Messe.

Die Zeitenwende bietet dem stationären Fachhandel jedenfalls die Chance, jene Kundengruppen zurückzuholen, die in den vergangenen Jahren zum Onlinehandel abgewandert sind. Schließlich werden auch die Endkunden durch die Rahmenbedingungen wie steigende Energiepreise und Inflation oder Überlegungen zur Nachhaltigkeit dazu gezwungen, lieb gewonnene Gewohnheiten in Frage zu stellen. Und wer sagt, dass Entwicklungen rund um Internet und Onlinehandel immer nur in eine Richtung ablaufen müssen? Besonders Jugendliche und junge Erwachsene, die bisher kaum in den Elektrofachhandel gegangen sind, lassen sich mit Themen wie Umweltschutz und Nachhaltigkeit gewinnen. Voraussetzung ist natürlich ein entsprechendes Angebot sowie die dazugehörige eindeutige Positionierung samt Kommunikation zum Endkunden. Gott sei Dank kennt der EFH die Bedürfnisse seiner Kunden in der Region und ist vor Ort vernetzt, womit er die passenden Pakete schnüren kann. Auch dies sollte man berücksichtigen, wenn man sich auf den kommenden Elektrofachhandelstagen auf den Ständen der Industrie umsieht.

Zusammengefasst lässt sich sagen, die strategische Herausforderung für die Branche – Handel und Industrie – ist gewaltig. Und auch wenn das Comeback der Messen eine Rückkehr zur Normalität vorgaukelt, so sind wir davon noch weit entfernt. Was man sich nicht erhoffen darf, ist ein Business as usual. Aber auch das kann man auf den Elektrofachhandelstagen besprechen. Ich wünsche Ihnen deswegen eine informative und erfolgreiche Messe sowie einen guten Start ins Herbstgeschäft.

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