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Freitag, 29. März 2024
XXXLutz, kika und Leiner: „Das immer gleiche Tarnschema“

Service&More hinterfragt Dauerrabatte in der Möbelgroßfläche

Die Branche | Stefanie Bruckbauer | 15.09.2022 | | 4  Unter der Lupe
(v.li.) Christian Wimmer, Geschäftsführer von Service&More, und Christian Dominko, Geschäftsleitung Marktforschung bei MAKAM Research. (v.li.) Christian Wimmer, Geschäftsführer von Service&More, und Christian Dominko, Geschäftsleitung Marktforschung bei MAKAM Research. Das ganze Jahr über locken große Möbelhäuser mit Rabatten in ihre Filialen. Service&More wollte aufzeigen, was wirklich hinter diesen Preisen steckt, und hat MAKAM Research mit einer Studie beauftragt. Das Ergebnis zeigt auf, wie es mit dem Verhältnis zur unverbindlichen Preisempfehlung aussieht, wie weit sich Kunden auf diese Angebote wirklich verlassen können, wo die größten Fallen für Konsumenten lauern und worauf diese beim nächsten Möbelkauf unbedingt achten sollten.

Service&More beobachtet als größte Einkaufs- und Dienstleistungsorganisation für KMUs im österreichischen Einrichtungsfachhandel natürlich genau die Aktivitäten der großen Möbelketten und deren Preisentwicklung der angebotenen Produkte. Christian Wimmer, Geschäftsführer von Service&More: „Wir stellen bereits seit vielen Jahren eigenartige Rabatt-Gepflogenheiten bei den großen Möbelketten fest. Aber es ist uns wichtig, hier nicht nur auf individuelle Beobachtungen zu setzen, sondern mit geprüften Ergebnissen zu belegen, wie hier Kunden nach allen Regeln der Kunst verführt werden.“

Das immer gleiche Tarnschema: 3 Beispiele

Von Mai 2021 bis April 2022 hat daher MAKAM Research im Auftrag von Service&More eine monatliche Preisbeobachtung bei XXXLutz, kika und Leiner durchgeführt. Dafür wurden pro Möbelhaus und Standort (Wien, Graz und Salzburg) vier Artikel ausgewählt und deren Preisentwicklung (Neupreis = Aktionspreis und UVP) im monatlichen Längsschnitt dokumentiert. Es waren somit 12 Artikel geplant (3 Möbelhäuser x 4 Produkte). Da gewisse Modelle nicht an allen Standorten ausgestellt waren, wurden zusätzlich Ersatzartikel verfolgt, wodurch die Mystery-Shopping-Dokumentation insgesamt 17 Artikel umfasste. Christian Dominko, Geschäftsleitung Marktforschung bei MAKAM Research, erklärt die Vorgehensweise: „Diese Liste wurde von unseren Shoppern monatlich abgearbeitet, indem die Produkte in den jeweiligen Filialen aufgesucht und inklusive der Preiskennzeichnungen fotografiert wurden.“ Als Beispiele verweist der Marktforscher auf einen Stuhl, auf einen Parkettboden aus Eiche und auf eine Stoff-Sitzgruppe.

Ein Stuhl wurde ohne Begründung dauerhaft als Aktion angeboten und sein Preis lag durchgängig 21 % unter der UVP. Im Beobachtungszeitraum stiegen UVP und Aktionspreis beinahe parallel zueinander an und lagen somit im April 2022 jeweils mehrere Prozentpunkte über dem Startpreis.
Im Falle des Eichenparketts erscheint die Gestaltung von UVP und Aktionspreis noch mutwilliger, wie Wimmer ausführt: „Für das selbe Produkt lag die UVP in den Filialen in Wien und Salzburg im Mai 2021 bei € 61,– und der Aktionspreis bei € 40,–. Nur einen Monat später belief sich die UVP in Wien auf € 65,– und in Salzburg auf € 80,–! Analog dazu stieg der Aktionspreis in Wien auf € 41,– und in Salzburg auf € 50,–. Am Ende des Beobachtungszeitraums, also im April 2022, kostete der Parkett laut Aktion in Wien € 60,– (UVP: € 69,–) und in Salzburg € 70,– (UVP: € 82,–!). Woher diese Preise kommen, ist schlichtweg nicht nachvollziehbar! Rohstoffengpässe oder Lieferprobleme können ja wohl nicht für dieses West-Ost-Gefälle ausschlaggebend sein! Also, woher kommen diese Mondpreise?“

Auch beim dritten Beispiel, einer Stoffsitzgruppe, wirkte die Preisgestaltung eher konstruiert als real: Im Juni 2021 waren in Wien zwei Preisschilder zu sehen, sodass keine transparente Preisverfolgung möglich war. Die „gewöhnliche“ Preisentwicklung des Aktionspreises von € 2.799,– im Mai auf € 2.999,– im Juni wäre wegen der Entwicklung der UVP von Mai € 4.102,– auf € 4.316,– im Juni nachvollziehbar und unproblematisch, da beide Preise etwas ansteigen. Im Falle des Sonderangebots wird mit € 5.819,–jedoch eine weit höhere UVP vermittelt – gepaart mit einem deutlich geringeren Aktionspreis von € 2.199,–. Interessant in den folgenden Monaten: Diese nicht erklärbare erhöhte unverbindliche Preisempfehlung besteht von Juli bis September 2021 als gewöhnliche UVP fort. Nach der Sommeraktion ab Oktober wird die UVP dann minimal gesenkt, aber zugleich der Aktionspreis deutlich erhöht. Das bedeutet, dass sich das Möbelhaus den Rabatt, den es im Sommer gegeben hat, dann wieder zurückholt. Auch bei der Stoffgruppe fällt auf, dass sich die UVP und Aktionspreise je nach Bundesland deutlich unterscheiden: Das gleiche Produkt kostete in Wien im Oktober 2021 € 3.499,– und in Graz € 2.499,–.
Wimmer: „Nach Kriterien der Fairness und Transparenz sind diese Preise einfach nicht nachvollziehbar. Wieso zahlen Kunden in Wien 1.000 Euro mehr für ein und dasselbe Produkt als jene in Graz?“

Reale Vergleichbarkeit kaum möglich

MAKAM Research beobachtete aber nicht nur die Produkte vor Ort in den Filialen, sondern ebenso die Darstellungsweisen in den Prospekten und Flugblättern. Dominko: „Wie beim Möbel-Mystery-Shopping wurde auch bei den Prospekten bis dato ein derartiger Vergleich in Österreich noch nie erhoben. Die Ergebnisse lassen aufhorchen!“ So wurde im April 2021 eine Sitzgruppe in Aktion um € 999,– angeboten. Die UVP dazu lautete € 2.196,– . Das selbe Produkt wird im Dezember 2021 mit € 899,– statt € 2.433,– ausgepreist. Auch hier wird nicht nachvollziehbar die UVP klar angehoben und der Aktionspreis ein wenig gesenkt, wodurch sich eine höhere prozentuelle Preisreduktion (63 % statt 54 %) ergibt.
Ein weiterer Stolperstein in der Vergleichbarkeit ergibt sich aus der bildlichen Darstellung der Produkte, wie Dominko anmerkt: „Der Bildausschnitt, die Logoanordnung, die Farbwelt und das Bildformat ändern sich und machen den Konsumenten eine Wiedererkennung ausgesprochen schwierig bis beinahe unmöglich. Zudem wird innerhalb eines Monats die UVP einfach angehoben.“ Wimmer rät allen Interessierten: „Der Vergleich macht Sie sicher und eine Probe aufs Exempel kann ganz einfach selbst gemacht werden: Blättern Sie die Flugblätter und Prospekte durch: Wie viele Produkte werden gezeigt, auf die kein Rabatt gewährt wird? Den Schluss daraus kann und soll dann jeder selbst ziehen.“

Prinzipiell sieht Wimmer die Herausforderung nicht zuletzt in der Häufigkeit derartiger Anschaffungen: „Wir arbeiten in einer verführerischen Branche, in der die Käufer*innen meist kein Gefühl für den Preis haben – wie auch, denn wie oft werden schon neue Möbel angeschafft? Darüber hinaus werben die großen Möbelhäuser in den meisten Fällen mit dem Eigenmarken-Sortiment – eine weitere Intransparenz, um nicht vergleichbar zu sein.“

Der Service&More GF ist sich sicher: „Der Einrichtungsfachhandel arbeitet wesentlich transparenter, darüber hinaus können sich unsere Fachhandelsbetriebe derartige Rabattierungen nicht leisten. Und bei Betrachtung dieser Beispiele wird klar, dass es die großen Möbelhäuser eigentlich auch nicht können – und die Konsumenten sich am Ende den Rabatt selbst bezahlen!“ Laut Wimmer sind die ehrlichen Rabatte im Fachhandel für die Käufer letztendlich wertvoller: „5% Rabatt im Fachhandel sind mehr wert als die 35% der Großfläche.“

Neues Bundesgesetzes über die Auszeichnung von Preisen

Wimmer erläutert: „Seit am 20. Juli 2022 der neue § 9a des Bundesgesetzes über die Auszeichnung von Preisen in Kraft getreten ist, müssen Handelsunternehmen bei der Ankündigung von Preisermäßigungen den sogenannten ‚vorherigen niedrigsten Preis‘ angeben – also jenen Preis, der zumindest einmal in den letzten 30 Tagen vor der Anwendung der Preisermäßigung in demselben Vertriebskanal zum Einsatz gebracht wurde. Wir begrüßen diese neuen Vorgaben, die noch während der Feldarbeit zu unserer Studie in Kraft getreten sind. Sie zeigen, wie wichtig unsere diesbezüglichen Beobachtungen für die Konsumenten sind. Denn noch ist eine gewisse Orientierungslosigkeit zu erwarten – soll doch lediglich bei der Werbung mit einer UVP diese so dargestellt werden, dass sie als Vergleichspreis, aber nicht als Rabatt wahrgenommen wird. Wie damit im Alltag umgegangen wird, bleibt noch abzuwarten – denn die vorherrschende Rabattitis wird dadurch ja nicht unbedingt beendet, sondern lediglich etwas erschwert!“

 

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Kommentare (4)

  1. Ich war selber lange im Finanzbereich dieser Branche. Es funktioniert einfach. – Höherer ausgepriesener Rabatt bringt mehr Umsatz. Die Möbelketten ruinieren sich aber durch die extremen Rabattschlachten die Margen, die sie für die enormen Fixkosten (Riesenflächen, Marketing-Millionen) brauchen würden. Außerdem wird meist auf den Mitbewerber reagiert und da kommt das Einkalkulieren der Rabatte in die Marge oft zu kurz. Ich bin daher der Meinung, dass man auf der Großfläche aufgrund der unglaublichen Preisschlachten in einem Oligopol-Markt aktuell so günstig einkaufen kann wie noch nie.

  2. Ich war selber lange im Finanzbereich dieser Branche. Es funktioniert einfach. – Mehr ausgepriesener Rabatt bringt mehr Umsatz. Die Möbelketten ruinieren sich aber durch die extremen Rabattschlachten die Margen, die sie für die enormen Fixkosten (Riesenflächen, Marketing-Millionen) brauchen würden. Außerdem wird meist auf den Mitbewerber reagiert und da kommt das einkalkulieren der Rabatte in die Marge oft zu kurz. Ich bin daher der Meinung, dass man auf der Großfläche aufgrund der unglaublichen Preisschlachten in einem Oligopol-Markt aktuell so günstig einkaufen kann wie noch nie.

  3. Ein jeder Kaufmann kennt die Kalkulation. Und was man nachlässt muss man vorher raufrechnen.
    Für wie dumm halten eigentlich diese Möbelschieber die Kunden?

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  4. Die Herren Wimmer und Dominko stellen nichts Neues fest. Beispiele sind eigentlich überflüssig. Die Rabattschlachten gehen in Richtung der verdummten Konsumenten. Und die Anzahl derer wächst unaufhörlich.

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