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Donnerstag, 28. März 2024
Über das Mitsprache(un-)recht

Nachdenkpause

Wolfgang Schalko | 30.10.2022 | Bilder | |  Meinung
(© Pixabay) Anlässe wie die kürzlich abgehaltene Bundespräsidentenwahl bieten immer auch Diskussionsstoff, wie fair – im Sinne von repräsentativ und inklusiv – unser politisches (aber auch wirtschaftliches und gesellschaftliches) System eigentlich ist. Ich meine hier aber keineswegs jene bald 2 Millionen in Österreich Lebenden, die aufgrund einer fehlenden Staatsbürgerschaft nur Zuschauer auf der politischen Bühne sind, sondern vielmehr die Jungen, deren Stimme auch nur sehr leise zu vernehmen ist.

Wer sich gerne mit Wissenswertem rund um die Entwicklung unseres Planeten und seiner Bewohner in Hinblick auf die Klimakrise, dem sei an dieser Stelle der Falter natur-Newsletter ans Herz gelegt – ein solcher gab auch den Anlass zu diesem Beitrag.

Kurz vor der Bundespräsidentenwahl war in einem dieser Newsletter folgendes zu lesen: Das Durchschnittsalter liegt in Österreich bei 43,2 Jahren. Es gibt in Österreich etwa gleich viele Unter-20-Jährige (1,73 Millionen) wie Über-65-Jährige (1,75 Millionen). Vor einem halben Jahr sprach Sebastian Helgenberger vom Institut für transformative Nachhaltigkeitsforschung in Potsdam beim Symposion Dürnstein über Generationengerechtigkeit. Er warf in seinem Vortrag einige Fakten an die Wand. Bei der letzten Nationalratswahl hatten Menschen über 70 Jahre in Österreich vier Mal so viel Stimmgewicht wie Menschen unter 20 Jahren.

Die von Sebastian Helgenberger angesprochene Grafik sollte manch einen zum Grübeln bringen…

„Diejenigen, die der Klimawandel hart treffen wird, sind bei politischen Entscheidungen in der Minderheit”, hielt Helgenberger fest und sprach von einer „großen Repräsentationslücke”. Dann präsentierte er diese für Eltern sehr aufrüttelnde Grafik, die auf einen Blick zeigt, worum es eigentlich geht: Alte Menschen mögen die ersten Auswirkungen der Klimakrise zwar schon spüren, aber wenn im Klimaschutz nichts weitergeht, wird sie die Zukunft unserer Kinder dominieren.

Basierend auf den aktuellen wissenschaftlichen Erkenntnissen schaffen wir (=die Menschheit) es im besten Fall, die Erderwärmung auf „nur” 1,5°C zu begrenzen. Machen wir so weiter wie bisher (was ich persönlich leider für wesentlich realistischer halte), werden es wohl eher 2,5 oder gar 3°C. Und nein, das bedeutet nicht, dass wir in Zukunft in den Wintermonaten weniger heizen müssen. Ganz im Gegenteil, wie eine Kurzrezension aus einem anderen dieser Falter-Newsletter aufzeigt: Das Buch „3 Grad mehr” beschreibt zu den Auswirkungen dieses 3°C-Szenarios bis zum Jahr 2100 unter anderem, dass die Temperatur in Landgebieten um das Doppelte steigt – in Österreich und Deutschland würde es also um 6° wärmer werden, Hitzetage mit 45°C wären dann hierzulande keine Seltenheit. Parallel dazu „radikalisiert” sich das Wetter mit Starkregen, Dürreperioden und Wirbelstürmen; der Meeresspiegel steigt um 70 Zentimeter (sollte aber z.B. das Grönlandeis abschmelzen, dann gar um 7 Meter). In dem Buch (das ich mir heuer übrigens zu Weihnachten schenken werde) ist die Rede davon, dass „eine 3-Grad-Welt eine existenzielle Gefahr für die menschliche Zivilisation” sei.

Womit wir wieder bei den Jungen wären, denn genau dieses Szenario droht jenen vier Milliarden Menschen, die heute jünger als 20 Jahre sind (sowie natürlich allen, die noch geboren werden). Was aber kann die Politik tun? „Damit die unter 40-Jährigen die Mehrheit hätten, müsste zusätzlich ein maximales Wahlalter von 70 Jahren eingeführt werden”, erklärte Helgenberger, der sich für einen Klima-Generationenvertrag aussprach – ähnlich wie bei den Pensionen, wo die Jüngeren für die Älteren zahlen und darauf vertrauen, dass die nachfolgende Generation das ebenso macht. Analog dazu sollten sich bei einem Klima-Generationenvertrag die älteren Generationen dazu verpflichten, mit ihren Handlungen und Entscheidungen den nachkommenden Generationen „ein freies und selbstbestimmtes Leben in einem sicheren Klima” zu ermöglichen. Im Gegenzug soll die junge Generation in die Entscheidungen miteingebunden werden – in Summe solle das alles den sozialen Frieden zwischen den Generationen sichern.

Nachdem wir aber wissen, wie träge und entscheidungsfaul die Politik mitunter sein kann, plädiere ich persönlich dafür, mit noch so kleinen Schritten und individuellen Maßnahmen selbst aktiv zu werden. Etwa durch den Umstieg vom Auto auf Öffis – was ich in den letzten Wochen im Selbstversuch (durchaus erfolg- wie lehrreich) durchexerziert habe: Aus dem nördlichen Waldviertel mit Bus und Bahn nach Wien zu pendeln, ist eine gewisse Herausforderung (vor allem, wenn der schul- bzw. kindergartenpflichtige Nachwuchs zeitgerecht versorgt werden will), aber keineswegs unmöglich – und unterm Strich weniger nervenaufreibend als die entsprechende Autofahrt. Dass die Strecke Waidhofen/Thaya – Salzburg mit den Öffis doppelt so lange dauert wie mit dem PKW, wurmt mich allerdings ein bisschen – da nicht unbeträchtliche Teile der langen „Fahrzeit” eigentlich Wartezeiten sind, die nur von schlechter Abstimmung zwischen Bus und Bahn herrühren. Ich geb jedenfalls nicht auf und vielleicht kommt mit den neuen Fahrplänen ja Besserung…

Ein anderer Punkt, der mir (bzw. meiner Frau) kürzlich bei einem Wien-Trip mit den Kindern aufgefallen ist, lautet: Warum ist man als Gast in einem Apartment (aber genauso in einem Hotelzimmer) dazu quasi „verdammt”, seinen Müll ungetrennt in den einen großen Mistkübel zu werfen, der da üblicherweise steht? Das an dieser Stelle nur als – wie ich meine, durchaus zumutbare – Investitionsempfehlung an die Hoteliers und Tourismusbetriebe da „draußen”.

Diese Liste der kleinen, persönlichen Do’s & Don’ts ließe sich noch lange fortsetzen, ich möchte aber noch etwas ergänzen, das mir zu all dem bisher Genannten eine gewisse Hoffnung macht: Die Austria Presse Agentur (APA) hat kürzlich den größten Zusammenschluss von Faktencheck-Profis und Wissenschaftlern im deutschsprachigen Raum verkündet: Übermorgen, am 1. November, startet das Projekt „GADMO – German-Austrian Digital Media Observatory“ mit dem Ziel der länderübergreifenden koordinierten Bekämpfung von Des- und Falschinformationen. Mit der APA, der dpa Deutschen Presse-Agentur sowie der Agence France Presse (AFP) und dem unabhängigen Recherche-Netzwerk Correctiv schließen sich dabei erstmals die führenden Faktencheck-Organisationen im deutschsprachigen Raum zusammen und kooperieren mit namhaften Wissenschaftlern, darunter das AIT Austrian Institute Of Technology, die Kommunikations- und DatenwissenschaftlerInnen des Instituts für Journalistik der TU Dortmund sowie die Fakultät Statistik der TU Dortmund und das Athens Technology Center.

GADMO verfolgt vier Ziele:

  • Faktenchecks zukünftig auf einer zentralen Plattform zu bündeln und so der Öffentlichkeit besser zugänglich zu machen.
  • Desinformationskampagnen zu identifizieren und wissenschaftlich zu untersuchen.
  • Die Medienkompetenz in Österreich und Deutschland zu fördern.
  • Zu überprüfen, ob digitale Plattformen und soziale Netzwerke genug im Kampf gegen Desinformation tun.

Zum Abschluss noch eine definitiv belastbare Erkenntnis aus einem Klimabuch: Für eine Klimawende wären laut Schätzungen etwa 2-4% des Weltsozialprodukts zu investieren – demgegenüber würden die Schäden in einer 3-Grad-Plus-Welt mindestens ein Zehntel der Weltwirtschaftsleistung ausmachen.

Bilder
(© Pixabay)
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