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Freitag, 29. März 2024
„Einzelhandel muss 2023 486 Mio. Euro Energie-Mehrkosten stemmen“

HV: „Handelsbetriebe kommen an ihre wirtschaftlichen Grenzen“

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 11.11.2022 | |  Wissen
Laut Handelsverband muss der Einzelhandel nächstes Jahr Energie-Mehrkosten in Höhe von 486 Millionen Euro stemmen. (Bild: Pixabay) Laut Handelsverband muss der Einzelhandel nächstes Jahr Energie-Mehrkosten in Höhe von 486 Millionen Euro stemmen. (Bild: Pixabay) Die extreme Situation am Energiemarkt treibt immer mehr österreichische Handelsbetriebe an ihre wirtschaftlichen Grenzen, berichtet der Handelsverband, laut dem auch 2023 keine Entspannung in Sicht sein soll. „Der Einzelhandel muss im kommenden Jahr Energie-Mehrkosten von 486 Millionen Euro stemmen“, so der HV, der sich dabei auf eine Studie von EcoAustria bezieht.

Mittlerweile kämpfen zwei Drittel der Unternehmen mit einer deutlichen Verschlechterung der Kapitalstruktur, sprich sie haben zu wenig Eigenkapital, sagt der Handelsverband. Und auch 2023 soll keine Entspannung in Sicht sein. Im Gegenteil: „Der Einzelhandel muss im kommenden Jahr Energie-Mehrkosten von 486 Millionen Euro stemmen“, sagt der Verband, der sich auf die Ergebnisse einer aktuellen Studie von EcoAustria im Auftrag des Handelsverbandes bezieht.

Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will sagt: „Fast die Hälfte unserer Branche wird das heurige Geschäftsjahr mit einem Verlust abschließen. Fast alle beschäftigungsintensiven Betriebe bleiben auf den Energiekosten sitzen. 2023 müssen wir auch noch Energie-Mehrkosten von 486 Millionen Euro stemmen, das kann sich nicht ausgehen.“ EcoAustria-Direktorin Dr. Monika Köppl-Turyna ergänzt: „Für den Einzelhandel rechnen wir mit einem Anstieg der Erdgas-Kosten von 2,8 Millionen Euro im Jahr 2021 auf 24 Millionen im kommenden Jahr. Beim Strom gehen wir von einer Erhöhung von 60 Millionen in 2021 auf 525 Millionen Euro in 2023 aus.“

„Energiekostenzuschuss treffsicher ausgestalten!“

Um das langfristige Überleben der Branche zu sichern und das System der Nahversorgung nicht zu gefährden, sei auch der Handel – vom filialisierten Konzern bis hin zum selbstständigen Einzelhändler – auf schnelle staatliche Unterstützungsmaßnahmen angewiesen, fordert Will. „Das Unternehmens-Energiekostenzuschussgesetz sieht jedoch eine Fördermöglichkeit nur für ‚energieintensive Unternehmen‘ vor. Das sind nach dem Gesetz solche, bei denen sich die Energiebeschaffungskosten auf mindestens 3% des ‚Produktionswertes‘ belaufen oder die zu entrichtende nationale Energiesteuer mindestens 0,5% des ‚Mehrwertes‘ beträgt. Die Ausnahme für Unternehmen mit einem Umsatz unter 700.000 Euro ist für unsere Branche viel zu gering angesetzt.“

Der Energiekostenzuschuss sei leider intransparent, so Will – „bürokratisch und nicht treffsicher ausgestaltet. De facto profitieren fast nur energieintensive Industrieunternehmen davon, der große Rest der Betriebe schaut wieder mal durch die Finger.“

Daher appelliert der Handelsverband weiterhin vehement an die Bundesregierung, den Energiekostenzuschuss „treffsicherer“ auszugestalten und die beihilferechtlichen Möglichkeiten der EU endlich im Vollumfang auszuschöpfen. Mit Blick auf neue Förderungen ab Oktober 2022 müsse der Handel unter größtmöglicher Ausnutzung des überarbeiteten befristeten Krisenrahmens der EU berücksichtigt werden.

First come, first served-Prinzip bei Beantragung schadet KMU-Betrieben

Großer Unmut herrsche in der Branche auch über den Einsatz des „First come, first served“-Prinzips bei Beantragung des Energiekostenzuschusses, wie der HV GF weiter ausführt: „Das First come, first served-Prinzip ist unhaltbar. Die förderfähigen Kosten bzw. die Einordnung als energieintensives Unternehmen müssen zwingend von einem Wirtschaftsprüfer oder Steuerberater in Bezug auf die Nachvollziehbarkeit festgestellt werden. Das braucht Zeit und die Steuerberater sind bereits stark ausgelastet. KMU-Betriebe werden dadurch krass benachteiligt.“

Initiative #Stadtretter startet in Österreich

Der Handelsverband ist aktuell auch an einem anderen Projekt dran und zwar als Mit-Initiator am Projekt „Initiative #Stadtretter“. Es geht darum aufzuzeigen, mit welchen Herausforderungen die heimischen Innenstädte und Ortskerne konfrontiert sind und dafür ein Bewusstsein zu schaffen.

„Die Leerstandsquote in den österreichischen Innenstädten ist zuletzt auf 7,4% gestiegen. Besonders in Kleinstädten stehen immer mehr Verkaufsflächen leer, viele Bezirkshauptstädte weisen bereits Leerstandsraten von über 20% auf. Die im Oktober von den Stadtrettern Deutschland und RegioPlan gegründete Initiative ‚Stadtretter Österreich‘ möchte aktiv dagegen vorgehen“, berichtet der Handelsverband, der als Mit-Initiator an Bord ist und die Plattform gemeinsam mit seinen mehr als 4.000 Mitgliedsunternehmen unterstützen wird.

Das Ziel ist es, ein nachhaltiges und wirksames Netzwerk für österreichische Innenstädte und Ortskerne aufzubauen. Mittelpunkt der Initiative ist die Plattform www.die-stadtretter.at. „Hier können sich Städte und Gemeinden vernetzen sowie austauschen, Unternehmen ihre Dienstleistungen und Produkte zur Problemlösung vorstellen und Forschungsinstitute neue Trends und Erkenntnisse veröffentlichen“, beschreibt der Verband.

Studie bestätigt: Verkaufsflächenverlust in Innenstädten enorm

Der City Retail Health Check 2022 von Standort+Markt in Kooperation mit dem HV hat gezeigt: Der Einzelhandel habe allein im Vorjahr bundesweit umgerechnet etwa 80 Fußballfelder (500.000m2) Verkaufsfläche verloren. Besonders Kleinstädte und Ortskerne weisen hohe Leerstandsquoten auf. Durch die enormen Teuerungen und den Kaufkraftverlust der Bevölkerung werde sich dieser negative Trend voraussichtlich fortsetzen.

„Der Handel kämpft zurzeit mit systemischen Kostensteigerungen, aber auch mit einem massiven Kaufkraftverlust der Bevölkerung. Der zunehmende Leerstand in den Stadt- und Ortskernen ist stiller Zeuge dieser Entwicklungen. Ohne nachhaltige Entlastungsmaßnahmen auf der Kostenseite und strukturelle Deregulierung des Faktors Arbeit werden tausende KMU-Händler aufgeben müssen und damit 1.000 Gemeinden ihre Nahversorger verlieren. Daher unterstützen wir die Stadtretter-Initiative aus voller Überzeugung“, bestätigt Rainer Will, Geschäftsführer des Handelsverbandes.

Auch dem Handelsverband-Präsidenten Stephan Mayer-Heinisch ist die Rettung der Stadt- und Ortskerne ein persönliches Anliegen: „Handel, Gastronomie und Hotellerie gehören zusammen. Alle drei Branchen leiden zurzeit besonders unter den explodierenden Energiekosten und der hohen Inflation, daher nimmt auch der Leerstand deutlich zu. Tausende kleine und mittelständische Betriebe stoßen an ihre wirtschaftlichen Grenzen. Es entstehen irreversible Schäden für die Stadt- und Ortskerne in allen Regionen, daher müssen wir umgehend gegensteuern!“

Weitere Informationen zur Initiative #Stadtretter Österreich finden Sie hier: www.die-stadtretter.at

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