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Mittwoch, 24. April 2024
Recht im Handel – Handeln im Recht

Das neue Verbraucher-Gewährleistungsgesetz (VGG) – Änderungen, Auswirkungen und Fragen über Fragen

Hintergrund | RA Dr. Nina Ollinger, LL.M | 13.11.2022 | Bilder | |  Meinung

Dominik Schebach
Mit 1. 1. 2022 trat das neue Verbraucher​gewährleistungsgesetz (kurz: VGG) in Kraft. Damit wurden lange erwartete Regelungen von Kaufverträgen über digitale Inhalte, Dienstleistungen und Waren mit digitalen Elementen vorgenommen. Das neue Gesetz zeichnet sich durch seine besondere Verbraucherfreundlichkeit aus, indem es beispielsweise die Vermutungsfrist für Mängel auf ein Jahr verlängert (§ 11 VGG) und – im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage – auch die außergerichtliche Geltendmachung der Gewährleistungsbehelfe ermöglicht.

Besonders spannend ist dabei der neue § 7 VGG, der dem Unternehmer bei Verträgen über Waren mit digitalen Elementen und digitalen Leistungen eine laufende Aktualisierungspflicht auferlegt. Interessant: Diese Bestimmung ist auch im unternehmerischen B2B Bereich anwendbar. Damit soll verhindert werden, dass der Unternehmer bereits nach kurzer Zeit keine Software-Updates mehr zur Verfügung stellt und somit die Leistung oder Ware insbesondere für den Verbraucher unbrauchbar ist. Die Umsetzung dieser Vorstellung ist in Bezug auf die einmalige Bereitstellung noch vernünftig, muss doch nur so lange aktualisiert werden, wie dies vernünftigerweise erwartet werden kann. Bedenklicher erscheint die Verpflichtung hinsichtlich der fortlaufenden Bereitstellung, die während der gesamten Bereitstellungsdauer, bei Waren mit digitalen Elementen aber jedenfalls und ohne Differenzierung mindestens zwei Jahre lang zu erfolgen hat. Das Ausmaß der dem Unternehmer dadurch auferlegten Belastung wird sich erst zeigen; mit Sicherheit kann aber jetzt schon gesagt werden, dass die unternehmerischen Verpflichtungen zeitlich ausgedehnt werden und Unternehmer auch nach Ablauf der Gewährleistungsfrist für Mängel einstehen müssen. Nachdem viele Programme jedoch ohnehin nur noch in Form von Jahresabos verfügbar sind, hat der Markt eine Antwort auf die Probleme der Vergangenheit wohl schon gefunden.

Die Aktualisierungspflicht kann vertraglich abbedungen werden. Dies wird allerdings – während dies im B2B Bereich schon durch Aufnahme in den AGB möglich ist – erschwert: Der Verbraucher muss von den Abweichungen in Kenntnis gesetzt worden sein und diese ausdrücklich und gesondert akzeptiert haben. Obwohl Schriftlichkeit nicht erforderlich ist, wäre diese allein aufgrund von Beweiszwecken äußerst sinnvoll. Der Handel wird sich somit, will er die Aktualisierungspflicht verhindern, an die erschwerten Bedingungen anpassen müssen.

Die Möglichkeit der außergerichtlichen Geltendmachung der Preisminderung könnte wieder vermehrt zu Gerichtsverfahren führen: Aus der Gesetzesänderung folgt, dass der Verbraucher künftig den zu mindernden Preis selbst bestimmen kann. Dies wirft die Frage auf, was bei falsch berechneten Beträgen passieren soll: Trifft den Verbraucher das Risiko der falschen Berechnung oder hat – wie meistens – der Unternehmer einfach „Pech gehabt“? Die Tendenzen gehen erstaunlicherweise in Richtung der ersten Variante; eine endgültige Klärung durch die Judikatur oder Geschäftsbräuche kann wohl erst in ein paar Jahren erwartet werden.

Das neue Verbrauchergewährleistungsge​setz bringt zusammen mit den Regelungen zu den Verträgen über digitale Inhalte und Leistungen einige Unklarheiten und Fragen mit sich, deren Antworten wohl bis zur höchstgerichtlichen Klärung ungeklärt bleiben werden – und dafür ist Geduld gefragt, denn das wird eben einige Jahre dauern. Mit Sicherheit lässt sich aber jetzt schon sagen, dass Unternehmer künftig auch im Gewährleistungsrecht zum Schutz des „armen Verbrauchers“ besondere Sorgfalt walten lassen und Anpassungen vornehmen müssen.

RA Dr. Nina Ollinger, LL.M
02231 / 22365
office@ra-ollinger.at
www.ra-ollinger.at

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