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Donnerstag, 28. März 2024
Aus dem Gremium (Teil 14): In Wien ist auch der Elektrohandel anders

„Da spielt die Musik”

Hintergrund | Wolfgang Schalko | 01.12.2022 | |  Wissen
Robert Pfarrwaller (li.) ist neben seiner Funktion als Bundesgremialobmann auch Obmann-Stv. des Wiener Landesgremiums des Elektro- und Einrichtungsfachhandels, Rudolf Vogt ist seit 15 Jahren Geschäftsführer des Landesgremiums. Robert Pfarrwaller (li.) ist neben seiner Funktion als Bundesgremialobmann auch Obmann-Stv. des Wiener Landesgremiums des Elektro- und Einrichtungsfachhandels, Rudolf Vogt ist seit 15 Jahren Geschäftsführer des Landesgremiums. Mit den Worten „Wien ist anders” wird man schon an den Einfahrten in die Bundeshauptstadt begrüßt. Das gilt auch in Hinblick auf den örtlichen Elektro- und Einrichtungsfachhandel, der zwar zahlenmäßig „nur” die zweitmeisten Mitglieder in Österreich aufweist, dafür jedoch die mit Abstand größte Diversität. Dazu kommen die spezifischen Herausforderungen des urbanen Raums.

Im Gegensatz zu allen anderen Landesgremien gibt es in Wien ausschließlich urbanen Raum. Das sorge schon alleine von der Struktur her für Unterschiede, schickt Robert Pfarrwaller – neben seiner Funktion als Bundesgremialobmann auch Obmann-Stv. des Wiener Landesgremiums des Elektro- und Einrichtungsfachhandels (Obmann ist Einrichtungsspezialist Johann Klein) – voraus. Rund 2.600 aktive Mitglieder zählt Wien – aber keineswegs nur Elektrohändler, wie Rudolf Vogt, seit 15 Jahren Geschäftsführer des Landesgremiums, ergänzt: „Etwa die Hälfte sind Elektrohändler. Darüber hinaus gibt es noch den Elektrogroßhandel, das Elektrogewerbe mit Elektrohandelsberechtigung, über 600 Handyshops, den Musikinstrumente- und Tonträgerhandel sowie unsere Leuchten-/Lampen-Händler und eine ganze Reihe von Spezialhändlern.” Diese große Vielfalt bedinge auch eine „sehr diverse Gremialarbeit” – in der etwa die Berufsgruppe der Handyshops mit Ali Süzen einen eigenen Vertreter hat oder „typisch Wiener Geschichten” wie wiederaufkommende Vinyl-Plattenläden ihren Niederschlag finden.

Mit welchen thematischen Schwerpunkten beschäftigt sich das Landesgremium Wien?

Vogt: In den letzten zwei Jahren der Pandemie hat sich für den klassischen EFH Click & Collect als sehr positiv herausgestellt. Allerdings musste das erst ausverhandelt werden, denn in den ersten Lockdowns durfte der Elektrohandel nicht öffnen, die Handyshops schon. Außerdem gab es die Schieflage zwischen Handel und Gewerbe und dass die Großfläche des Lebensmittelhandels Elektrogeräte verkaufen durfte, die Großfläche des Elektrohandels hingegen nicht – wir haben mit großem Einsatz dafür gekämpft, diese Irritationen zu beseitigen, sodass der Wiener Elektrohandel an der steigenden Nachfrage partizipieren konnte. Eine enorme Challenge bestand in der Kommunikation zu den Mitgliedsbetrieben hin, insbesondere bei den Handyshops, wo es zusätzlich auch noch sprachliche Herausforderungen gab und gibt. In der Gremialarbeit gilt es also auch multikulturelle und multilinguistische Hürden zu meistern – was dank unseres ausgezeichneten Fachausschussvorsitzenden, der die relevanten Informationen z.T. selbst in die Sprachen der Mitglieder übersetzt und via WhatsApp an diverse Gruppen kommuniziert hat, sehr gut gelungen ist. Und aktuell profitieren die Handyshops stark vom Reparaturbonus. Laut einer kürzlich veröffentlichten Statistik des Umweltministeriums werden rund 40% der Reparaturen für Mobiltelefone in Anspruch genommen. Dieses Feedback erhalten wir auch von den Handyshops und vor allem jenen, die schon bisher eine Berechtigung für Mechatronik hatten, kommt diese nun besonders zu Gute.

Pfarrwaller: Daher haben wir in weiteren Gesprächen nun ausverhandelt, dass der Reparaturbonus für den gesamten EFH mit Elektroware gilt. Dieses Nebenrecht anzuwenden ist zwar qua Gewerbeordnung völlig in Ordnung, der Gesetzgeber hatte zunächst aber den anderen Weg gewählt. Das wurde jetzt korrigiert und alle Fachhändler dürfen auch die geförderten Reparaturen abwickeln – denn Reparaturen an den geführten Elektrowaren durften sie ja immer durchführen, nur eben ohne Bonus. Neben dem Umsatzaspekt spielt hier aber noch etwas ganz anderes mit, denn das große Thema lautet eigentlich: Wie bekommen wir den Konsumenten in den Fachhandel und weg von der Couch, d.h. weg vom Online-Shopping? Das gelingt u.a. über die Reparatur, denn wo man ein Gerät kauft, bringt man es im Servicefall üblicherweise wieder hin. Wenn das nicht möglich ist, sendet man ein fatales Signal an den Konsumenten: Der Händler schickt den Kunden wieder weg. Das muss man sich in Zeiten, wo wir über Kundenbindung reden und dann auf EU-Ebene abgesegnete Förderinstrumente schaffen, die gegen Kundenbindung sind, einmal auf der Zunge zergehen lassen. Die Ausweitung des Reparaturbonus auf den gesamten Elektrohandel war somit ein wichtiger Schritt, ganz besonders für Wien mit den spezifischen logistischen Herausforderungen. Wir wollten die Unternehmen aber auch bei ihrer Weiterentwicklung unterstützen und haben einen Bildungschwerpunkt gesetzt – mit einem Bildungsbonus, den wir seit zwei Jahren anbieten. Dieser war zunächst fokussiert auf digitale Infrastruktur, mittlerweile wurde er auf das gesamte WIFI-Kursangebot ausgeweitet. Jeder Unternehmer erhält nach einem absolvierten Kurs von uns bis zu 500 Euro retour.

Unterstützungsmaßnahmen des Landesgremiums Wien: Ein Bildungsbonus zur Weiterentwicklung der Unternehmen sowie eine Videokampagne, um die Konsumenten in den Fachhandel zu lotsen.

Vogt: Weiter in die Zukunft geblickt versuchen wir insbesondere über diverse Imagekampagnen – aktuell ist da eine Videokampagne im Fokus – die Kunden anzusprechen und auf eine kurzweilige, mit einem Augenzwinkern versehene Art anhand von 30-sekündigen Werbeclips auf das Kaufen im Fachhandel hinweisen. Damit haben wir 2021 sowohl für den Elektro- als auch den Einrichtungsfachhandel gestartet und der brandneue Spot (Anm.: zu finden auf der Webseite des Landesgremiums) für den Elektrohandel kommt jetzt Anfang November. Neben Social Media und der Ausspielung auf W24 setzen wir hier ganz bewusst auch auf die Kinos, weil der Konsument die Werbung dort nicht einfach wegklicken kann. Inhaltlich bezieht sich der neue Spot auf smartes Energiemanagement bzw. elektronische Heizungsthermostate, die man einfach aufschraubt und dann übers Handy „zurückdrehen” kann – was auch das Schlagwort des Spots ist. Damit wollen wir zeigen, dass man Smart Home Technologie auch in „kleinen” Lösungen ganz einfach im Handel kaufen und selbst einbauen kann.

Stimmt es, dass sich der EFH in der Stadt ungleich schwerer tut als am Land – u.a. wegen der Dominanz der Großfläche?

Vogt: Die Großfläche mag in Wien zwar von der Fläche her und ev. auch beim Umsatz dominant sein, aber hinsichtlich der Nähe zum Kunden ist es am Land draußen viel, viel schwieriger. Gibt es dort in einem Ort keinen Fachhändler, wird ins nächste Fachmarkt- oder Einkaufszentrum – zumeist mit Großfläche – gefahren. In Wien hingegen hat man oft noch fußläufig einen Fachhändler in seiner Umgebung. Und wir sehen ja, dass die Mitgliederzahlen relativ konstant bleiben bzw. bei den Handyshops sogar wachsen – und die befinden sich überwiegend in den Einkaufsstraßen und nicht in den EKZ. Man muss es also schaffen, seine örtlichen Kunden im Grätzel anzusprechen und zu binden, entsprechende Dienstleistung bieten und das mit ein bisschen Werbung unterstützen – kurzum: zeigen, dass im Fachhandel die Musik spielt.

Pfarrwaller: Jeder Kanal hat seine Rolle – das Schlüsselwort heißt Koexistenz. Und ein weiteres lautet Omnikanal, denn durch die größere Anonymität im urbanen Raum ist der digitale Auftritt umso wichtiger.

Und das Thema Lehrlinge/Fachkräfte?

Pfarrwaller: Betrifft uns natürlich auch und hier wird der Kontakt zu den Berufsschulen wieder intensiviert – wie man neue Lehrgänge gestaltet oder wie man neue Impulse setzt, damit der Unterricht den Ist-Gegebenheiten der technologischen Entwicklung entspricht. Wir versuchen, unseren Nachwuchs entsprechend zu mobilisieren und in der Branche zu halten. Deshalb waren wir mit die Ersten, die Hannes Katzenbeisser zum Thema Omnikanal in die Berufsschule geholt haben.

Vogt: Die Lehrlingszahlen sind auch relativ konstant. Derzeit haben wir 284 Lehrlinge in Wien: 126 im Bereich Einrichtungsberatung, 78 bei Elektro-Elektronikberatung und 80 in der Telekommunikation – wobei die Großfläche immer eine ganze Klasse stellt. Bei den Ausbildungsbetrieben kämpfen wir jedoch, dass es nicht noch weniger werden.

Wie funktioniert die Kommunikation zu den Mitgliedern?

Vogt: Diese läuft auf mehreren Ebenen. Die erste Adresse sollte die Geschäftsstelle sein, aber natürlich steht den Mitgliedern die gesamte WKW mit ihren Fachabteilungen und eigenen Arbeitsgruppen für spezielle Themen wie Covid-Förderungen oder Energieskostenzuschuss zur Verfügung. Die zweite Schiene bilden unsere regelmäßigen Newsletter über Mailworx bzw. z.T. in gedruckter Form. Drittens bieten wir – über das Bundesgremium – anstelle von Präsenzveranstaltungen entsprechende digitale Lösungen an, wie etwa kürzlich unseren Social Media Workshop sowie auch spezifische Veranstaltungen nur für die Lehrlinge, die Webinare. Durch den direkten Kontakt mit den Funktionären erfahren wir, was der Branche primär unter den Nägeln brennt, daneben liefert unser Gremialausschuss mit den Branchenvertretern entsprechenden Input und Feedback. Generell ist da seit der Pandemie sehr viel aufgebrochen und man muss sehr viele Kommunikationswege beschreiten – wobei die WKW in den letzten Jahren die digitalen Angebote forciert hat.

Pfarrwaller: Wir bieten ein breites Spektrum an Dienstleistungen, von Rechtsberatung bis zum Förderwesen. In den letzten zwei Jahren haben Händler aber oft auch nur ihren Frust bei uns abgelassen – doch das ist ja ebenfalls eine Art „Mitgliederservice”.

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