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Donnerstag, 25. April 2024
Markus Gubler: Life-Cycle-Blog in der E&W

Jetzt die Chance nutzen

Die Branche | Markus Gubler | 15.12.2022 | | 1  
Nach Ansicht von Markus Gubler, Head of After Sales bei Ingram Micro, steht die Branche am Anfang eines tiefgreifenden Veränderungsprozesses in Richtung mehr Nachhaltigkeit und Service. Nach Ansicht von Markus Gubler, Head of After Sales bei Ingram Micro, steht die Branche am Anfang eines tiefgreifenden Veränderungsprozesses in Richtung mehr Nachhaltigkeit und Service. (© Markus Gubler / Ingram Micro) Markus Gubler, Head of After Sales bei Ingram Micro, schreibt in einem Blog für E&W über seine Gedanken bezüglich Nachhaltigkeit, Service und warum seiner Ansicht nach gerade hier Kundenbedürfnis und Angebot so weit auseinanderklaffen.

Anlässlich unserer Messe IM Top 22 wurde die spontane Idee geboren, zum Thema Nachhaltigkeit und Life-Cycle in der E&W einen Blog zu schreiben. Daher mein großes Dankeschön an Dominik Schebach, der unkompliziert dieser Idee diesen Platz gewidmet hat.

Unhöflicherweise falle ich mit der Tür ins Haus. Ich sollte mich zuerst kurz vorstellen. Ich bin Markus Gubler, glücklich verheiratet, habe vier wundervolle Kinder, einen Hund und zwei Katzen und lebe seit zwölf Jahren in Wien. Geboren bin ich in der Schweiz und habe vor vielen Jahren den Beruf des Audio-Videotechnikers erlernt und damit mein Hobby zum Beruf gemacht.

Das Thema Reparieren hat mich seitdem immer beschäftigt. In Österreich könnte man mich in unserer Branche als Gründer und Geschäftsführer der Mobiletouch oder in meiner aktuellen Position als Head of After Sales bei der Ingram Micro kennen.

Mehr der Technik als dem Schreiben zugewandt, habe ich mir im Vorfeld viele Gedanken gemacht, was ich zum Thema Nachhaltigkeit und Reparieren schreiben soll. Jedoch habe ich gleich mal alle tollen Ideen, die ich zum Thema Nachhaltigkeit hatte, kurz entschlossen über Bord geworfen. Warum, darüber muss ich kurz der Reihe nach berichten.

Es ist Wochenende und ich habe ausnahmsweise wenig Pläne, perfekt um ein paar Zeilen zu schreiben. Aber kaum aufgestanden, erfolgt der erste Tiefschlag. Die Kaffeemühle funktioniert nicht mehr. Jetzt muss man wissen, dass ich ohne Kaffee in einem dämmerartigen Zustand verbleibe. Meine liebe Frau „Kaci“ (niemand nennt sie Kathrin), sollte man, wenn man mit dem Leben noch nicht abgeschlossen hat, vor dem ersten Kaffee besser nur leise ansprechen. Kurz und gut – Kaffee gehört in unserem Haushalt zur essenziellen Grundversorgung. Für solche Notfälle haben wir zum Glück immer Kaffeepulver lagernd, womit sich diese Katastrophe gerade noch abwenden lässt.

Der sonntäglichen Prüfungen nicht genug, streikt eine Stunde später die Waschmaschine. In einem großen Haushalt ist diese Maschine, ohne Zweifel, ein Teil der kritischen Infrastruktur. Eine Lösung muss daher sofort her, sonst gehen wir binnen kürzester Zeit in schmutziger Wäsche unter.

Selbst ist der Fachmann. Das heißt, mit der defekten Kaffeemühle ab in den Hobbyraum und danach runter in den Keller zur streikenden Waschmaschine. Der Plan: Die Fehler an den streikenden Geräten zu eruieren und zu beheben. – Zwei Stunden später folgt jedoch die Ernüchterung. Und da sich ein gescheiterter Reparaturversuch wie eine sportliche Niederlage anfühlt, möchte ich nicht weiter in den eigenen Wunden bohren. – Was mich jedoch noch den lieben langen Tag beschäftigt, ist der Gedanke an eine Waschmaschine, die mehr als 30 Jahre ohne Zicken brav ihre Arbeit vollbracht hat. Im Kontrast dazu steht die bereits zweite Kaffeemühle, die innerhalb von sechs Jahren ihren Dienst verweigert. – Wie komplex ist schon eine Kaffeemühle? Ein Schalter, ein Motor und ein Mahlwerk, was kann da schon kaputtgehen, würde man denken! Die Menschheit ist in der Lage, hochkomplexe Roboter mit Trägerraketen auf Planeten zu schießen, die, dort gelandet, jahrelang ohne Wartung Grundlagenforschung betreiben. Bei der Konstruktion einer Kaffeemühle versagen die Ingenieure jedoch kläglich!

„Eine fehlende Reparaturmöglichkeit war ein objektives Ausschlusskriterium.“
Markus Gubler

Zugegebenermaßen, der Vergleich hinkt etwas. Trotzdem! Warum kann man eine Kaffeemühle nicht langlebiger konstruieren? Eine teure Mühle müsste, als Teil meines Nachlasses, auch die Enkel noch mit lebenswichtigem Kaffeepulver beglücken können.

Der Bezug dieser profanen Geschichte zu aktuellen Herausforderungen liegt auf der Hand: Es geht um Nachhaltigkeit und den verantwortungsbewussten Umgang mit Ressourcen. Wie ich finde, hat da auch unsere Branche einiges an Herausforderungen zu meistern. Alleine in der EU fallen jährlich rund zehn Millionen Tonnen Elektroschrott an. Davon rund 90.000 Tonnen in Österreich. Die EU-finanzierte WEEE-Studie (Waste of Electrical and Electronic Equipment) aus dem Jahre 2015 stellt Europa eher ein zweifelhaftes Zeugnis aus. Von den zirka zehn Millionen Tonnen Elektroschrott werden nur bescheidene 35 % ordentlich recycelt: Der Rest landet im Hausmüll (10 %), wird nicht gesetzeskonform recycelt (25 %) oder wurde nicht dokumentiert (33 %). Es wird geschätzt, dass jährlich 1,5 Mio. Tonnen dieses Sonderabfalles rechtswidrig exportiert werden (15 %).

Als gelernter Fernseh- und Radiotechniker hat Markus Gubler, hier in seiner Werkstatt, sein Hobby zum Beruf gemacht.

Wie ich finde, sprechen diese Zahlen eine deutliche Sprache! Die Nachhaltigkeit muss wieder eine zentralere Rolle spielen. Dazu gehört neben der eigentlichen Produktion auch die Langlebigkeit und Reparierbarkeit. Dazu muss ich nochmals kurz eine Erinnerung mit euch teilen. Meine Mutter hat bei der Anschaffung neuer Geräte immer sehr genau geschaut, dass diese mit Schrauben versehen sind. Im Falle eines Defektes soll es ja der Vater wieder richten können. Eine fehlende Reparaturmöglichkeit war ein objektives Ausschlusskriterium.

Mit diesem simplen Anforderungsprofil an eine Verschraubung würden heute viele High-Tech-Teile durch den Qualitätsrost fallen. Aus meiner Sicht ist da durchaus auch der Konsument in der Pflicht, auf die Nachhaltigkeit seiner Anschaffungen zu achten. Eine Veränderung zeichnet sich hier ab. Meinen Beobachtungen nach sind wir in diesem tiefgreifenden Veränderungsprozess zwar noch am Anfang, aber dieses Umdenken wird unaufhaltsam seinen Weg gehen. Zwei persönliche Feststellungen führe ich als Begründung an:

Grund 1: In einem durchschnittlichen Haushalt stehen heute Unmengen an technischen Geräten. Und mit der Anzahl an Geräten steigt auch die mathematische Menge an Defekten. Das ist mühselig. Da Menschen lernfähige Wesen sind, ist die logische Konsequenz, zukünftig bei Neuanschaffungen besser auf Langlebigkeit zu achten – auf fehleranfällige, unnötige Geräte komplett zu verzichten. Dass sich eine Reparatur heute kaum mehr auszahlt, hat sich leider schon in vielen Köpfen festgesetzt.

Technische Geräte sollen umweltschonend produziert und reparierbar sein. Diesem kritischen Zugang schließen sich immer mehr Käufer an.

Grund 2: Nachhaltigkeit wird sich durchsetzen. Immer mehr Menschen gelangen zu der Erkenntnis, dass unser aktueller Lifestyle nicht zukunftsfähig ist. Unsere Ressourcen zu schonen, ist für eine immer breiter werdende Masse von Konsumenten alternativlos. Technische Geräte sollen umweltschonend produziert sein, möglichst lange halten und auch „wieder“ reparierbar sein. Diesem kritischen Zugang bei Neuanschaffungen schließen sich mehr und mehr Käufer an. Gut so!

Unsere Branche sollte sich dieser Veränderung bewusster werden und dies als Chance nutzen. Könnte es funktionieren, wenn bei der Anschaffung von Neugeräten die Nachhaltigkeit das wichtigste Kaufkriterium ist? Wie langlebig ist das Gerät konstruiert? Kann das Gerät einfach repariert werden? Was für eine Servicestruktur steht hinter diesem Produkt?

Wie würden unsere Kunden reagieren, wenn nicht mit dem tiefsten Preis, sondern mit der besten Nachhaltigkeit geworben wird? Es wird dem Kunden vor dem Verkauf erklärt, warum dieses Gerät besonders langlebig ist. Und sollte das Gerät doch mal einen Defekt aufweisen, wird ihm auch gleich erklärt, wie einfach und kompetent der Reparaturservice für dieses Produkt ist.

Vielleicht gibt es in unseren Shops auch bald wieder mehr Techniker, welche Mängel gleich vor Ort beheben können. Noch fehlt es an Herstellern und Shops, die gezielt nachhaltige Produkte anbieten. Meiner Meinung nach wird dadurch ein großes Käuferpotential liegen gelassen. Das Kundenbedürfnis und die vorhandenen Angebote klaffen in diesem Punkt weit auseinander.

Gut möglich, dass meine Worte für den einen oder anderen Leser etwas „weltfremd“ oder gar „naiv“ klingen. Die zentrale Frage dazu ist aber sehr einfach: „Können wir als Gesellschaft den eingeschlagenen Weg der Ressourcenverschwendung weiter verantworten oder müssen wir den Kurs nachhaltig ändern?“

Kommt man zum Schluss, der Kurs muss deutlich korrigiert werden, ja dann sollte man diese Chance jetzt nutzen. Nicht auf die anderen warten und nachziehen, sondern selbst Trendsetter sein. Dass die Ersten, die auf einen Trend setzen, auch gute Geschäfte machen, dafür gibt es in unserer Branche einige herausragende Beispiele.

In diesem Sinne wünsche ich der Branche ein erfolgreiches und nachhaltiges Weihnachtsgeschäft. Über die eine oder andere Rückmeldung würde ich mich freuen.

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Kommentare (1)

  1. Vielen Dank für die Gedanken zur Nachhaltigkeit, gerade in der Hochsaison des Konsums. Laut einer Eurobarometer-Umfrage ziehen es 77 % der Europäer vor, ihre Geräte zu reparieren, anstatt sie zu ersetzen. Das müsste doch eine gesunde Mehrheit für ein Recht auf Reparaturmöglichkeit sein. Bleibt zu hoffen, dass das von der EU geplante Regelwerk kein zahnloser Kompromiss wird.

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