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Donnerstag, 28. März 2024
Handel stark betroffen

Creditreform: Firmeninsolvenzen steigen um 60%

Hintergrund | Julia Jamy | 13.01.2023 | |  
Insgesamt gab es in Österreich im vergangenen Jahr 13.992 Firmen- und Privatinsolvenzen (+30,4%). Insgesamt gab es in Österreich im vergangenen Jahr 13.992 Firmen- und Privatinsolvenzen (+30,4%). (© Creditreform) Die Gesamtzahl an Firmeninsolvenzen stieg im vergangenen Jahr um knapp 60% auf 4.913 Verfahren. Die Zahl der eröffneten Verfahren ist dabei um 42,5% auf ca. 3.000, die Zahl der mangels Vermögen abgewiesenen Verfahren gar um 95,5% auf 1.951 gestiegen. Besonders stark betroffen ist der Handel mit 862 Verfahren.

Die pandemiebedingten Zeiten eines geringen Insolvenzgeschehens sind vorbei. Trotz dieser „Normalisierung“ sieht Gerhard M. Weinhofer, Geschäftsführer des bevorrechteten Gläubigerschutzverbandes Österreichischer Verband Creditreform keinen Grund zur Panik: „Nach dem Auslaufen der Corona-Hilfsmaßnahmen war mit einer Rückkehr auf das Vorpandemieniveau zu rechnen. Nun sind viele Kleinst- und Kleinunternehmen insolvent geworden, die nur durch die staatlichen Hilfen über die Pandemie hinweggerettet wurden. Dass viele dieser Unternehmen schon zuvor Probleme hatten, zeigt die stark ansteigende Zahl an vermögenslosen Abweisungen. Gläubiger erleiden dadurch einen Totalausfall.“

Die Insolvenzursachen lägen im Kapitalmangel und damit konkret in Problemen bei der Rückzahlung der gestundeten Abgaben und Steuern sowie in der allgemeinen Wirtschaftslage. Lieferkettenprobleme, Fachkräftemangel und vor allem steigende Preise bei Materialien und Vorprodukte führen laut Creditreform zu sinkenden oder gar negativen Margen, da die Teuerung nicht immer an den Endverbraucher weitergegeben werden kann. „Zuerst die Lockdowns, dann der Ukraine-Krieg und die Inflation waren einfach für viele Unternehmen zu viel an Polykrisen“, fasst Weinhofer die aktuelle Lage zusammen.

Bundesländervergleich

In allen Bundesländern steigen die Firmeninsolvenzen im hohen zweistelligen Prozentbereich. Den stärksten Zuwachs verzeichneten Vorarlberg (+127,5%), Oberösterreich (+106,9%) und Tirol (+93,9%). Die höchste Insolvenzbetroffenheit herrschte in der Bundeshauptstadt mit 17 Insolvenzen pro 1.000 Unternehmen, die geringste in Vorarlberg mit weniger als 6 von 1.000 Unternehmen. Österreichweit mussten mehr als 10 von 1.000 Unternehmen einen Insolvenzantrag stellen.

Handel stark betroffen

Absolut betrachtet gab es die meisten Insolvenzen im Handel (862), gefolgt von Unternehmensbezogenen Dienstleistungen (841) und dem Bauwesen (805). Die größte relative Insolvenzbetroffenheit herrschte im Bau mit rund 23 von 1.000 Branchenunternehmen, während in der Industrie lediglich nicht ganz 8 von 1.000 Branchenunternehmen den Gang zum Insolvenzgericht antreten mussten.

Ein Zuwachs um 60% bei den Firmeninsolvenzen scheint auf den ersten Blick alarmierend, sei aber durch den Aufholeffekt nach historisch niedrigen Insolvenzzahlen zu Pandemiezeiten zu erklären. „Das österreichische Insolvenzgeschehen kehrt zur Normalität zurück. Und die heimische Wirtschaft schlägt sich (noch) recht gut. Niedrige Arbeitslosigkeit, nach wie vor gute Eigenkapitalquoten bei der Mehrzahl der Unternehmen, robuster Export, gutes Weihnachtsgeschäft im Handel und Konjunkturprognosen mit einer lediglich leichten Rezession knapp unter der Null-Linie für das 1. Halbjahr 2023″, so Creditreform.

Den heimischen Unternehmen rät Weinhofer dennoch zur Vorsicht:„ Steigende Energiekosten und Mieten sowie die hohen Kollektivvertragsabschlüsse gepaart mit einer erwarteten Rezession bilden ein gefährliches toxisches Umfeld. Daher kann leider für das noch junge Jahr 2023 keine Entwarnung bei den Insolvenzen gegeben werden.“ Weinhofer rechnet für 2023 mit rund 6.000 Firmeninsolvenzen.

Privatinsolvenzen

Creditreform hat auch die endgültigen Zahlen bei den Privatinsolvenzen für das Jahr 2022 in Österreich analysiert. Die Gesamtzahl der Privatinsolvenzen ist um 18,6% auf 9.079 Verfahren angestiegen und hat damit noch nicht das Vorpandemieniveau erreicht. Die Zahl der eröffneten Schuldenregulierungsverfahren ist dabei um 15,2% auf rund 8.300, die mangels Vermögen abgewiesenen Insolvenzen gar um 72,1% auf 771 Verfahren geklettert. „Der Trend bei den Privatinsolvenzen zeigt stark nach oben. Trotz guter Arbeitsmarktlage und staatlicher Hilfen führt die allgemeine Teuerungswelle zur Zahlungsunfähigkeit bei immer mehr Österreicherinnen und Österreichern. 2023 wird es zu einer weiteren Verschärfung kommen“, so Weinhofer.

Die Insolvenzursachen bei Privatpersonen lägen meist im Verlust des Arbeitsplatzes, in der gescheiterten Selbständigkeit sowie generell im sorglosen Umgang mit Geld begründet. Dazu gesellen sich oft weitere, die Insolvenz auslösende Faktoren im persönlichen Bereich wie Krankheit und Scheidung. Neu hinzu kommen die Auswirkungen von Inflation und steigender Zinsen nach dem Ende der Nullzinspolitik der EZB.

Ausblick

Die pandemiebedingten Zeiten sinkender Privatinsolvenzen sind laut Creditreform vorbei. Die Leute würden sich nun wieder verstärkt um ihre finanziellen Angelegenheiten und deren Bereinigung kümmern Die hohe Inflation zwinge viele zu Entscheidungen, welche Rechnungen vorrangig zu bezahlen sind bzw. was sich gerade noch zu zahlen ausgeht.  Weinhofer betrachtet daher mit großer Sorge die weitere Entwicklung: „Inflation und hohe Zinsen sowie die Auswirkungen der drohenden Rezession werden 2023 die Treiber für weiter steigende Privatinsolvenzen sein. Es müßten schon massive staatliche Eingriffe durch Ausgleichszahlungen und Preiskontrollen erfolgen, wollte man das Überschreiten der Schwelle von 10.000 Privatinsolvenzen gegen Ende des Jahres verhindern.“

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