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Freitag, 26. April 2024
WIFO & HV Konjunkturreport Einzelhandel

Einzelhandel: Stagnation für 2023 prognostiziert

Hintergrund | Stefanie Bruckbauer | 09.02.2023 | |  
Handelsverband und WIFO präsentieren den neuen „Konjunkturreport Einzelhandel", der darauf abzielt, einmal pro Quartal alle für den Einzelhandel wesentlichen Konjunkturinformationen zusammenzustellen und zu analysieren. Die Ergebnisse zeigen: Die Konsumstimmung steigt, die Stimmung der Händler dementsprechend auch. Die Sparquote geht zurück und der Personalmangel bleibt weiterhin eine zentrale Herausforderung.

Der Handelsverband sagt: „Der österreichische Handel ist mit seinen Bereichen Einzelhandel, Großhandel und Kfz-Handel sowie rund 600.000 Mitarbeiter der umsatzstärkste Wirtschaftssektor und der zweitgrößte Arbeitgeber des Landes. Wenngleich die Branche von der Politik in Deregulierungs-, Wettbewerbsfähigkeits- und Unterstützungsfragen leider oft übervorteilt wird, ist ihre Bedeutung für die österreichische Volkswirtschaft in puncto Wertschöpfung wie auch als Beschäftigungsmotor unbestritten. Der Handel finanziert mit Milliardenabgaben einen Löwenanteil der Infrastruktur-, Sozial- und Pensionsleistungen des Staates für die Bevölkerung.“

Eine laufende Konjunkturbeobachtung sei entscheidend, um den Handelsbetrieben sowie der Öffentlichkeit aktuelle Daten liefern zu können, die auch der Politik die Notwendigkeit einer umzusetzenden Handelsagenda mit Fakten belegen soll. Der neue „Konjunkturreport Einzelhandel“ vom Österreichischen Institut für Wirtschaftsforschung (WIFO) im Auftrag des Handelsverbandes ziele darauf ab, einmal pro Quartal exklusiv alle für den Einzelhandel wesentlichen Konjunkturinformationen zusammenzustellen und zu analysieren.

Die Ergebnisse des Konjunkturreports

Die Kernergebnisse des Konjunkturreports Einzelhandel präsentieren sich wie folgt:

  • Vor dem Hintergrund der internationalen wirtschaftlichen Abschwächung hat sich auch die heimische Konjunktur in der 2. Jahreshälfte 2022 eingetrübt.
  • Die Stimmung der Einzelhändler verbesserte sich seit Oktober 2022 das vierte Mal in Folge. Spiegelbildlich stieg auch der Indikator zum Konsumentenvertrauen seit Oktober an, wobei er sich dennoch auf historisch niedrigem Niveau befindet.
  • Insgesamt haben die heimischen Einzelhändler im Gesamtjahr 2022 einen Umsatz von rund 72,5 Mrd. Euro erwirtschaftet. Inflationsbereinigt entspricht das einem leichtes Minus von -0,8%.
  • Für 2023 erwarten 33% der heimischen Handelsbetriebe einen Umsatzzuwachs.
  • Die Sparquote der Bevölkerung ist 2022 auf 7,3% gefallen, 2023 dürfte sie sogar auf 6,4% sinken.
  • Der Personalmangel bleibt auch im Einzelhandel eine zentrale Herausforderung. Aktuell können 14.133 offene Stellen nicht zeitnah besetzt werden.

Einzelhandelsumsätze stagnieren

Die heimische Konjunktur kühlte (vor dem Hintergrund der internationalen wirtschaftlichen Eintrübung) wie eben erwähnt in der zweiten Jahreshälfte 2022 ab. Gemäß Schnellschätzung des WIFO sank die österreichische Wirtschaftsleistung im 4. Quartal gegenüber dem Vorquartal real um -0,7. „Damit ging die Wirtschaftsleistung nach drei Quartalen positiven Wachstums im Jahr 2022 erstmals wieder zurück, lag aber real um +2,7% über dem Vorjahreswert. Die hohen Verbraucherpreise belasteten den Konsum der privaten Haushalte und die Wertschöpfung im Handel“, sagt der Handelsverband.

Im Gesamtjahr 2022 haben die heimischen Einzelhändler einen Umsatz von rund 72,5 Milliarden Euro erwirtschaftet. Das entspricht laut Statistik Austria zwar einer nominellen Steigerung von +8,1%, inflationsbereinigt steht aber ein leichtes Minus von -0,8% zu Buche. „Der österreichische Lebensmitteleinzelhandel musste 2022 einen realen Umsatzrückgang von -3,2% verarbeiten. Der Non-Food-Handel konnte um +1,3% zulegen, wobei es hier große Unterschiede zwischen den Sektoren gibt. Für 2023 erwartet ein Drittel der heimischen Handelsbetriebe Umsatzzuwächse, 34% befürchten allerdings einen Rückgang der Erlöse“, sagt Handelsverband-Geschäftsführer Rainer Will.

Studienautor Jürgen Bierbaumer, Senior Economist des WIFO, ergänzt: „Die aktuellen Lagebeurteilungen der Einzelhandelsunternehmen haben sich zuletzt deutlich verbessert und liegen nun im positiven Bereich. Auch die unternehmerischen Erwartungen weisen trotz einer aktuellen Verschlechterung eine positive Tendenz auf.“

14.133 offene Stellen

Insgesamt waren Ende Jänner 2023 in Österreich 107.518 offene Stellen beim Arbeitsmarktservice (AMS) vorgemerkt. Damit befindet sich der Indikator weiterhin auf hohem Niveau, reduzierte sich jedoch mit -1,8% im Vorjahresvergleich zum ersten Mal seit Februar 2021. Auch im Einzelhandel ist der Bestand der offenen Stellen hoch, aktuell sind 14.133 offene Stellen vorgemerkt (+8% im Jahresvergleich).

Unternehmerische Unsicherheit bleibt hoch

Der saisonbereinigte WIFO-Konjunkturklimaindex für die heimische Gesamtwirtschaft fasst jeweils den Saldo der Anteile von positiven und negativen Antworten der aktuellen Lagebeurteilungen und der unternehmerischen Erwartungen zusammen. Die Ergebnisse zeigen nach dem Rückgang über den Sommer/Herbst 2022 seit November wieder einen leichten Zuwachs. Dieser ist v.a. auf die Verbesserung der Lagebeurteilungen zurückzuführen. Die unternehmerischen Erwartungen zeigen im Vergleich einen eher skeptischen Konjunkturausblick, wobei die positiven Antworten leicht überwiegen.

„Die unternehmerische Unsicherheit bleibt weiterhin hoch. Faktoren wie die hohen Preissteigerungen und Unwägbarkeiten der Erdgasversorgung haben die Einschätzungen der Unternehmen in den letzten Monaten geprägt. Im Vergleich zu den anderen Sektoren der heimischen Wirtschaft zeigen die Ergebnisse im Einzelhandel weiterhin eine stark unterdurchschnittliche Konjunkturdynamik“, so Bierbaumer.

Im direkten Vergleich mit Deutschland zeige sich seit Beginn der COVID-19-Pandemie ein ähnlicher Verlauf, wobei der heimische Vertrauensindikator für den Einzelhandel stärker auf Einzelereignisse reagiert habe. „Nach einer zuletzt positiven Tendenz verschlechterte sich die Einschätzung in Österreich im Jänner 2023 wieder leicht. Auch in Deutschland flachte die Entwicklung nach einem stärkeren Anstieg zu Jahresende zuletzt ab. Davor gingen die Einschätzungen des deutschen Einzelhandels seit Jahresbeginn nahezu ununterbrochen zurück. Auch hier dürften die allgemein konjunkturelle Verlangsamung zusammen mit dem steigenden Preisniveau das Vertrauen im Einzelhandel gedämpft haben“, berichtet Will.

WIFO-Prognose bis 2024

Der globale Konjunkturabschwung erfasste im 2. Halbjahr 2022 auch Österreich. Trotzdem ist das BIP im Jahr 2022 auf Grund der starken Dynamik im 1. Halbjahr 2022 insgesamt um real 4,7% gewachsen. Für das Jahr 2023 geht die WIFO-Prognose von einer Stagnation (real +0,3%) aus, 2024 wird ein Wachstum von +1,8% erwartet.

Handelsverband und WIFO sagen: „Die anhaltend hohe Preisdynamik sowie die Unsicherheit dämpfen weiter die Konsumnachfrage der privaten Haushalte sowie die Investitionsdynamik. Da sich auch wichtige internationale Handelspartner in einem konjunkturellen Abschwung befinden, entwickelt sich auch der Außenhandel ohne viel Dynamik.“ Vor diesem Hintergrund wird erwartet, dass das BIP auch im Q1 2023 zurückgehen wird. Im weiteren Jahresverlauf sei allerdings von einer Erholung auszugehen.

„Die Sparquote der Bevölkerung ist während der ersten beiden Pandemie-Jahre auf historisch hohe Werte gestiegen, 2022 allerdings auf 7,2% gesunken“, berichtet das WIFO, das heuer mit einem weiteren Rückgang auf 6,4% rechent. Erst für 2024 sei einen Anstieg der Sparquote auf 8,2% zu erwarten, weil auch die realen Einkommen um +3,8% und die realen Konsumausgaben um +1,7% steigen dürften.

Rainer Will meint abschließend: „2023 und 2024 erwarten das WIFO und der Handelsverband einen moderaten Zuwachs des realen Bruttoinlandsprodukts des Handels um rund 2,5%. Auch bei den privaten Konsumausgaben wird ein leichter Anstieg um 1,3% bzw. 1,7% prognostiziert. Natürlich hoffen wir, dass diese Prognose durch eine steigende Zuversicht in der Bevölkerung sowie eine Beruhigung der internationalen Märkte und des Finanzsektors übertroffen wird.“

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