Ganzheitlich betrachtet
Im Herbst des Vorjahres wurden die Ergebnisse einer Studie veröffentlicht, die bis dato deutlich weniger öffentliches Echo erhielt als ihr eigentlich zustünde – ging es doch um nichts Geringeres als den wissenschaftlichen Beleg für die mögliche Energieeinsparung (und damit auch entsprechende CO2-Reduktion) bei Gebäuden durch den Einsatz intelligenter Technologien. Den Auftrag zu dieser Erhebung gaben der Fachverband der Elektro- und Elektronikindustrie (FEEI), der Österreichische Verband für Elektrotechnik (OVE), die Bundesinnung der der Elektro-, Gebäude-, Alarm- und Kommunikationstechniker sowie das Bundesgremium des Elektro- und Einrichtungsfachhandels, die Durchführung übernahm das Austrian Institute of Technology (AIT).Bundesgremialobmann Robert Pfarrwaller zeigte sich von der Studie „CO2 Einsparungspotenziale im Gebäudebereich“ überrascht – allerdings nicht, was die Ergebnisse von mehr als 20 Prozent möglicher CO2-Einsparung durch intelligente Gebäudetechnik angeht, sondern vielmehr vom Umstand, dass solche detaillierten Studien bisher fehlten. Nicht zuletzt aufgrund des Förderwesens rund um Gebäudesanierung sowie in Hinblick auf die Ausformulierung des Energieefizienzgesetzes war es dafür also höchst an der Zeit. „Die thermische Sanierung von Gebäuden ist natürlich ein wesentlicher Faktor für die Reduktion des Energiebedarfs sowie des CO2-Ausstoßes und bildet damit die Basis für weitere Maßnahmen in Form einer gesamtheitlichen energetischen Sanierung. Wir dürfen uns bei unseren Überlegungen nicht nur auf das Äußere und die Hülle beschränken, sondern müssen auch in das Gebäude hineingehen”, bringt es Pfarrwaller auf den Punkt. Was auf diese Weise machbar wäre und wie konkrete Schritte aussehen könnten, förderte die AIT-Studie detailliert zutage.
Zur Ausgangslage
Aufgrund der vorgegebenen Klimaziele 2030 und die angestrebte Klimaneutralität Österreichs 2040 sind umfassende Transformationsschritte zur Verminderung des Einsatzes fossiler Energieträger notwendig. Dazu kommen die zuletzt stark gestiegenen Energiepreise sowie die anhaltend unsichere Situation am Energiemarkt, sodass auch die Erhöhung der Energieeffizienz immer mehr in den Fokus rückt.
Der österreichische Gebäudesektor zählt zu den energieintensivsten Sektoren und bietet noch erhebliche CO2-Einsparungspotenziale. Im Jahr 2020 hat dieser Sektor acht Millionen Tonnen CO2-Äquivalent verursacht. Über drei Viertel der Bestandsgebäude in Österreich wurden vor 1990 gebaut und gelten laut Statistik Austria zu 60% aus energetischer Sicht als sanierungsbedürftig. Bislang fanden die Einsparungspotenziale durch Gebäudeautomation – konkret intelligente Regeltechnik, intelligente Beleuchtung sowie ein verbessertes Haus- und Gebäudemana-gement – nur wenig Beachtung.
Die AIT-Studie hat die möglichen Einsparungen in den Bereichen Raumheizung, Trinkwassererwärmung sowie Beleuchtung bei Einfamilienhäusern und im mehrgeschossigen Wohnbau analysiert – basierend auf jährlichen Sanierungsraten des österreichischen Gebäudebestands von 0,8%, 3% bzw. 5% (Berechnung laut ÖNORM EN ISO 52120), wobei das 3%-Szenario der Zielsetzung im Rahmen der #Mission 2030 entspricht.
Gebäudeautomation als doppelte Chance
Die der Studie zugrunde gelegte Norm kategorisiert Gebäude in Gebäudeautomations-Effizienzklassen von D (nicht automatisiert) bis A (hoher Automatisierungsgrad). Bei Einfamilienhäusern gibt die Norm bei einer Sanierung eines Klasse D-Gebäudes zu Klasse A im Bereich Raumwärme eine Effizienzsteigerung von 28% an, in den Sektoren Trinkwassererwärmung und Beleuchtung je 31%. In der Studie erfolgte die Analyse mit einer realistischen Verteilung hinsichtlich des Automatisierungsgrades, insbesondere auch was die unterschiedlichen Möglichkeiten der Automatisierung bei mehrgeschossigen Wohnbauten gegenüber Einfamilienhäusern betrifft.
Am größten sind die Einsparungsmöglichkeiten im Bereich Heizung: Kommt hier eine effiziente Reglung in Zusammenwirken mit einer ganzheitlichen Gebäudeautomation zum Einsatz, so ergibt das bei einer Sanierungsrate von fünf Prozent ein Einsparungspotenzial von bis zu 85.000 Tonnen CO2.
Durch die Berücksichtigung energetischer Sanierungsmaßnahmen wird nicht nur der thermische Endenergiebedarf eines Gebäudes verringert, sondern es kann gleichzeitig auch der elektrische Bedarf gesenkt werden sowie die Implementierung netzdienlicher Services zur Verbrauchsflexibilisierung erfolgen. Ein wesentlicher Vorteil – für politische Entscheider wie Investoren – besteht nicht zuletzt darin, dass der Einsatz intelligenter Gebäudetechnik die Steuerung, Optimierung und energieeffiziente Ausrichtung während des Betriebs erlaubt.
Handlungsbedarf auf allen Seiten
Für diese diese „richtigen Signale“ werden in der Studie eine Reihe von Handlungsempfehlungen an die politischen Entscheidungsträger formuliert, die wiederum in strategische, technische, ökonomische und organisatorische Maßnahmen gegliedert sind.
- Strategische Maßnahmen: Da derzeit bei den Förderungen nur rein thermische Aspekte der Sanierung berücksichtigt werden, muss das Fördersystem in Richtung ganzheitlicher energetischer Sanierungen adaptiert werden – unter Berücksichtigung verschiedener Technologien nach dem aktuellen Stand der Technik. Außerdem braucht es die Verankerung von Kennwerten zur Steigerung der Systemeffizienz in relevanten österreichischen Richtlinien, Verordnungen und Baunormen. Gefordert wird weiters eine Roadmap, die alle relevanten Stakeholder und entsprechende Technologien mit einbindet, sowie die bevorzugt ganzheitliche energetische Sanierung von öffentlichen Gebäuden, die so eine Vorbildfunktion einnehmen sowie als Referenzprojekte dienen sollten.
- Ökonomische Maßnahmen: Inves-titionssicherheit und finanzielle Anreize für eine höhere Sanierungsrate sind hier ebenso notwendig wie die gezielte Förderung umfassender energetischer Sanierungen basierend auf ihrer CO2-Einsparung – bei gleichzeitigem Aus für kontraproduktive Förderungen.
- Technische Maßnahmen: Einsatz von Energiemonitoringsystemen forcieren; Überprüfungsmechanismen inkl. Bewertungssysteme wie z.B. den SRI (Smart Readiness Indicator) einführen; energetische Paramater in den OIB Richtlinien (v.a. OIB-RL 6) verankern; durch Gebäudeautomation Lastenverschiebungspotenziale nutzen und dadurch Sektorkopplung ermöglichen.
- Organisatorische Maßnahmen: Kurzfristige Einberufung eines Stakeholderdialogs unter Einbeziehung der Technologieanbieter entlang der Wertschöpfungskette.
Nächste Schritte
Um das Gebäude bzw. dessen holistische Betrachtung mehr ins Zentrum der energiepolitischen Überlegungen zu rücken, wurde vom Bundesgremium gemeinsam mit der Bundesinnung der Elektrotechniker eine Initiative zur Gründung des Vereins Smart Building ergriffen. „Das Konzept ist fertig, Handel und Gewerbe sind sich einig – jetzt holen wir sukzessive die Industriepartner und weitere Stakeholder an Bord”, beschreibt Pfarrwaller. Das solle in der ersten Jahreshälfte gelingen, denn: „Die EU hat über die European Building Directive festgelegt, dass im Jahr 2050 der Gebäudesektor komplett CO2-neutral sein muss. Daher wird es Zeit, dass wir etwas tun.”
Anknüpfend an die AIT-Analyse aus dem Herbst befindet sich außerdem gerade eine Nachfolgestudie in Ausarbeitung, die den volkswirtschaftlichen Nutzen des Einsparpotenzials bei Energie und CO2 detailliert aufschlüsselt. Die Ergebnisse sollen Ende Q1/Anfang Q2 2023 vorliegen. Da sich damit der Return on Investment (ROI) konkret beziffern lässt, sollten spätestens dann entsprechende Handlungsschritte nicht mehr lange auf sich warten lassen, gibt sich Pfarrwaller zuversichtlich.
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