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Donnerstag, 28. März 2024
Annahmen des Stromstresstests bestätigt

APG-Faktencheck: Zwischenbilanz Strom-Winter 2022/23

Energiezukunft | Wolfgang Schalko | 16.03.2023 | |  Wissen
APG-Vorstand Gerhard Christiner mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler bei der Präsentation des Strom-Stresstests. APG-Vorstand Gerhard Christiner mit Klimaschutzministerin Leonore Gewessler bei der Präsentation des Strom-Stresstests. (© Burger/APG) Die Annahmen des Stromstresstests vom November 2022 (kombiniertes Szenario – hohe Eintrittswahrscheinlichkeit) haben sich bestätigt: Die erhöhte Kraftwerkskapazität in Deutschland sowie die – entgegen der ursprünglichen Annahmen – gute Kohlebevorratung in Verbindung mit milden Temperaturen, die den Stromverbrauch im Winter dämpften, waren ausschlaggebend für die sichere Stromversorgung.

„Es ist erfreulich, dass sich bestimmte kritische Bedingungen nicht erfüllt haben. Grund dafür war, dass Deutschland den Betrieb von drei Atomkraftwerke weiterführte und befürchtete Kohleengpässe ausblieben. Zudem sorgten warme Temperaturen in Österreich und Europa der ersten Wintermonate 2022/23 für einen zeitweise deutlichen Verbrauchsrückgang“, fasst Gerhard Christiner, technischer Vorstand APG, zusammen.

Der Winter zeigte jedoch erneut auf, welche Bedeutung das heimische Übertragungsnetz für die Elektrifizierung von Wirtschaft, Industrie und Gesellschaft hat. Obwohl sich viele Faktoren positiv auf den Stromverbrauch auswirkten, musste Österreich im Winter hohe Mengen an Strom importieren. Thomas Karall, kaufmännischer Vorstand APG: „Mit 100,5 GWh erreichten wir am 21. Dezember 2022 ein historisches Tageshoch beim Stromimport und am Tag danach verzeichneten wir einen weiteren Höchstwert: Um Mitternacht wurde die historisch höchste 15 Minuten Importleistung von 5.551,6 MW erreicht. Das ist in etwa die Hälfte der österreichischen Spitzenlast.

Tage wie diese zeigen, wie wichtig kapazitätsstarke Stromnetze sind, betont Karall: „Ohne einem zeigerechten Ausbau der Stromnetze wird es keine Energiewende geben.“ Durch die Erzeugung nachhaltigen Stroms muss wesentlich mehr Strom in Europa ausgetauscht werden, weil erneuerbare Anlagen dann Energie liefern, wenn die Sonne scheint oder der Wind weht, sich jedoch nicht nach unserem Verbrauch richten. „Die Nutzung der europäischen Durchmischungseffekte durch das Übertragungsnetz ist das Gebot der Stunde“, ergänztt Christiner.

Netzreserve bleibt Feuerwehr in kritischen Situationen

Da das überregionale Stromnetz regelmäßig an die Grenze der Belastbarkeit stößt, sind Redispatchmaßnahmen – also Feuerwehreinsätze im Stromnetz – nahezu täglich notwendig, um das Netz zu stabilisieren. Dabei müssen in Regionen mit geringer erneuerbarer Erzeugung Gaskraftwerke angefahren und gleichzeitig in Regionen mit Erzeugungsüberschüssen, Kraftwerke (zum Teil auch Erneuerbare) heruntergefahren werden. „Solange das Netz nicht massiv ausgebaut wird, werden wir weiterhin auf Gaskraftwerke angewiesen sein und die Erneuerbaren nicht zur Gänze nutzen können. Das zeigt, warum es so wichtig ist, dass der Stromnetzausbau den gleichen Stellenwert bekommt wie der Ausbau der Erneuerbaren“, so Christiner abschließend.

Rückblick auf 2022: Eingriffe in das Stromnetz an 237 Tagen notwendig, tageweise 100% Bedarfsdeckung aus Erneuerbaren

Erneuerbare Energien konnten 2022 an manchen Tagen den gesamten Strombedarf Österreichs decken – die Regel ist dies jedoch (noch) nicht.

Im Mai und Juni 2022 konnte die Stromerzeugung durch nachhaltige Energiequellen dank des wärmeren Wetters gegenüber den Vormonaten wieder zulegen. Rund 87% im Mai und 95% im Juni betrug die Bedarfsdeckung Österreichs mit Erneuerbaren. Dies führte dazu, dass in den Kalenderwochen 20, 23 und 24 sogar 100% des Stromverbrauches (bilanziell) mit Stromerzeugung durch Erneuerbare aus Österreich gedeckt werden konnte.

Negativ wirkten sich jedoch die sommerlichen Extremwetterereignisse auf Strombilanz aus. Der Juli 2022 war um 1,1°C wärmer als im Durchschnitt und es fiel viel weniger Niederschlag, damit sank auch die Produktion aus Wasserkraft. Im Juli konnten nur 77% des Stromverbrauchs in Österreich mit Erneuerbaren gedeckt werden (2021: 96%). Die Folge war, dass Österreich bereits im August zu einem Strom-Importland wurde: trotz guter Windproduktion von +21% gegenüber dem Vorjahr konnte die schlechte Performance von -38% Strom aus Wasserkraft nicht kompensiert werden und führte zu einem Monatsimportsaldo von 1.165 GWh.

Mit dem Zuwachs und der vermehrten Integration von erneuerbaren Energiequellen sowie der zunehmenden Elektrifizierung steigen die Anforderungen an das Stromnetz stetig – denen die aktuellen Netzkapazitäten nicht gerecht werden. Im vergangenen Jahr musste an 237 Tagen Redispatch-Maßnahmen (gezielte Eingriffe in die Stromerzeugung) ergriffen werden, damit Engpässe im Stromnetz vermieden werden und die sichere Stromversorgung des Landes gewährleistet bleibt. Dabei wird hohen Leitungsbelastungen durch gezielte Eingriffe und den Einsatz von thermischen und hydraulischen Kraftwerken entgegengesteuert.

„Alleine im Februar waren derartige Eingriffe an 27 Tagen (!) notwendig. Das verursacht Kosten, die letztendlich der Stromkunde bezahlen muss. Zu Jahresende lagen die durch Redispatch-Maßnahmen ausgelösten Kosten des Jahres für den österreichischen Stromkunden bei rund 94 Millionen Euro. Ein leistungsstarkes Stromnetz mit ausreichenden Kapazitäten würde den Eingriff in den Kraftwerksbetrieb erheblich verringern und die Kosten reduzieren. Der unmittelbare Ausbau der Netzinfrastruktur hat daher oberste Priorität“, betont Karall.

Die aus dem Ausland angefragten Redispatch-Maßnahmen brachten Zusatzkosten von 718 Millionen Euro (die allerdings „nur“ ausländische Stromverbraucher belasten).

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