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Donnerstag, 25. April 2024
Auseinandersetzung mit dem Ich

Denken versus wirken

Über den Rand | Stefanie Bruckbauer | 23.04.2023 | Bilder | | 1  Meinung
Nach einem richtig besch...eidenen Tag, widmete ich mich dem „positiven Denken“, stellte nach einem Ausflug in die esoterische Ecke jedoch fest, dass positives Denken viel zu anstrengend ist und konzentrierte mich stattdessen auf das positive Wirken – das geht nämlich viel einfacher.

Letztens hatte ich einen richtig miesen Tag. Zu viele Termine und Erledigungen standen auf der To-Do-Liste, was mich ohnehin schon stresste, und dann kamen noch die Begegnungen mit auffällig vielen, hmmmm, wie soll ich sagen … unangenehmen Zeitgenossen hinzu. Der erste schnappte mir den Parkplatz vor der Nase weg. Obwohl ich die Lücke für alle sichtbar schon anvisierte, schoss er mit seinem aufgemotzten VW (mit fragwürdigem Airbrushkunstwerk auf der Motorhaube) an mir vorbei, parkte sich ein und anstatt auf meinen, hinter der Windschutzscheibe gut erkennbaren (und außerhalb des Autos wahrscheinlich auch gut hörbaren) Wutanfall mit einer entschuldigenden Geste zu reagieren, zeigte er mir den Stinkefinger und grinste. Der nächste ließ beim Verlassen eines Geschäftes die Türe vor meiner Nase zuknallen, obwohl ich vollbepackt und ohne eine Hand frei zu haben (ich dachte, wie so oft, dass ich kein Wagerl brauche) genau hinter ihm ging (und das wusste er! Das weiß ich!). Kurz danach führte mich ein älterer Herr mit seinem Tesla fast nieder, als ich mit meinem Einkauf in Händen den Parkplatz des Mini-Einkaufszentrums überquerte (über einen markierten Fußgängerweg wohlgemerkt). Auch hier: Nachdem der Herr eine Vollbremsung hingelegt hat, kam keine Entschuldigung, sondern eine hektische Geste, ähnlich der von Kameltreibern, wenn sie ihre Herde aufscheuchen (gerade, dass er nicht „Yallah, Yallah“ aus dem Fenster brüllte). Danach stand ich mehr als 5 Minuten an der Ausfahrt des Parkplatzes, weil nämlich kein einziger, der draußen Vorbeifahrenden auf die Idee kam, mich rausfahren zu lassen. Dann schnitt mich noch so ein Rowdy an der Ampel, „mein“ Parkplatz vor meinem Zuhause war von einem Fremden belegt und als Kirsche auf dem Schlagobershauberl, entglitt mir beim Aussteigen aus dem Auto auch noch ein unterm Ellbogen eingeklemmter Becher Sauerrahm und ergoß sich auf dem Gehsteig vor dem Haus. Ein Traumtagerl! 

Er schoss mit seinem aufgemotzten VW (mit fragwürdigem Airbrushkunstwerk auf der Motorhaube) an mir vorbei, parkte sich ein und anstatt sich zu entschuldigen, zeigte er mir den Stinkefinger und grinste.

 

Positiv denken!“ sagt mein inneres Ich normalerweise in solchen Momenten. Doch wie funktioniert positives Denken? Viele Menschen rollen bei diesem Thema ja erst einmal mit den Augen. Der Grund ist eine falsche Vorstellung davon, was damit eigentlich gemeint ist. Positives Denken bedeutet nicht, alles Negative einfach auszublenden. (Wussten Sie: Um eine Verbesserung der eigenen Stimmungslage zu erreichen, müssten ca. drei bis fünf Mal so viele positive Eindrücke auf uns wirken, wie negative.) Und positives Denken bedeutet schon gar nicht, mit der rosaroten Brille aufgesetzt, entrückt und fern jeglicher Realitätswahrnehmung, durch die Welt zu tänzeln.

Ein Blick ins allwissende Netz zeigte mir: Viele setzen „positives Denken“ in Verbindung mit Begriffen wie Bewusstheit, Selbstreflexionsfähigkeit, Selbstwahrnehmung, etc. und fassen all das unter dem Begriff „Achtsamkeit“ zusammen. Ziel von Achtsamkeit ist, seine Fähigkeiten zu verbessern, sich auf den Augenblick zu konzentrieren, auf das „Hier und Jetzt“, mit allen Sinnen in der Gegenwart zu sein. „Dadurch stärken wir die Verbindung zu unserer Innenwelt und bekommen wieder Zugang zu unseren Gefühlen und Bedürfnissen, aber auch zu unserer Intuition, dem Bauchgefühl“, heißt es vielerorts im Netz. Wunderbare Nebeneffekte dieser Technik sollen eine innere Ruhe und Gelassenheit sein und die Fähigkeit, schöne Momente ganz und gar auszukosten. „Menschen, die Achtsamkeit regelmäßig üben, fühlen sich selbstbewusster und emotional ausgeglichener, weniger ängstlich, weniger gestresst. Ihre Konzentrationsfähigkeit ist besser, und auch ihr Immunsystem“ – auch so steht es im Netz geschrieben, mit Berufung auf zahlreiche Studien. Toll!

Zu kurz gedacht?

Es gibt allerdings Menschen, die obiges als zu kurz gedacht erachten. Die Kritik lautet, dass es hierbei zu sehr um Denken und Haltung geht und, dass all das zu passiv sei. Der Mensch sei in seinem Wesen hingegen viel mehr auf Gestaltung ausgerichtet. Soll heißen: „Durch das aktive Wirken in der Umwelt treten wir mit dieser in den Austausch und erhalten Rückmeldung. Dabei bemerkt man sehr schnell und leicht, ob man einen positiven Effekt auf seine Umwelt hat.“ Diesem Grundgedanken folgt die Idee der „Selbstwirksamkeit“.

Unter „Selbstwirksamkeit“ versteht man u.a. die Überzeugung, Situationen selbst beeinflussen bzw. durch eigene Aktionen in unserer Umwelt positive Veränderungen gestalten zu können. Selbst winzige Gesten können positive Veränderungen bewirken und diese wirken dann auch auf uns selbst. Soll heißen: Alle Beteiligten sind glücklicher nach dem wir beispielsweise jemandem ein nettes Kompliment gemacht oder die Tür aufgehalten haben; wenn wir jemandem aus einer Notlage geholfen haben; wenn wir jemandem unseren Dank und ein Lächeln geschenkt haben oder einen freien Parkplatz.

Statt sich also einfach nur dem positiven Denken hinzugeben, könnte jeder durch kleine Gesten und Aktionen aktiv an einer positiven Haltung arbeiten. So könnte man durch die bewusste Entscheidung „positiv wirken“ zu wollen, die eigene Stimmung viel direkter, schneller und einfacher verbessern.

Die Kraft des Danke

Eine besondere Rolle kommt dabei dem „Danke“ zu. Wenn man selbstwirksam an der eigenen Stimmung arbeitet und nebenbei die Welt auch für Mitmenschen ein bisschen besser macht, dann bedanken sich diese normalerweise und das führt zu einer weiteren positiven Feedbackschleife. „Danke“ – mit diesem kurzen Satz spürt der andere, dass er einen positiven Einfluss auf mein Leben hatte. Er wird voraussichtlich lächeln und dieses Lächeln wirkt wieder positiv auf mich selbst. Danke sagen versetzt also alle Beteiligten in eine positive Stimmung.

Jeden Tag gibt es Situationen, in denen wir durch ein aktives „Dankeschön“ den Tag vieler Menschen, denen wir begegnen, verbessern können: Dem Verkäufer, der mich gut beraten hat, der Kassiererin, dem Busfahrer, der Reinigungskraft, dem Postler u.v.m. All diese Personen leisten jeden Tag ihren Beitrag, dass wir unseren Alltag wie gewohnt bestreiten können. Indem wir das wertschätzen, können wir den Tag dieser Menschen ein bisschen schöner machen, wir können ihnen etwas Gutes tun – und auch uns selbst.

Fazit

Positives Denken ist eine gute Waffe gegen den hektischen Alltag und gegen all das Böse in der Welt, in der wir leben. Positives Denken findet meist aber nur im Stillen in uns selbst statt. Zudem müssen viele von uns das positive Denken erst lernen. Anders ist das beim positiven Wirken. Dafür sind keinerlei Vorkenntnisse oder -bedingungen nötig und es profitieren alle Beteiligten. Jeder Mensch kann durch den aktiven und netten Umgang mit den Mitmenschen auch sein eigenes Leben positiver gestalten. Das Schöne ist, dass sich die positive Wirkung sofort einstellt.

Ich finde, das ist ein schöner Ansatz, der die – für meinen Geschmack aktuell ein wenig zu aggressive – Welt da draußen, ein Stück weit schöner machen könnte, und in diesem Sinne sage ich auch Ihnen „Danke“. Danke, dass Sie unsere Leser sind und Danke, dass Sie selbst so schrägen Kommentaren, wie diesem hier, folgen 🙂

Epilog

Wenn Sie sich im Internet ein bissal umschauen, dann werden Sie auf unheimlich viele „Ratgeber“ stoßen – darunter sehr wenige gute, einige fragwürdige und verdammt viele schlechte. Einen solchen habe ich im Zuge des Recherchierens zum Thema „positives Denken“ gefunden. Es handelt sich um einen Leitfaden, der dabei helfen soll, mit Stil auf unfreundliche, aggressive Menschen (wie zB. eingangs erwähnte) zu reagieren. Unfreundliche Menschen also einfach an sich abprallen lassen zu können und gelassen sowie souverän zu reagieren.

Und so soll’s funktionieren:

Die „Deine schlechte Laune bleibt bei dir“-Technik

Der erste Schritt, um auf unfreundliche Menschen souverän und gelassen zu reagieren, ist sich klarmachen, dass diese Unfreundlichkeit nichts mit einem selbst zu tun hat. Vielleicht hatte das Gegenüber am Morgen schon einen Beziehungsstreit oder Druck im Job. Vielleicht ist er total überfordert mit seinem Leben. Sagen Sie zu sich selbst: ‚Du hast schlechte Laune – sie bleibt bei dir.‘ So können Sie deutlich gelassener reagieren und fassen die Unfreundlichkeit nicht als Angriff auf sich auf.“

Die „Hyper-höflich“-Technik

Den anderen anlächeln, ihn womöglich siezen (auch wenn er einen vorher geduzt hat) und ohne jegliche Aggression antworten – das kann unglaublich entwaffnend sein. Denn je höflicher man selbst ist, desto offensichtlicher ist es, wie unfreundlich der andere ist.“

Also ich glaube ja, dass dieses Vorgehen die Allermeisten nur noch rasender machen würde. Mich persönlich würde es auf jeden Fall noch mehr zur Weißglut bringen.

Die „In Teilen recht geben“-Technik

Wenn Sie jemand anblafft, dann sagen Sie einfach: ‚Sie haben recht.‘ Ihr Gegenüber hat vermutlich mit einer anderen Antwort gerechnet und ist verwirrt. Natürlich müssen Sie ihm nicht in allen Punkten recht geben. Suchen Sie nach einem Aspekt, dem Sie zustimmen können. Ihr Gegenüber wird voraussichtlich einen Gang zurückschalten. Denn es hat gemerkt, dass Sie ihm zuhören und nicht auf Streit aus sind.“

Mein persönlicher Tipp ist: Wenn Sie jemand anblafft, dann sagen Sie einfach: „Hört, hört!“ oder „Ist das wirklich so?“ Auf diese Weise müssen Sie gar nicht erst nach irgendeinem Aspekt suchen, dem Sie zustimmen, es ist in dieser Situation zudem genau sinnbefreit wie „Sie haben recht“, und außerdem gehe ich jede Wette ein: Auch DAMIT hat Ihr Gegenüber nicht gerechnet. Und auch dann ist er mit Sicherheit verwirrt.

Die „Sagen, was los ist“ -Technik

Ich merke, du bist sehr wütend. Was genau versetzt dich denn so in Rage?‘ Versuchen Sie diesen Satz so ruhig und zugewandt wie möglich über die Lippen zu kriegen. Denn: Wenn Sie das Offensichtliche benennen, dann verändert das die Situation. Der andere fühlt sich gesehen und muss nun gut begründen, warum er so lospoltert.

Ich musste erst Mal lachen, als ich das gelesen habe. Dann habe ich beschlossen, diesen Tipp in die Tat umzusetzen, wenn das nächste Mal so ein Häferl vor mir steht. Ich werde dem 2 Meter-Typen, der mit hochrotem Kopf und Schaum vorm Mund vor mir steht, also so ruhig und zugewandt wie möglich entgegnen: „Ich merke, du bist sehr wütend. Was genau versetzt dich denn so in Rage?“ 🙂

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