Besuchen Sie uns auf LinkedIn
Dienstag, 23. April 2024
Hintergrund-Kommentar E&W 5/2023

Mission creep

Hintergrund | Dominik Schebach | 07.05.2023 | Bilder | |  Meinung
Mission creep bezeichnet im englischen Sprachraum die Tendenz in Organisationen, zur Rechtfertigung ihrer Existenz, ihren Aufgabenbereich beständig auszudehnen. Dieser Effekt wird oft durch den ursprünglichen Erfolg ausgelöst. Wenn der erste Rückschlag eintritt, wird – gerechtfertigt durch die zuvor erzielten positiven Ergebnisse – dasselbe Rezept einfach auf einen immer größeren Wirkungsbereich ausgedehnt. Schließlich habe die Maßnahme bisher gewirkt und das nunmehrige Versagen wird mit zu zaghaftem Handeln oder zu geringem Ehrgeiz wegerklärt. Ein Hinterfragen des eigenen Ansatzes findet dagegen nicht statt. Wozu auch?

Wer jetzt an die hiesigen Verwertungsgesellschaften denkt, liegt nicht falsch. Nachdem die Interessensvertreter der Künstler und die Verwertungsgesellschaften in der Vergangenheit die sehr vorteilhafte Regelung der Leerkassettenvergütung ins digitale Zeitalter herübergerettet haben, zeigen sich nun die Grenzen des Modells. Sinkende Einnahmen aus der Speichermedienvergütung für Smartphones, Laptops, Speichermedien oder Smart Watches veranlassen die Verwertungsgesellschaften wie Literar Mechana, AKM oder austro mechana, sich nach neuen Einnahmequellen umzusehen. Fürs erste haben sie sich auf den Auto- und den Spielzeughandel eingeschossen. Aber auch im bisher schon betroffenen EFH droht bei noch nicht erfassten Geräteklassen wie Kühlschränken Ungemach.

Konsequent zu Ende gedacht, bedroht dieser Mission creep jedes Produkt mit einem verbauten Speicherchip, selbst wenn dieser Speicher nicht für Privatkopien gedacht ist – was die ursprüngliche Rechtfertigung für die Urheberrechtsabgabe war. Da sie vom Gesetzgeber dabei mit einer sehr starken Position ausgestattet wurden, besteht seitens der Verwertungsgesellschaften offensichtlich auch keine Motivation, ihr Handeln zu hinterfragen. Wozu auch?

Dass damit ein starres System alimentiert wird, welches den Bedürfnissen der Künstler und des Handels nicht mehr gerecht wird, wird ausgeblendet. Schließlich müssen die Verwertungsgesellschaften die Tarife für die einzelnen Kategorien von Geräten mehr oder weniger nur per Dekret festsetzen. Die Kosten für die Einhebung trägt dagegen der Handel. Dass die Administration für die Branche aufwändig und für die Mitarbeiter äußerst frustrierend ist, wird generell in Abrede gestellt. Und da reden wir noch gar nicht von den Kontrollen, welche die Verwertungsgesellschaften vor Ort durchführen und damit das Tagesgeschäft einzelner Händler zur Unzeit ausbremsen.

Gleichzeitig erweckt dieses Festhalten an einem überkommenen System den Eindruck, dass die Verwertungsgesellschaften damit eigentlich nur ihre Existenz rechtfertigen wollen. Schließlich werden durch die bisherige Form der gerätegebundenen Speichermedienvergütung Strukturen erhalten, welche z.B. bei einer Umstellung des Systems auf eine Abgeltung des Rechts auf Privatkopien, nicht mehr notwendig sind. Und nein, eine Neuaufstellung der Speichermedienvergütung, wie sie vom Bundesgremium derzeit angestrebt wird, degradiert die Künstler auch nicht zu Almosenempfängern. Vielmehr würde damit die Finanzierung auf eine langfristig solide Basis gestellt, ohne dass sich die Verwertungsgesellschaften ständig nach neuen Einnahmequellen umsehen müssen.

Bilder
Diesen Beitrag teilen

Kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.

This site is protected by reCAPTCHA and the Google Privacy Policy and Terms of Service apply.

An einen Freund senden