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Donnerstag, 28. März 2024
Die PV Austria-Geschäftsführerin zur aktuellen Lage der Photovoltaik

Vera Immitzer: „Haben die Low-hanging Fruits geerntet”

Photovoltaik | Wolfgang Schalko | 17.05.2023 | | 3  Menschen, Wissen
Als Geschäftsführerein des Bundesverbands Photovoltaic Austria (PVA) vertritt Vera Immitzer nicht nur die Interessen der heimischen PV-Branche, sondern trägt angesichts des rasanten PV-Ausbaus auch eine zunehmend große Verantwortung. Im Gespräch mit E&W beleuchtet sie die aktuelle Entwicklung der PV in Österreich, mit welchen „Baustellen” die Branche zu kämpfen hat und wie bzw. wo sich der Verband einbringt.

E&W: Das EAG war quasi die Initialzündung für den nachhaltigen Aufschwung der Photovoltaik, die Energiekrise infolge des Ukraine-Krieges der Ausbau-Turbo. Wie lässt sich die Zeit seit dem Inkrafttreten zusammenfassen?

Vera Immitzer: Auf das EAG haben wir extrem lange – seit 2017 – gewartet. Da war zwischendurch Ibiza, eine Notregierung und eine Neuwahl. Jetzt sind wir froh, dass wir das EAG haben, weil es ein wirklich komplett neues Fördersystem mit sich bringt und unglaubliche Fördermittel ermöglicht – und damit entsprechenden Erneuerbaren-Ausbau. Für die Branche und die Kunden war das natürlich eine Umstellung, wobei man doch merkt, dass das EAG zu einer Zeit verfasst wurde, die noch nicht so turbulent war wie die heutige – das EAG ist ziemlich genau ein Jahr alt und mittlerweile vier Mal überarbeitet worden. Beispielsweise wurden die Errichtungsfristen verlängert, weil die ursprünglich vorgesehenen sechs Monate bis zur Anlagenerrichtung aufgrund des Komponenten- und Arbeitskräftemangels nicht haltbar waren. Zudem durfte man in der Vergangenheit die PV-Anlage nicht errichten, bevor der Förderantrag gestellt war – was insofern problematisch war, weil sich alles zu den Antragsterminen zusammengestaut hat. Auch das wurde für die privaten Errichter geändert. D.h. das Umweltministerium ist wirklich dahinter, dass die Förderung mit möglichst wenig bürokratischem Aufwand abläuft, und jetzt ist Ministerin Gewessler sogar dran, die Mehrwertsteuer auf PV-Anlagen zu streichen (Anm.: Anstelle einer Förderung, nicht zusätzlich).

Das ließe sich ganz einfach so lösen, dass auf der Rechnung zwar der Gesamtbetrag ausgewiesen ist, aber sich der Anlagenerrichter die Mehrwertsteuer über den Lohnsteuerausgleich wieder zurückholen kann – so wird‘s ja auch bei der Raus-aus-Öl-Förderung gemacht sowie seit einem halben Jahr in Deutschland bei PV-Anlagen bis 30 kW. Wir sind da bemüht, gemeinsam mit der Bundesinnung der Elektrotechniker Gespräche zu führen und Überzeugungsarbeit zu leisten – denn Finanzminister Magnus Brunner, der ja selbst einmal Vorstand der Förderstelle OeMAG war und daher genau weiß, welchen Aufwand das bedeutet, ist noch nicht mit im Boot.

Parallel zum Boom der Photovoltaik gewinnt auch der PVA an Bedeutung. Welches Selbstverständnis hat der Verband heute?

Wir können mittlerweile wirklich auf Augenhöhe mit anderen Stakeholdern reden. Wir sind kein Nischenplayer mehr, sondern ein großer Verein mit bereits mehr als 400 Mitgliedern. Das ist auch insofern erfreulich, als wir damit eine enorme Wirtschaftsleistung und zahlreiche Arbeitsplätze repräsentieren. Wir haben uns außerdem ein sehr gutes Know-how innerhalb des Verbandes aufgebaut und unser Vorstand ist so besetzt, dass er alle Sparten der PV-Branche abdeckt. Von daher sind wir jetzt ein anerkannter Mitspieler in der Energiewende.

Mit der wachsenden Mitgliederzahl mehren sich auch die Interessen, die es unter einem Dach zu vereinen gilt. Erschwert das die Arbeit des PVA? Bzw. gibt es Branchenplayer, die man noch an Bord holen will?

Trotz des aktuellen Höhenflugs der Photovoltaik ortet PVA-GF Vera Immitzer noch jede Menge Herausforderungen – allen voran beim Ausbau der Netze.

Ja, wir vereinen sehr viele Interessen im Verband. Es sind ganz kleine Unternehmen dabei, es sind große Unternehmen mit hunderten Mitarbeitern dabei, wir haben Errichter von kleinen Anlagen bis hin zu Betreibern von Solarparks, daneben die Vertreter der Stromspeicher, Energieversorger, Finanzierungsdienstleister, etc. – aber da kommen wir nicht umhin, denn die Photovoltaik ist einfach so vielfältig. Das macht‘s herausfordernd, aber auch spannend und abwechslungsreich. Ein Gegeneinander sehe ich dennoch nicht, denn es gibt genug Platz für jeden und wir müssen noch extrem viele PV-Anlagen installieren, weshalb wir sämtliche verfügbare Kapazität brauchen. Und ich lasse da auch keinen Keil in die Branche treiben.

Wo wir vielleicht noch Bedarf an Mitgliedern hätten, ist der Themenkomplex Energiegemeinschaften – die gruppieren sich gerade bei der Koordinierungsstelle, die zwar kein Verein ist, aber die Registrierung als Dienstleister ermöglicht. Dazu vielleicht ein nicht unwesentlicher Aspekt: Gerade weil die PV-Branche so vielfältig ist, benötigen wir auch die unterschiedlichsten Qualifikationen in der Branche – vom Fassadenbauer und dem Softwareentwickler über den Gärtner, wenn es um die Kombination von Begrünung und PV geht, bis hin zu Menschen, die Reinigung und Wartung übernehmen oder das Monitoring. Wir brauchen somit enorm viele Unternehmen und Wirtschaftszweige in der PV-Branche.

Mit dem Ausbau der PV wachsen also auch die Geschäftsfelder und -möglichkeiten in der Branche?

Da gab es welche bis dato nicht, da einfach die Notwendigkeiten gefehlt haben – etwa, weil es ein (zu) kleiner Markt war oder weil die PV noch nicht in so vielen unterschiedlichen Anwendungen war, wie z.B. in der Fassade, auf der Lärmschutzwand oder auf Carports. Da treten z.T. Komplexitäten auf, die man sich gar nicht vorstellen kann – alleine, was es alles auf einem öffentlichen Parkplatz zu beachten gilt. Und natürlich sind diese Projekte – so wie alles abseits vom Standard – noch teuer, aber daher gibt es Innovationsförderungen, damit man hier möglichst viel ausprobieren kann.

Die Energiewende ist voll im Gange, dennoch ist beim Erneuerbaren-Ausbau bei weitem nicht alles eitel Wonne – was sind die aktuellen (und zukünftigen) „Baustellen”? Welche Lösungsansätze gibt es dazu vom PVA?

Ein großes Problem, nämlich das Förderwesen, hat die Regierung mit dem EAG gelöst. Jetzt kommen wir zum nächsten Engpass – das ist das Stromnetz. Es gibt zu wenig Kapazitäten im Netz und wir wissen nicht, wo noch Kapazitäten vorhanden sind. Wenn Kunden beim Netzbetreiber für den Anschluss einer PV-Anlage anfragen, erhalten sie ein Ja oder Nein als Antwort – aber keine exakte Auskunft darüber, wie viel PV-Leistung vor Ort tatsächlich möglich wäre. Der Kunde muss also nochmals nachfragen und sich herantasten – das ist in Zeiten der Digitalisierung nicht state of the art.

Das Gesetz schreibt seit zwei Jahren eigentlich eine „Stromlandkarte” zu den verfügbaren Kapazitäten im Netz vor – zumindest auf den Netzebenen 1-4, dh im Bereich der Hochspannung. Das bringt den PV-Anlagenbetreibern zwar nicht so viel, weil da eher auf den Ebene 7, 6 und 5 eingespeist wird, aber es wäre wenigstens ein Anfang – doch nicht einmal das schaffen die meisten Netzbetreiber. Man sollte die Vorgabe meines Erachtens ohnehin auf Trafoebene, d.h. Ebene 6, runtersenken, dann würde man Schwarz auf Weiß sehen, was noch möglich ist und was nicht. Die Kollegen in Deutschland beispielsweise schaffen das und auch die Esten schaffen das: In Estland gibt es eine Online-Plattform mit einer Art „Schieberegler”, mit dem man die Jahreszahl einstellen kann und dann anhand der farblichen Veränderung auf einen Blick sieht, wo ab wann welche Kapazitäten geschaffen sind. Ich glaube ja, dass viele Netzbetreiber nach wie vor nicht automatisiert rechnen und die Digitalisierung zu wenig nutzen. Das ist wahrscheinlich ein Mitgrund, warum sie die Netzkapazitäten nicht darstellen wollen – weil sie es nicht können.

Daneben arbeiten wir auch noch an der Thematik Fassaden-PV, wo gewisse Bedenken bezüglich des Brandschutzes bestehen und wir gerade Feldversuche mit der Stadt Wien durchführen. Weiters gehört der Bereich Genehmigungen dringend entrümpelt. Da gibt es seit letztem Jahr eine EU-Notverordnung, wonach PV-Anlagen rascher zu genehmigen sind – die gilt aber nur 1,5 Jahre. Und Österreich überlegt zusätzlich ein „Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz” einzuführen, um die Bundesländer bis zu einem gewissen Grad zu „overrulen” – das dauert aber noch, da das Ministerium gerade am neuen Elektrizitätsgesetz (ElWG) arbeitet.

Mit dem Themenkomplex Energiewende sind auch Begriffe wie Energieeffizienz, Wärmewende, Mobilitätswende und Sektorkopplung eng verbunden. Wie steht der PVA dazu?

Diese Themenbereiche spielen natürlich in die Photovoltaik mit hinein, zumal die PV-Anlage gewissermaßen den Ausgangspunkt für die anderen Sektorkopplungsbereiche darstellt. Da es in der Photovoltaik ohnehin so so viele Aspekte gibt, befassen wir uns als Verband nicht im Detail mit diesen Themen – das machen andere Branchenverbände, die diese Bereiche gut abdecken und mit denen wir uns abstimmen.

Die Akzeptanz erneuerbarer Energien, insbesondere der Photovoltaik, befindet sich auf einem Rekordhoch. Welche Bedeutung hat die Öffentlichkeitsarbeit für den PVA?

Wir versuchen wirklich faktenbasiert zu kommunizieren und haben bis vor wenigen Jahren sehr intensive Öffentlichkeitsarbeit betreiben, um ganz einfach das Thema Photovoltaik in die Köpfe der Menschen zu bringen. Jetzt ist die PV in den Köpfen der Menschen und ein Massenphänomen. Daher müssen wir nun eher dahingehend arbeiten und ein Verständnis dafür schaffen, warum es auch PV-Kraftwerke in der Freifläche braucht. Denn nur mit solchen großen Solarkraftwerken kann auch viel Strom erzeugt werden, außerdem speisen solche Anlagen im zweistelligen Megawatt-Bereich auf einer anderen Netzebene ein, wo noch Kapazitäten vorhanden sind.

Viele Privatpersonen verstehen nicht, warum sie für ihre kleine Anlage vielleicht keinen Anschluss bekommen, aber die riesige Anlage daneben sehr wohl. Dahingehend versuchen wir als Verband mehr zu kommunizieren, z.B. mit Studien, Broschüren, Veranstaltungen, Vorträgen, etc. Aber auch da wieder faktenbasiert die Vorteile einer Freiflächenanlage herauszustreichen und klarzustellen, dass diese keine Versiegelung ist, sondern ganz im Gegenteil darunter Landwirtschaft betrieben werden und damit Ausgleichsflächen für die Biodiversität geschaffen werden. Wenn man eine PV-Freiflächenanlage an der richtigen Stelle platziert und man die Anlage richtig plant, dann bringt sie neben sauberem Strom auch echten Mehrwert für die Umwelt. Wir übertreiben bei unseren Darstellungen auch nicht, denn es hat keinen Sinn, da G‘schichteln zu erzählen.

Seit dem Vorjahr ist Österreich ein Gigawatt-PV-Markt, in den Ausbauszenarien bis 2030 lagen die Peaks im Bereich 1,5-2 GWp pro Jahr – wie geht es 2023 weiter?

Das letzte Jahr war wirklich enorm und die Bevölkerung hat es verstanden, dass ihr die PV-Anlage aus energietechnischer Sicht das Leben retten kann – bis zu einem gewissen Grad. Aber das sind die Low-hanging Fruits, die wir jetzt geerntet haben – nicht zuletzt aufgrund des Strompreises. Dieser war für alle Beteiligten existenzbedrohend hoch und geht Gottseidank wieder zurück. Die privaten Dächer werden jedoch irgendwann einmal belegt sein, die nutzbaren Gewerbedächer ebenfalls, und dann muss man sich überlegen, wo man PV-Anlagen noch anbringen kann – eben an Fassaden, auf Infrastruktur, in der Freifläche, etc. Oder wie man nicht nutzbare Dächer nutzbar machen kann, z.B. durch Verbesserung der Statik, ob man eine PV-Verpflichtung einführt oder dass man den Genehmigungsprozess erleichtert – damit der jetzige Schwung erhalten bleibt.

Man kann also nicht davon ausgehen, dass die Entwicklung einfach so weitergeht?

Darauf darf man sich überhaupt nicht verlassen. Wenn nicht weiter optimiert wird, sind wir bald wieder dort, wo wir nicht mehr hinwollen.

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Kommentare (3)

  1. Gibt´s beispielhafte Strom-Jahresabrechnungen (Stromausgaben und -einnahmen) mithilfe dieser die aktuelle PVA-Rentabilität (Abschreibungsdauer) abgeleitet werden kann?

  2. Wann werden Ergebnisse der Feldversuche der PV-Fassaden bekanntgegeben? Am Westbahnhof hängen schon 2 Jahre welche und hier wurde auch mit der MA39 getestet!

  3. Meine PVA wird August 2023 montiert. Mittlerweile habe ich größte Schwierigkeiten mit meinem Netzbetreiber WIENER NETZE. Wenn ich ihnen alle Unterlagen sende, wäre da von ihnen Hilfe möglich? Man verlangt von mir Investitionen von mittlerweile Gesamt ca.6.000€

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